TodesGrant. Wilfried Oschischnig

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TodesGrant - Wilfried Oschischnig


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      Der Roman spielt hauptsächlich in bekannten Regionen, doch bleiben die

      Geschehnisse reine Fiktion. Sämtliche Handlungen und Charaktere sind frei erfunden.

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über www.dnb.de

      © 2021 CW Niemeyer Buchverlage GmbH, Hameln

      www.niemeyer-buch.de

      Alle Rechte vorbehalten

      Umschlaggestaltung: C. Riethmüller

      Der Umschlag verwendet Motiv(e) von 123rf.com

      EPub Produktion durch CW Niemeyer Buchverlage GmbH

      eISBN 978-3-8271-8416-0

      Wilfried Oschischnig

      TodesGrant

      Diesmal für Magdalena und Johanna

      Eins

      „Holzpyjama“, so sagen die Wiener zu einem Sarg. Voll makabrer Poesie und im Bewusstsein: Ihr letzter Pyjama wird wohl aus Holz gewebt sein. Aus Buche, Eiche, Fichte oder Tanne … für die ewige Dunkelheit.

      Und schnell kann es gehen, dass einen das Schicksal ins hölzerne Nachtgewand steckt. Sehr, sehr schnell. Wie bei Matthias Frerk Gradoneg.

      Ein ohrenbetäubender Kracher, ein schmerzhafter Schlag auf den Kopf – und der helllichte Tag so schwarz wie die stockfinstre Nacht. Ja, Gradoneg hatte gerade den Deckel für seinen Sarg abbekommen, aus heiterem Himmel und mit teuflischer Brutalität.

      Matthias Frerk Gradoneg wähnte sich im Sterben, wenn nicht schon tot.

      Erschlagen von der eigenen Wohnungstür! Begraben unter einem Mordsding aus Vollholz! Tatsächlich. Die eigene Wohnungstür war auf ihn eingestürzt, gleich einer Fliegenklatsche für Unglücksraben. Ein hohes, breites, schweres Ungetüm. Echtes Handwerk aus einer Zeit, als Türen noch Türen waren und nicht bloß ein Hauch Furnier auf Spanholzplatten.

      Und wie hatte er diese verflixte Tür noch beim Wohnungsumbau vor seiner Ursula verteidigt. Richtig heldenhaft, kaum zwei Monate ist dies nun her. Alles durfte seine Frau in der Wohnung niederreißen, nur Finger weg von dieser Tür. Diesem Heiligtum der alten Handwerkskunst. Ja, wie ein Umweltschützer an einen Baum hatte er sich an dieses mörderische Ding geklammert. Jede Wand durfte unter Ursulas Gestaltungswillen zu Schutt verfallen, jeder Boden war ihm wurscht und jedes Fliesenmuster recht. Nur eben die Wohnungstür hatte er bis aufs Blut verteidigt.

      Durch diese Tür ist unser ganzes Leben ein- und ausmarschiert …, raunzte er dann seiner Ursula vor. Alles was mir wichtig und heilig ist, hab ich durch diese Tür getragen. Den Josef, die Hemma, frisch aus dem Krankenhaus und jahrelang in den Kindergarten. Verstehst du, das ist kein Schrott, sondern ein Symbol, mein Lebenssymbol … Dich … dich hab ich ja auch durch diese Tür getragen …, fügte er dann rasch hinzu, weil Ursulas Mundwinkel schon gefährlich zuckten und es in ihren Augen beleidigt blitzte. Freilich habe ich dich durch diese Tür getragen. Oft! Sehr, sehr oft! Das … das hast du nur vergessen. Falls du’s mir nicht glaubst, holen wir es eben nach, jetzt gleich …, zog er seine Frau zur Wohnungstür hinaus, hob sie hoch und keuchte und stolperte mit ihr ins Vorzimmer zurück. Spürst du’s? Ich mein, die Aura … Das ist ja kein banaler Eingang, das ist eine besondere Aura. Die … die musst du doch spüren. Ein Fotoalbum mit Seelenbildern ist das, unser unsichtbares Familienalbum. Und da er freilich mit diesem halbpoetischen Unsinn bei seiner Frau nichts bewirkte, griff er schließlich zur Angst: Denk doch zumindest an die Sicherheit, wenn dir unsere Erinnerungen schon nichts wert sind. Was gibt es denn Besseres als eine alte Wohnungstür? Sicherer geht’s nicht, glaub mir. So zugekifft sind nicht einmal die schlimmsten Hausbesetzer, dass die da einbrechen. Ist doch völlig logisch: Je schöner eine Wohnung ist, desto grauslicher muss die Eingangstür sein.

      Das war schon immer so … Von den ägyptischen Pyramiden bis zum … also … bis heute …, schnappte er nach Luft und einem brauchbaren Argument. Ja, bis heute gilt das – der Eingang muss immer möglichst hässlich sein, damit man drinnen seine Ruhe hat. Wie bei den Pyramiden. Und erinnere dich an New York, ans Guggenheim-­Museum. Genau genommen ist das eine Parkgarage mit einer grauslichen Einfahrt, oder? Nicht viel mehr als ein Park & Ride in der Pampa von Wien. Ohne die Picassos würde dort niemand freiwillig hineingehen. Das … das kapieren sogar die Wiener. Schau dich doch nur einmal bei uns in Währing um. Kennst du eine einzige Villa mit einem schönen Eingang? Das sind alles Bretterverschläge mit einem Schloss.

      Ja, hätte er bloß geschwiegen und sich dieses unsinnige Heldentum erspart. Gerede, nichts als schwachsinniges Gerede. Ursula hätte längst die Tür herausgerissen und auf dem Scheiterhaufen des Sperrmülls verbrannt. Ein CO2-Wölkchen am Himmel über Wien, mehr wäre nicht passiert. Aber nein, er musste wieder einmal klüger sein. Und so lag er eben da und krepierte. Ausgerechnet jetzt, als es ihm einmal gut erging und sein Leben mehr als die belanglose Schleimspur eines Wurms war. Gerade war er dabei, in die Fußspuren eines braven Währinger Bürgers zu treten. Langweilig zwar, aber wohlbestallt und zufrieden.

      Und dann das! Erschlagen! Neunundvierzig Jahre alt, noch keine fünfzig.

      Gradoneg röchelte und wimmerte unter der schweren Tür, blutete und konnte weder seine Arme noch Beine bewegen. Hatte fürchterlich Angst, dass er nicht nur unter einer Tür, sondern bereits im Wartezimmer des Todes, im Schlachthof der letzten menschlichen Illusionen lag. Dass er an jenem Ort angekommen war, wo die letzten Augenblicke eines Menschen verstreichen. Wo das Leben im hoffnungslosen Nichts erstickt und nur noch der Schmerz existiert. Dort, wo der Tod einen rostigen Stacheldraht in seinen Geigenbogen spannt und die letzten Schreie aus dem Klangkörper des Menschen fiedelt – die pure Angst und Verzweiflung, das inbrünstige Flehen und Betteln.

      Immer schwerer und schwerer wurde so auch die Tür auf Gradoneg, und immer dunkler sein allerletzter Hoffnungsschimmer. Bitte, bitte … mach das nicht, lieber Gott, winselte Gradoneg. Innerlich, denn in seinem Zustand brachte er kein Wort mehr über die Lippen. Nicht mit mir, bitte, lieber Gott. Ich hab doch kleine Kinder und die Wohnung … die Wohnung ist auch noch neu. Bitte, ich flehe dich an. Meine Frau, die … die Ursula, braucht mich wahrscheinlich auch, zwängte er nach dem Donnerschlag und dem harten Aufprall auf dem Boden seinen Kopf zur Seite. Mehr schaffte er nicht mehr. Wahrscheinlich seine letzte bewusste Bewegung auf Erden. Fortan würden sich wohl nur noch Rettungsleute und Leichenwäscher um seinen Körper kümmern. Irgendwo in einem Keller eines Wiener Krankenhauses. Das AKH wäre nahe liegend, auch das Krankenhaus zum Göttlichen Heiland, oder würden sie ihn doch ins Unfallkrankenhaus Meidling bringen? Egal, fremde Hände in Gummihandschuhen und Wegwerfwaschlappen würden da wie dort die letzte Berührung mit dieser Welt sein. So kalt und fremd, wie sich das Leben außerhalb seiner Familie meistens anfühlte. Das erwartete ihn zweifellos, vielleicht ein primitives Witzchen über seine stoppeligen Nasenhaare, die wie ein frisch gedroschenes Getreidefeld in den Löchern wucherten; und falls die Leichenwäscher ihre Arbeit ernst nahmen, würden sie seine ersten Altersflecke in der Falte am Kinn entdecken. Ein seltsames Ameisennest aus schwarzbraunen Punkten, das ihn bei jeder Rasur in Panik versetzte. Eigentlich wollte er es längst ausheben, mit nigelnagelneuen Klingen und einem mutigen Schnitt. Egal, nun war es zu spät. Nun kamen die Würmer oder das Krematorium. Das musste Ursula entscheiden. Bald würde er kein Subjekt, sondern nur noch ein Objekt sein. Ein Ding, das man verwaltete. Ein perfekter Staatsbürger, nur leider tot und unproduktiv. Ja, vielleicht würde jemand noch diesem Ding namens Gradoneg ein Ding namens Handy aus der Hosentasche ziehen, das zersprungene Display betrachten und sich fragen, ob sich ein Diebstahl lohne. Oder sollte man doch auf den nächsten Toten, auf das nächste Ding warten?

      Bitte, bitte ... lieber Gott … in zwei, drei Jahren, von mir aus, wenn’s unbedingt sein muss, aber nicht heute. Ich schwör es, dann halt ich meine Goschn und spring selber in die Erde, flehte und bettelte Gradoneg innerlich weiter. Schmeckte sein Blut, wie es sich immer giftiger, dicker und klebriger auf der Zunge anfühlte. Oder nächstes Jahr, bitte. Hol mich halt nächstes Jahr. Ich … ich rauch fast nichts mehr und trinken tu


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