DS-GVO/BDSG. David Klein
Читать онлайн книгу.Sichtweise des BGH
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Auch der BGH kommt in seinem Urteil in Sachen Planet49 (Cookie-Einwilligung II) zu dem Ergebnis, dass für den Einsatz von Cookies zur Erstellung von Nutzerprofilen für Zwecke der Werbung oder Marktforschung die Einwilligung des Nutzers erforderlich ist. Er stützt dieses Ergebnis jedoch nicht auf die DS-GVO sondern auf eine richtlinienkonforme Auslegung des § 15 Abs. 3 TMG, hält diesen insofern für gegenüber der DS-GVO vorrangig anwendbar.[340] Der BGH geht wohl davon aus, dass nationale Gesetze trotz ausdrücklich entgegenstehendem Regelungsgehalts kraft richtlinienkonformer Auslegung als Umsetzungsakt klassifizierbar sind, auch wenn der Gesetzgeber diese nicht als solche bezeichnet („§ 15 Abs. 3 Satz 1 TMG als den Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2002/58/EG umsetzende nationale Regelung“[341]) und wendet § 15 Abs. 3 TMG daher als Umsetzung der RL 2002/58/EG an. Eine Legitimation des Setzens von Cookies zu Werbezwecken über eine Interessenabwägung, die nur die DS-GVO, nicht jedoch das TMG kennt, kommt somit nicht in Betracht.
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Nicht geäußert hat sich der BGH zu der Frage, ob die §§ 11 ff. TMG insgesamt (richtlinienkonform) anwendbar sind. Auch zum allgemeinen Verhältnis des § 15 Abs. 3 TMG zur DS-GVO hat er nicht ausdrücklich Stellung bezogen. Offen geblieben ist insofern die Frage, ob die Anwendung des § 15 Abs. 3 TMG beim Setzen von Cookies zu Werbezwecken eine Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f für das Setzen von Cookies prinzipiell, etwa auch zur Auswertung des Nutzungsverhaltens (sog. Analyse-Cookies), sprich zur bedarfsgerechten Gestaltung der Telemedien, sperrt.[342]
(3) Bedeutung für die Praxis
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Im Ergebnis dürfte es im Bereich der weitgreifenden Profilbildung sowie beim Einsatz technisch notwendiger Cookies keine Rolle spielen, ob diese künftig basierend auf den Regelungen der DS-GVO oder doch über eine richtlinienkonforme Auslegung der Regelungen im TMG gesetzt werden dürfen. Eine generelle Verarbeitung personenbezogener Daten unter Hinzuziehung von Drittinformationen bzw. Werbenetzwerken ist ohne Einwilligung nicht vertretbar; für das Setzen von technisch notwenigen Cookies bedarf es einer solchen hingegen nicht. Das Setzen von Cookies zur Diensterbringung wäre sowohl über eine Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f stets zulässig, als auch im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung des § 15 Abs. 3 TMG mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 S. 2 der DSRL zur elektronischen Kommunikation zu legitimieren.
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Unterschiede zwischen der Aufsichtsposition und der Ansicht des BGH ergeben sich vor allem im Bereich der kontextbezogenen Werbung. Hier lässt die Aufsicht über die Interessenabwägung den Einsatz von Cookies je nach Lage im Einzelfall zu, auch wenn dem Nutzer lediglich eine Widerspruchlösung eingeräumt wurde. Der BGH verlangt hingegen beim Setzen von Cookies zu Werbezwecken stets eine Einwilligung (§ 15 Abs. 3 TMG). Zu den übrigen Bereichen, wie etwa zum Einsatz von Analyse-Cookies, hat sich der BGH bisher nicht ausdrücklich geäußert.[343]
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Zu beachten ist zudem, dass sich, insofern man für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Setzens von Cookies nicht die DS-GVO sondern § 15 Abs. 3 TMG anwendet, die Frage stellt, ob die Sanktionierung eines den Anforderungen des § 15 Abs. 3 TMG zuwiderlaufenden und insofern rechtswidrigen Datenverarbeitungsprozesses dennoch über Art. 83 Abs. 5 lit. a erfolgen kann oder § 16 TMG vorrangig anzuwenden ist.[344] Im letztgenannten Falle müsste sorgsam geprüft werden, welche Behörde für eine auf diesen gestützte Sanktionierung zuständig wäre.[345]
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In der Praxis kann und sollte man sich grundsätzlich an der Perspektive der Aufsicht orientieren. Die Aufsichtspositionen können daher auch der Gestaltung von Datenverarbeitungsprozessen im Zusammenhang mit Websites nach wie vor zugrunde gelegt werden. Mit Blick auf die Rechtsprechung in Sachen Cookies sollte jedoch aufmerksam verfolgt werden, ob die Behörde ihre Sichtweise zukünftig hieran bzw. an eine ggf. erfolgenden Weiterentwicklung der Position des BGH anpasst. Zudem besteht durch das Urteil des BGH ein nicht unerhebliches Risiko, dass vermeintliche Datenschutzverstöße wegen des Setzens von Cookies basierend auf der Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 lit. f entgegen des Einwilligungserfordernisses nach § 15 Abs. 1, 3 TMG durch Verbraucherschutzverbände abgemahnt werden können.
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Die Zulässigkeit der Online-Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f, die in vielen Bereichen des Online-Marketings und der Online-Werbung insbesondere durch das Setzen von Cookies erfolgt, hängt daher im Ergebnis maßgeblich an deren Funktion bzw. Zweck. Kommt eine Rechtfertigung über Art. 6 Abs. 1 lit. f nicht in Betracht, bedarf es einer Einwilligung des Betroffenen. Hinzu treten Verarbeitungssituationen im Online-Bereich, für die die speziellen Zulässigkeitstatbestände des Art. 6 Abs. 1 lit. b–e greifen. Hieraus ergibt sich für die Zulässigkeit von Datenverarbeitungsprozessen im Zusammenhang mit Websites folgendes Grundmodell, an welchem sich in der Praxis orientiert werden kann:
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Art der Verarbeitung[346] | Unternehmen | Behörden | |
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Diensterbringung | Aufsicht: „normaler“ Besuch der Website: Art. 6 Abs. 1 lit. f: kein Einwilligungserfordernis | Art. 6 Abs. 1 lit. e | |
Login-basierte Dienste, z.B. Webshop, Streamingdienste: Art. 6 Abs. 1 lit. b: kein Einwilligungserfordernis | |||
auch der nach dem BGH anzuwendende § 15 Abs. 3 TMG sieht nach richtlinienkonformer Auslegung kein Einwilligungserfordernis vor | |||
Sensible Dienste[347] | Aufsicht: Bei Art. 9 Daten Art. 9 Abs. 1, 2 lit. a: Einwilligungserfordernis | ||
keine Stellungnahme des BGH, das TMG kennt eine Differenzierung zwischen verschiedenen Datenkategorien jedoch nicht | |||
Sicherheit der Homepage |
Aufsicht:
Art. 6 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 25, |