Hospiz ist Haltung. Группа авторов
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Gerda Graf
Horst Schmidbauer
Kapitel I In den Wurzeln liegt unsere Stärke
In diesem Kapitel möchten wir an die Wurzeln unserer Bürgerbewegung Hospiz erinnern und für Sie nachvollziehbar darstellen. Dabei werden Sie genauso wie wir spüren, dass man aus dem Wissen um unsere Wurzeln viel Kraft schöpfen kann.
Diese Wurzeln kann uns niemand nehmen, aber diese Wurzeln mit ihrer Kraft haben auch Anteil daran, dass wir in der Hospizbewegung eine Haltung annehmen, die sich nicht nur der Vergangenheit, sondern gerade der Zukunft verpflichtet fühlt.
Ein spannendes Kapitel, das auf die ganzheitliche Sicht des Menschen abstellt.
Horst Schmidbauer
1.1.Geschichtliches und Geschichten
von Gerda Graf
1.2.…die Menschen teilhaben zu lassen, auch an dem, was außerhalb geschieht...
Frau Dr. Everding im Gespräch mit Horst Schmidbauer
1.3.Das Lebensende therapieren?
Herrn von Radowitz im Gespräch mit Horst Schmidbauer
1.4.Hin zum bürgerschaftlichen Tun
Herr Schmelter im Gespräch mit Gerda Graf
1.5.Erinnerungen an die parlamentarische Begleitung
von Horst Schmidbauer
1.6.Ach könnte das schön sein
von Prof. Dr. Marie-Luise Bödiker
Gerda Graf,
geb. 1952.
Ausbildung zur Krankenschwester, später Studium Pflegemanagement, heute tätig als Geschäftsführerin der Wohnanlage Sophienhof in Niederzier. Während ihrer Weiterbildung, z. B. in Focusing, Palliative Care und systemischer Organisationsberatung, beschäftigte sie sich mit der Integration von hospizlichen Strukturen in Organisationen wie Krankenhäusern und Pflegeheimen. Sie war Mitbegründerin der ambulanten Hospizbewegung Düren und baute ein stationäres Hospiz an einem Krankenhaus auf. Fast 10 Jahre stand Frau Graf der Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz (heute DHPV e. V.) als ehrenamtliche Vorsitzende vor. Hier gelang es, gemeinsam mit Vorstand und den 16 Bundesländervertretern, den Dachverband zusammenzuschließen und politisch so wirksam werden zu lassen, dass Gesetze verabschiedet wurden und parteiübergreifend die Hospizidee anerkannt und umgesetzt wurde und wird. Sie war auch Mitbegründerin der hospiz zeitschrift und Initiatorin des Ehrenamtspreises, der jährlich vom DHPV verliehen wird. Gerda Grafs größter Wunsch ist es, die hospizliche Haltung in Organisationen so weiterzuentwickeln, dass eine Ethik der Mitmenschlichkeit in den alltäglichen Handlungen sichtbar wird.
1.1Geschichtliches und Geschichten
Wortherkunft
Das Wort hospitum bedeutet im Lateinischen so viel wie „Herberge, Bewirtung“ – häufig in Anlehnung an Klöster für Reisende und Pilger gedacht1. Sowohl das Wort „Hospiz“ als auch der Begriff HOSPITAL standen im Mittelalter sinngemäß sowohl für das Krankenhauswesen als auch für die Beherbergung. Ein Grund mag dabei sein, dass die damalige Medizin den fließenden Wortgebrauch zuließ. In der Schweiz bezeichnet das Wort Hospital heute noch Krankenhäuser und Altenheime. Darüber hinaus leitet es sich etymologisch aus dem Begriff für „Armenhaus“ ab, meint aber gleichzeitig auch die Gastfreundlichkeit2. Diese Ableitung macht verständlich, was der römische Dichter Plautus um 250 v. Chr. festgestellt haben soll: „Nach drei Tagen beginnen Gäste wie Fisch zu stinken“. Nach dem angelsächsischen Recht war ein Fremder drei Tage lang Gast. Danach erhielt er den Status eines Knechtes, und die Beziehung zwischen Gast und Gastgeber änderte sich. Erst mit der Verbreitung des Christentums wurden diese Regeln nach altruistischen Gesichtspunkten umgewandelt und das Hospiz zur Herberge, sprich Bewirtung, erklärt. Damit wird erkennbar, was dem Hospizgedanken ursprünglich zugrunde liegt – eine HERBERGE FÜR WANDERER.
Herberge für Wanderer
Stellt man sich die Wege vor, die in der damaligen Zeit von Menschen zurückgelegt wurden, so liegt die Errichtung solcher Herbergen nicht fern. Eine Raststätte also mit der Möglichkeit auszuruhen, zu essen und zu übernachten, um neue Kräfte zu sammeln für die weiteren Stationen der Reise. Aufgenommen wurden alle Besucher, aber in zunehmendem Maße – der Zeit entsprechend – immer häufiger Pilger auf der Durchreise zum „Heiligen Land“. So verwundert es nicht, dass infolge der strapaziösen Reisen im Mittelalter auch Kranke und Sterbende im Hospiz Zuflucht fanden.
Meistens waren diese Herbergen angegliedert an die damaligen Klöster. Dazu ein Auszug aus einer damaligen Hausordnung einer Herberge: „Wie unsere Herren, die Kranken, empfangen und bedient werden sollen: Wenn ein Kranker kommt…, möge er zu Bett getragen werden und dort…, bevor die Brüder zum Essen gehen, täglich aus Wohltätigkeit mit Speise und Trank, entsprechend den Möglichkeiten des Hauses, versorgt werden. Diese Betten der Kranken sollen so lang und so breit bemessen sein, wie es eine angenehme Ruhe erfordert und jedes Bett soll mit einer eigenen Zudecke versehen sein…, für die Säuglinge, welche von Pilgerinnen in dem Haus zur Welt gebracht werden, sollen kleine Wiegen gebaut werden…, die Leiter des Hauses sollen den Kranken mit frohem Herzen dienen und sie sollen ihre Pflicht ihnen gegenüber erfüllen und ihnen ohne Murren oder Klagen zu Diensten sein…, damit sie Tag und Nacht geschützt und bewacht seien, sollen ihnen überdies neun Diener zur Verfügung gestellt werden, welche sanft ihre Füße waschen und ihr Bettzeug wechseln sollen…“3
So sah das Christentum in der Hospiz- und Hospitalform die Verwirklichung des „Dienst am Nächsten“, und in fast alle damaligen Ordensregeln wurde die „Sorge für Gesunde und Kranke“4 mit aufgenommen.
Allerdings gerieten bisherige Weltanschauungen über den Tod ins Schwanken. Glaubte man bis ins Mittelalter an ein ruhiges Hinübergleiten in eine andere Welt, wurde infolge der zunehmenden Christianisierung die Angst vor dem Jüngsten Gericht propagiert.
Damit bekam der Tod eine direkte Beziehung zum gelebten Leben, und die Sorge vor den Höllenqualen erstickte einen angstfreien Umgang mit dem Tod. Damit wurde die Saat zur Tabuisierung dieses Themas bis in die achtziger Jahre gelegt.
Großer Krankensaal des Hotel-Dieu in Bealine; Zeichnung nach einer Fotografie
Die neuzeitliche Hospizbewegung
Im Spätmittelalter wurde der Krankenhausbedarf nicht mehr durch die Klöster getragen, da der Staat begann, Kranke in eigenen Einrichtungen unterzubringen. So kam die große Zeit der Pest und die zusätzliche Hexenverfolgung durchaus gelegen, um die Klöster aufzulösen. Die Pilger wurden zu Vagabunden degradiert und die unheilbar Kranken wurden von den Hospitälern abgewiesen.
Natürlich gab es gelegentlich immer noch hospizähnliche Institutionen, wie z. B. die Schwesternschaften von Vincent von Paul zeigen. Aber die eigentliche Hochblüte zur Zeit der Kreuzzüge war vorüber, und so gab es in diesem Bereich keine nennenswerte Weiterentwicklung.
Die