Das Licht in uns. Jiddu Krishnamurti

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Das Licht in uns - Jiddu Krishnamurti


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es auch sein mag. Man kann sich selbst kein Licht sein, wenn man im dunklen Schatten von Autoritäten, Dogmen oder Schlussfolgerungen steht. Wahre Moral ist kein Produkt des Denkens. Sie entsteht nicht durch den Druck des Umfeldes. Sie geht nicht aus dem Gestern, der Tradition hervor. Wahre Moral ist das Kind der Liebe, und Liebe ist weder Verlangen noch Lust. Sexuelles oder sinnliches Vergnügen ist nicht Liebe.

      Freiheit bedeutet, sich selbst ein Licht zu sein. Dann ist sie keine abstrakte Idee, nichts vom Denken Fabriziertes. Echte Freiheit ist Freiheit von Abhängigkeit, vom Haltsuchen, vom Verlangen nach Erfahrungen. Freiheit von der gesamten Gedankenwelt ist, sich selbst ein Licht zu sein. In diesem Licht findet alles Handeln statt und führt daher niemals zu einem Gegeneinander. Gegeneinander existiert nur, wenn dieses Licht vom Handeln getrennt ist, wenn der Handelnde von der Handlung getrennt ist. Das Ideal, das Prinzip, ist das fruchtlose Vorgehen des Denkens, das nicht zugleich mit diesem Licht existieren kann. Das eine schließt das andere aus. Wo der Beobachter da ist, ist dieses Licht, ist diese Liebe nicht da. Der Beobachter ist ein Produkt des Denkens, das niemals neu ist, niemals frei. Es gibt kein »Wie«, kein System, keine Methode. Es gibt nur das Sehen, welches das Handeln ist.

      Sie müssen sehen – aber nicht mit den Augen eines anderen. Dieses Licht, dieses Gesetz, ist weder Ihres noch das eines anderen. Es ist nur Licht da. Das ist Liebe.

      Das Wunder der Aufmerksamkeit

      Können wir alle Vorstellungen, Konzepte und Theorien beiseite lassen und für uns selbst herausfinden, ob es etwas Heiliges gibt – ich meine nicht das Wort, denn das Wort ist nicht das Tatsächliche, die Beschreibung ist nicht das Beschriebene –, können wir sehen, ob es etwas Echtes, Wirkliches gibt, kein Phantasiegebilde, nichts Illusionäres, Eingebildetes, keinen Mythos, sondern eine Wirklichkeit, die niemals zerstört werden kann, eine ewige Wahrheit?

      Um das herauszufinden, es zu entdecken, muss jede Autorität gleich welcher Art, besonders die spirituelle, völlig außer Acht gelassen werden, denn Autorität bedeutet Anpassung, Gehorsam und Übernahme eines bestimmten Denkmusters.

      Der Geist muss fähig sein, für sich allein zu stehen, sich selbst ein Licht zu sein. Einem anderen Menschen zu folgen, einer Gruppe anzugehören, von einer Autorität festgelegte Meditationstechniken zu praktizieren, ist ohne jede Bedeutung für einen Menschen, der die Frage untersucht, ob es etwas Ewiges, Zeitloses, etwas für das Denken nicht Ermessbares gibt, das in unserem täglichen Leben wirkt. Wenn das Ewige, Zeitlose nicht Teil unseres Alltagslebens ist, dann ist Meditation eine Flucht und absolut nutzlos. All das bedeutet, dass man selbstständig sein muss.

      Es gibt einen Unterschied zwischen Isolierung und Alleinsein, zwischen Einsamkeit und der Fähigkeit, alleine dazustehen, völlig klar, unbeirrt und unverdorben.

      Wir sind am ganzen Leben interessiert, nicht an einem Ausschnitt, einem Fragment des Lebens, sondern an allem, was Sie tun, was Sie denken, was Sie fühlen, wie Sie sich verhalten. Und da es uns um das Leben als Ganzes geht, können wir unmöglich ein Fragment wie das Denken nehmen und damit all unsere Probleme lösen. Auch wenn das Denken sich selbst für befugt hält, all die anderen Bruchstücke zusammenzufügen, ist dies nicht möglich, hat doch das Denken diese Bruchstücke selbst geschaffen.

      Wir sind darauf konditioniert, im Sinne von Fortschritt, von allmählichem Erreichen eines Zieles zu denken. Die Menschen glauben an eine geistige Entwicklung, aber gibt es so etwas wie das »Ich«, das psychisch irgendetwas anderes erreichen kann als Projektionen oder Vorstellungen des Denkens?

      Um herauszufinden, ob es etwas gibt, das keine Projektion des Denkens, keine Illusion, kein Mythos ist, müssen wir uns fragen, ob das Denken kontrolliert, in Schach gehalten, unterdrückt werden kann, so dass der Geist völlig still ist. Kontrolle bedeutet doch, dass es einen Kontrollierenden gibt sowie etwas, das kontrolliert wird, nicht wahr? Wer ist der Kontrollierende? Wird er nicht auch vom Denken erschaffen, ist er nicht auch eines der Fragmente des Denkens, das sich als der Kontrollierende Autorität angeeignet hat? Wenn Sie erkennen, dass dies wahr ist, dann ist der Kontrollierende das Kontrollierte, der Erfahrende ist das Erfahrene, der Denkende der Gedanke. Sie sind nicht voneinander getrennt. Wenn Sie das verstehen, besteht keine Notwendigkeit, etwas zu kontrollieren.

      Was geschieht, wenn kein Kontrollierender da ist, weil der Kontrollierende und das Kontrollierte eins sind? Wenn eine Trennung zwischen dem Kontrollierenden und dem Kontrollierten besteht, gibt es einen Konflikt, es wird Energie verschwendet. Sind der Kontrollierende und das Kontrollierte eins, findet keine Energieverschwendung statt. Dann sammelt sich die ganze Energie an, die zuvor durch die Trennung zwischen dem Kontrollierenden und dem Kontrollierten in Unterdrückung und Widerstand vergeudet wurde. Wenn keine Trennung existiert, haben Sie diese ganze Energie zur Verfügung, um über das hinauszugehen, was Sie glaubten, kontrollieren zu müssen.

      Es muss völlig klar sein, dass es in der Meditation keine Kontrolle und keine Disziplinierung des Denkens gibt, denn derjenige, der das Denken diszipliniert, ist selbst ein Fragment des Denkens; derjenige, der das Denken kontrolliert, ist ein Bruchstück des Denkens. Wenn Sie erkennen, dass dies wahr ist, steht Ihnen die ganze Energie zur Verfügung, die zuvor durch Vergleichen, durch Kontrolle und Unterdrückung vergeudet wurde, und Sie können über das, was tatsächlich ist, hinausgehen.

      Wir fragen uns, ob der Geist absolut still sein kann, denn das, was still ist, hat viel Energie. Es ist die Ansammlung der Energie. Kann der Geist – der unablässig plappert, der immer in Bewegung ist, der als Denken ständig zurückschaut, sich erinnert, Wissen ansammelt, sich ständig verändert – vollkommen still sein? Haben Sie je herauszufinden versucht, ob das Denken zum Stillstand kommen kann? Wie werden Sie herausfinden, auf welche Weise diese Stille des Denkens zustande kommen kann? Denken ist Zeit, und Zeit ist Bewegung, Zeit hat mit Messen zu tun. Im täglichen Leben messen und vergleichen Sie materielle, physische und auch psychische Dinge. Das alles ist Messen. Vergleichen bedeutet messen.

      Können Sie im täglichen Leben ohne Vergleichen auskommen? Können Sie ganz und gar aufhören zu vergleichen, nicht in der Meditation, sondern im täglichen Leben? Natürlich vergleichen Sie, wenn Sie zwischen zwei Materialien wählen müssen, zwischen diesem und jenem Stoff, wenn Sie zwei Autos vergleichen oder Wissen. Aber psychisch, im Inneren, vergleichen wir uns mit anderen. Können wir, wenn dieses Vergleichen aufhört – und es muss aufhören –, können wir dann vollkommen allein dastehen? Das gehört dazu, wenn kein Vergleichen mehr stattfindet – was nicht heißt, dass man nur noch vor sich hin vegetiert.

      Können Sie also im Alltag, ohne zu vergleichen, leben? Tun Sie es einmal, und Sie werden feststellen, was es mit sich bringt. Sie werfen eine ungeheure Last ab. Und wenn Sie eine unnötige Last abwerfen, steht Ihnen Energie zur Verfügung.

      Haben Sie schon einmal irgendeiner Sache Ihre ganze Aufmerksamkeit gewidmet? Widmen Sie dem, was der Redner sagt, Ihre ganze Aufmerksamkeit? Oder hören Sie mit einem vergleichenden Geist zu, der bereits ein bestimmtes Wissen erworben hat und das Gesagte damit vergleicht? Interpretieren Sie das Gesagte gemäß Ihres eigenen Wissens, Ihrer eigenen Neigungen und Vorurteile? Das hat nichts mit Aufmerksamkeit zu tun, nicht wahr? Wenn Sie völlig aufmerksam sind, mit Ihrem ganzen Körper, Ihrem Nervensystem, Ihren Augen, Ihren Ohren, Ihrem Geist, mit Ihrem ganzen Wesen, dann gibt es kein Zentrum, von dem aus Sie aufmerksam sind. Dann gibt es nur noch die Aufmerksamkeit. Diese Aufmerksamkeit ist völlige Stille.

      In dieser Aufmerksamkeit gibt es keine Grenze, keine Begrenzungen, und deshalb wird sie nicht gelenkt. Es gibt nur Aufmerksamkeit. Es gibt kein Ich und kein Du, keine Dualität, weder den Beobachter noch das Beobachtete. Das ist nicht möglich, wenn der Geist sich in eine bestimmte Richtung bewegt.

      Wir werden dazu erzogen und konditioniert, uns in bestimmte Richtungen zu bewegen – von hier nach dort. Wir haben eine Idee, einen Glauben, eine Vorstellung, ein Rezept, dass es eine andere Wirklichkeit gibt, eine Glückseligkeit, irgendetwas jenseits des Denkens, und wir fixieren das als Ideal, als Ziel, und gehen in diese Richtung. Wenn Sie in eine Richtung gehen, gibt es keinen Raum. Wenn Sie sich konzentrieren und in eine bestimmte Richtung gehen oder denken, ist in Ihrem Geist kein Raum. Sie haben keinen inneren Raum, wenn Ihr Geist gefüllt ist mit Dingen, an denen Sie hängen, mit Ängsten, mit der Jagd nach Vergnügungen, mit dem


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