Innen wachsen – außen wirken. Julia Buchebner

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Innen wachsen – außen wirken - Julia Buchebner


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Verschmutzung wie auch mit der anschließenden Säuberung etwas verdient werden kann, ist alles in Ordnung.

      Wir scheinen nämlich immer noch einem mechanistischen Weltbild zu folgen, wonach auf unserem Planeten alle Vorgänge wiederholbar und reversibel sind. Was auch immer wir zerstören, kann auch wieder repariert werden, so der Glaube. Und diese Sichtweise prägt nicht nur unsere politischen Gremien und Organisationen, auch in weiten Teilen der Bevölkerung hält sie sich nach wie vor. In diesem Denken ist die Natur wie eine Maschine, unbelebt und beliebig steuerbar, frei nach den Wünschen jener Spezies, die sich diese Weltsicht ausgedacht hat. Und so fahren wir – völlig entspannt – gegen eine Wand und wissen dies sogar. Glauben jedoch, diese Wand kurz vor dem Aufprall noch aus dem Weg räumen zu können. Das heißt, sofern es sich ökonomisch rechnet …

       Beispiel Artensterben

      Ein weiteres großes Thema, das in den vergangenen Jahren mächtig für Schlagzeilen gesorgt hat und selbst hartgesottene Sitzenbleiber vom Sessel heben könnte, ist der Verlust der Biodiversität. Alle zehn Minuten stirbt auf unserer Erde eine Art aus!6 Wir befinden uns somit bereits im sechsten Massensterben in der Geschichte unseres Planeten. Entgegen dem letzten Massensterben können wir diesmal aber keinen Meteoriten als Verantwortlichen heranziehen, sondern müssen uns selbst an der Nase nehmen. Und bevor wir wieder in die Ferne schweifen und dem Artensterben im Amazonas unsere Aufmerksamkeit schenken, sollten wir lieber bei uns zu Hause beginnen. In Deutschland etwa fanden Hobbyforscher heraus, dass der Insektenbestand in den letzten dreißig Jahren um achtzig Prozent zurückgegangen ist. In Österreich sind alle Reptilien- und Amphibienarten entweder auf der Roten Liste oder auf einer Vorwarnstufe dazu. Und auch die Schweiz zählt mehr als 4900 bedrohte Tierarten.7 Mechanistisch gesehen kann man diesen Zahlen natürlich entgegnen, dass das Aussterben der Rumpelstilzchen-Zwergheuschrecke keine Bedrohung für uns Menschen darstellt. Deshalb lassen wir diese stampfende Zwergheuschrecke mal außer Acht und beginnen mit einer altbekannten Artgenossin, der Biene.

      »Stirbt die Biene aus, so haben wir Menschen nur noch fünf bis zehn Jahre zu leben.« Immer wieder erschüttern uns Wissenschaftler mit solch haarsträubenden Thesen. Auch wenn wir Autoren dieser Drastik nicht ganz zustimmen, ist uns das Thema sehr wichtig, denn auch wir wollen in Zukunft nicht nur Brot mit Kartoffeln und Reis essen. So ähnlich könnten nämlich unsere Mahlzeiten in einer Zukunft ohne Bienen aussehen. Immerhin sind die bestäubenden Insekten, allen voran die Biene, für etwa ein Drittel all unserer Ernteerträge verantwortlich. Ohne Bienen gäbe es also kaum noch Äpfel, Birnen, Erdbeeren, Zwetschgen, Melonen, Kaffee, Kürbisse, Karotten, Zwiebeln oder auch Bohnen. Dies würde zudem unsere Versorgung mit Proteinen, Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen, wie etwa Eisen, massiv beeinträchtigen. Außerdem würden die Blühpflanzen verschwinden und unsere Landschaft würde noch ein Stück kahler werden, als sie es ohnehin bereits ist.

      Anhand der Biene sieht man also schon sehr gut, wie sehr wir Menschen von der Natur abhängig sind. Bedenkt man nun, dass neben der Varroamilbe die Pestizide, vor allem die Klasse der Neonicotinoide, stark zum Bienensterben beitragen, wird die Kehrseite unserer wechselseitigen Abhängigkeit sichtbar. Und auch wenn die Pestizidhersteller ihre Verantwortung gern herabspielen, ist vielen Menschen langsam klar geworden, dass sich in unserem Umgang mit der Natur etwas ändern muss. Das Bienensterben hat uns hierbei ungewollt geholfen, weil es direkt vor unserer Haustür stattfindet und somit einen größeren Einfluss zu haben scheint als andere Umweltprobleme: Wenn der Imker oder die Imkerin aus der Nachbarschaft ihre Völker verlieren, brennt sich das in unseren Köpfen ein – und zwar stärker, als wenn ein Fisch in den Weiten des Mittelmeers an Plastik zugrunde geht.

       Beispiel Klimawandel

      Ein weiteres globales Thema, das uns wohl wie kein anderes im 21. Jahrhundert prägen wird, ist der Klimawandel. Solltest du womöglich gedacht haben, wir könnten zur Nische jener gehören, die den Klimawandel ablehnen oder gar leugnen, müssen wir dich enttäuschen. Wir sind seit über einem Jahrzehnt im Bereich der Nachhaltigkeit tätig und deshalb kommt für uns die Leugnung des Klimawandels in etwa dem Glauben gleich, die Erde wäre eine Scheibe. Abgesehen von ein paar Astronauten kann niemand wirklich sagen, dass unsere Erde rund ist, dennoch erscheint alles andere de facto unmöglich und alle Forschungsergebnisse und Bilder sprechen dieselbe Sprache. Somit gibt es bei diesem Thema schon lange eine breite Einigkeit: Die Erde ist keine Scheibe, Punkt. Auch beim Klimawandel gibt es – glücklicherweise – eine ebensolche Einigkeit. Dass sich das Klima auf unserer Erde über die Zeit hinweg immer verändert hat, wissen wir schon lange. Dass dies derzeit ungewöhnlich schnell passiert und durch uns Menschen verursacht wird, wurde dann im 20. Jahrhundert entdeckt.

      In den 1950er-Jahren konnten die Klimaberechnungen erstmals mit Computern unterstützt werden, und seit den späten 1960er-Jahren fließen die Messungen von Satelliten in die Klimatologie mit ein. Eine breite Forschung, auch seitens der Ölkonzerne, gab es in den 70er- und 80er-Jahren. 1988 wurde schließlich das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) – der Weltklimarat – gegründet. Dies war zugleich der Zeitpunkt, als die Klimaproblematik auf breiter Ebene erkannt wurde und die Ölfirmen begannen, im großen Stil ihre eigenen Forschungsergebnisse zu leugnen und viele Millionen für Desinformationskampagnen auszugeben.8 Dazu mehr in einem späteren Kapitel.

      Neu ist das Phänomen Klimawandel also schon lange nicht mehr und wir können bei seiner Beschreibung auf weit über fünfzig Jahre Forschungsergebnisse zurückgreifen. Mithilfe von Eisbohrkernen können wir heute genaue Informationen über das Klima der vergangenen Jahrtausende gewinnen. Abbildung 1 zeigt uns dazu, wie sich die Konzentration von Kohlendioxid in der Erdatmosphäre im Lauf der Zeit verändert hat. Demzufolge gab es die aktuelle CO2- Konzentration in den vergangenen 800.000 Jahren, ja wahrscheinlich sogar drei Millionen Jahren, nicht!

      Abb. 1: Der CO2-Gehalt unserer Atmosphäre in den vergangenen 800.000 Jahren.9

      Der starke Anstieg anthropogener Treibhausgasemissionen, hauptsächlich angetrieben durch das Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum seit Beginn der Industriellen Revolution, hat in weiterer Folge auch zu einem Anstieg der globalen Erdtemperatur geführt. So wissen wir heute, dass die Temperatur im globalen Mittel um etwa 1 °C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau angestiegen ist. Für Europa war das Jahr 2018 mit einem Anstieg um 1,78 °C das bisher heißeste in der Messgeschichte.10 Auf unserem Kontinent haben wir mittlerweile vier Jahre in Folge die Ein-Grad-Grenze überschritten11, und seit den 1970er-Jahren war jedes Jahrzehnt wärmer als das vorherige12. Generell war es noch nie während der letzten 2000 Jahre – und sehr wahrscheinlich auch noch nie im Lauf der menschlichen Zivilisation – so warm wie heute.13

      Nicht nur die wissenschaftlichen Ergebnisse sprechen diese Sprache, auch in unserem Alltagsleben ist dieser Wandel spürbar. Dass die Pegelstände großer Flüsse in den vergangenen Jahrzehnten gesunken sind, ist nichts Neues. In den letzten Sommern kam es durch die extremen Dürreperioden dazu, dass sie noch einmal deutlich weniger Wasser führten als sonst und sogar die Schifffahrt eingestellt werden musste. 2018 etwa hatte der Rhein als Deutschlands wichtigste Wasserstraße bei Düsseldorf zeitweise nur noch eine Fahrwassertiefe von weniger als zwei Metern.14 Neben dem Wasserverkehr musste in diesem Jahr auch die Landwirtschaft starke Einbußen hinnehmen. Die Hektarerträge deutscher Landwirte lagen bei Getreide um 16 Prozent niedriger als in den Vorjahren, und wer im damaligen Sommer per Auto oder Bahn quer durch Mitteleuropa unterwegs war, konnte sich von den vertrockneten Feldern selbst überzeugen.15

      Neben den Feldern hat auch unser geliebter Wald massive Probleme mit den veränderten Temperaturen der letzten Jahrzehnte. Unsere hochgezüchteten Fichtenwälder wollen es eigentlich kühl und sondern bei zu starker Hitze ein Stresshormon ab, das wiederum den Borkenkäfer anlockt. In einer Monokultur voll von Fichten hat dieser dann ein leichtes Spiel und kann binnen einer Saison ganze Waldstriche dem Erdboden gleichmachen. Auch deshalb, weil er sich aufgrund längerer Wärmeperioden jährlich einmal mehr fortpflanzen kann, als dies früher der Fall war.

       Unsere Normalität


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