Vernichten. Hansjörg Anderegg

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Vernichten - Hansjörg Anderegg


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      »Eine Killerin!«, murmelte Monika Weber. »Das riecht nach organisiertem Verbrechen.«

      »Davon gehen wir aus. Es war sicher keine Zufallstat. Die Fahndung nach der Verdächtigen ist bisher leider ergebnislos verlaufen.«

      Das überraschte niemanden im Zimmer des LKA. Professionelle Killer hinterließen kaum Spuren, wenn sie etwas taugten.

      »O. K.«, sagte Monika Weber gedehnt, »und weiter?«

      »Im Schließfach des Hotels ist ein Handy sichergestellt worden, welches das deutsche Ehepaar dort deponiert hat, obwohl es auch einen Safe im Zimmer gibt.«

      Dieter Vogel grinste breit. Bevor jemand eine Frage stellen konnte, sprach Makarov weiter:

      »Wir haben es bereits ausgewertet. Neben privaten Anrufen nach Deutschland ist zuletzt, vierzig Minuten vor der Tat, ein Anschluss in Sankt Petersburg angerufen worden. Dort befindet sich allerdings nur ein Festnetzapparat, der die Anrufe auf eine deutsche Prepaid-Nummer umleitet. Wir können daher den Besitzer dieser Nummer nicht ausfindig machen.«

      Als er schwieg, herrschte eine Weile Totenstille. Die Kommissare vom LKA sahen sich an, als erwarteten sie jeden Augenblick, Makarov ließe nach dieser Enthüllung die ganz große Bombe platzen. Falls die Anrufliste des Handys eine Nummer enthielte, welche die falschen Meiers mit dem LKA in Verbindung brachte, wäre die Katastrophe perfekt. Alle warteten mit angehaltenem Atem, doch Makarov sagte nur:

      »Entschuldigen Sie uns einen Augenblick.«

      Im Hintergrund hörte man gedämpfte Stimmen. Die auf Russisch geführte Unterhaltung wurde schnell lauter, dann schlug eine Tür zu und es kehrte Ruhe ein.

      »Die sind sich nicht einig, was für Bären sie uns noch aufbinden wollen«, brummte Vogel, die Hand auf dem Mikrofon.

      Monika Weber entspannte sich allmählich. Die Bombe war nicht detoniert. Das gab Hoffnung. Sie zuckte dennoch kaum merklich zusammen, als Makarovs Stimme wieder aus dem Lautsprecher sprach. Sie hatte sich verändert. Er hörte sich verärgert an.

      »Es gibt eine Änderung«, sagte er ohne weitere Erklärung. »Unser Vorgesetzter, Generalmajor Petrov, hat Ihnen etwas zu sagen.«

      Perplex hörten sie Petrov zu. Er sprach ein miserables Englisch, aber was er sagte, hatte es in sich.

      »Unsere Ermittlungen haben ergeben, dass das deutsche Ehepaar Meier Opfer eines Konflikts zwischen rivalisierenden Banden des organisierten Verbrechens geworden ist. Das Ehepaar stand offenbar mit einem Pädophilen-Ring in Kontakt, der mit dem Geschäft des Tambowskaja Kartells konkurriert, das zurzeit den Menschenhandel zu kontrollieren versucht. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Da der Fall das landesweit organisierte Verbrechen betrifft, mussten wir ihn an die zuständige Behörde abgeben.«

      »Was heißt zuständige Behörde?«, brauste Monika Weber auf. »Ich denke, Sie sind zuständig.«

      »Die Angelegenheit ist von nationaler Bedeutung. Zuständig ist jetzt das Innenministerium. Für weitere Fragen wenden Sie sich bitte direkt ans Ministerium.«

      Damit endete die Telefonkonferenz abrupt.

      »Nicht zu fassen – hält der sich für den verdammten Putin oder was?«, rief Vogel aus.

      Monika Weber schüttelte nur stumm den Kopf, während Chris sich die Reaktion von Staatsanwältin Winter ausmalte. Die Begeisterung über den in Rekordzeit und ohne außenpolitische Komplikationen abgeschlossenen Fall würde ihr womöglich gar ein Lächeln abringen. Sie selbst sah allerdings keinen Grund zu übereilter Freude, so gerne sie den Fall lieber heute als morgen zu den Akten gelegt hätte. Das unbestimmte Gefühl beschlich sie, hinter dem Horizont erwarte sie ein Unwetter, auf das sie in keiner Weise vorbereitet war.

      

      

       Kapitel 2

      Berlin

      Hauptkommissarin Monika Weber druckte die wenigen Seiten Information über Lukas Matulis und seine Galerie aus und meldete sich vom System ab. 14 Uhr war vorbei, ihr Partner Dieter Vogel immer noch nicht zurück vom Mittagessen, das normalerweise aus Currywurst am Platz der Luftbrücke oder Cheeseburger to go beim Burger King bestand, damit die Ernährung nicht allzu einseitig ausfiel.

      »Hat jemand Dieter gesehen?«, fragte sie in die Runde.

      »Raucht Parkplatz«, antwortete der alte Postbote im Telegrammstil, der zufällig am Fenster stand.

      »Seit wann raucht der wieder?«

      Mindestens ein Jahr lang hatte er zu ihrer Verblüffung keine Zigarette mehr angerührt. So viel Selbstdisziplin passte einfach nicht zu ihrem Partner. Sie ging ans Fenster. Es war tatsächlich Dieter Vogel, der, Zigarette im Mund, einen Parkplatz besetzte und in einen heftigen, pantomimischen Streit mit dem Fahrer des schwarzen Audi verwickelt schien, der partout auf dem letzten freien Platz parken wollte. Sie sah eine Weile kopfschüttelnd zu. Der Streit eskalierte. Dieter Vogel stapfte gesenkten Hauptes auf den Wagen zu wie der Stier aufs rote Tuch und versetzte der Stoßstange einen kräftigen Tritt. Der Fahrer sprang aus dem Auto. Sie schrien sich an, dann wandte ihr Partner sich unvermittelt ab.

      »Was hat er vor?«, fragte der Postbote neben ihr, der das Schauspiel zusammen mit fünf weiteren Kollegen gespannt verfolgte. Dieter Vogel beantwortete die Frage, indem er den nahen Mülleimer aus der Halterung riss, in hochhob und damit auf den Fahrer losging.

      »Der ist total übergeschnappt«, murmelte sie erschrocken.

      Unter dem Gelächter der Kollegen rannte sie zum Lift. Unten angekommen sah sie ihren Partner mitten auf dem Parkplatz auf dem Eimer sitzen. Er zündete sich die nächste Zigarette an und schien wieder mit sich und der Welt im Reinen zu sein. Der Audi war verschwunden.

      »Dem hast du‘s aber gezeigt«, sagte sie.

      Er drehte sich langsam zu ihr um, sah sie an, als nähme er Maß für den nächsten Angriff, bevor er sich entspannte und brummte:

      »Warum kann mich dieses Arschloch nicht einfach in Ruhe lassen?«

      »Vielleicht weil du auf dem letzten freien Platz sitzt?«

      Nach zwei langen Zügen, begleitet von trockenem Husten, schnippte er die Zigarette angewidert weg, klaubte eine neue aus der Packung und versuchte, sie anzuzünden. Die Hand mit dem Streichholz zitterte. Zudem blies der Wind in die falsche Richtung. Schließlich warf er das Streichholzbriefchen mit einem undeutlichen Fluch der Kippe hinterher. Die jungfräuliche Zigarette im Mund, hockte er auf den Mülleimer und starrte stumm ins Leere. Sie spürte, wie aufgewühlt er war, was sicher nicht am Audi-Fahrer lag. Daher verzichtete sie auf ironische Kommentare und fragte nur:

      »Willst du darüber reden?«

      Der gequälte Blick war nicht gespielt, als er antwortete:

      »Hast du dir mal überlegt, was für einen beschissenen Job wir eigentlich machen?«

      Er verstand es nicht als Klischee-Frage wie im Fernsehkrimi. Er erwartete eine ernsthafte Antwort, die ihr gerade nicht einfiel. Sie konnte nur vermuten, woher sein Zustand rührte.

      »Du warst bei Marion, nicht wahr?«

      Marion, die junge Witwe des ermordeten Kollegen Malte Friedmann. Dieter war seit langer Zeit eng mit der Familie Friedmann befreundet, der Sohn Patrick sein Patenkind.

      »Es ist – unfassbar – ich kann dich verstehen«, fügte sie stockend hinzu. »Der arme Kleine …«

      »Patrick weiß es noch nicht!«, unterbrach er heftig. »Wie erklärst du einem Fünfjährigen, dass eine Psychopathin seinen Vater abknallt wie ein krankes Schwein, nur weil er seinen verschissenen Job macht? Marion kann es jedenfalls nicht – ich auch nicht.«

      Auch darauf wusste sie keine Antwort, außer dem eiskalt klingenden Hinweis auf »professionelle Hilfe«, was er mit einem verächtlichen Lacher quittierte. Sie wechselte abrupt das


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