Black Tales of Rock. C. A. Raaven
Читать онлайн книгу.betrachtete, die ebenfalls zum Letzten gehörten, was seine Speisekammer nach dem Wochenende hergab.
***
Zehn Minuten später hatte Adam die traurigen Überreste seiner Bemühungen auf dem Esstisch zusammengetragen und mümmelte lustlos an dem Toast herum, der wenigstens mit großzügig darauf verteilter Butter halbwegs genießbar war. Das steinhart gekochte Ei half nicht, seine Stimmung zu heben und als er einen Schluck Milch nahm, musste er alles zusammen direkt wieder ausspucken.
Sie war sauer. Natürlich.
Selbst die Zeitung schien heute einen schlechten Tag zu haben. Sie wirkte pergamenten, geradezu ausgetrocknet, und die Seiten ließen sich kaum umblättern, ohne einzureißen.
Entnervt gab er auf und tappte ins Arbeitszimmer.
Wenn der Tag schon so losgeht, wie soll der dann bloß enden?, ging es ihm durch den Kopf, als er sich auf seinem Stuhl niederließ.
Adam nahm sich den Stapel Briefe vor, die alle ein ähnliches Schicksal ereilt zu haben schien, wie die Zeitung. Alle wirkten sie, als ob sie am liebsten direkt zu Staub zerfallen würden.
Alle, bis auf diesen anderen Umschlag.
Adam drehte ihn in den Händen.
Er hatte ein ungewöhnliches Format und auch das Material war ihm gänzlich unbekannt. Die Außenseite war fest wie Karton, hatte aber doch eine weiche Oberfläche, die gar nicht dazu zu passen schien. Außer seinem Namen und der Adresse waren nur noch Briefmarken darauf - eine weitere Seltsamkeit, denn wer hatte schon jemals davon gehört, dass man für einen Brief vier 90 Cent-Marken, zwei 58 Cent-Marken und je eine 45 Cent- und 1,45 Euro-Marke benötigen würde. Sechs Euro Sechsundsechzig. So weit entfernt konnte doch wohl kein Ort auf der Welt sein – vor allem, wenn man dort mit Euros bezahlte – obwohl sich Adam seit der letzten EU-Erweiterung doch nicht so sicher war.
Er suchte nach einer Möglichkeit, mit Finger oder Brieföffner hineinzufahren, aber es gab keine. Stattdessen gab es eine Lasche, an der Adam beherzt zog.
In diesem Moment gab es einen Knall in der Küche und er fuhr zusammen.
Adam stand auf und ging nachschauen.
Es war der Joghurt, den er aus dem Kühlschrank genommen hatte, damit er sich etwas aufwärmen konnte. Der gesamte Becher war explodiert und hatte seinen Inhalt auf Wänden und Boden verteilt.
Adam stöhnte und blickte zur Decke, wie, um ein höheres Wesen um Beistand zu bitten. Dann machte er sich daran, die Schweinerei zu beseitigen.
***
Wieder zurück im Arbeitszimmer, nahm er das geöffnete Kuvert in die Hand und schüttelte den Inhalt heraus.
Weiße Blätter.
Verwirrt schaute Adam zuerst auf das vollkommen leere Papier und dann noch einmal in den Umschlag hinein.
Die Innenseite war noch eigenartiger, denn sie hatte einen metallischen Glanz. Und kräuselte sich von drinnen nicht sogar etwas wie eine Rauchfahne heraus?
Quatsch. Was du schon wieder siehst. Jetzt male mal nicht den Teufel an die Wand.
Mit gerunzelter Stirn betrachtete Adam erneut den Stapel weißer Blätter, der auf seinem Schreibtisch lag. Er drehte das Kuvert in seinen Händen hin und her und versuchte, darauf irgendeinen Anhaltspunkt dafür zu erkennen, wer ihm diesen Brief geschickt haben könnte und warum.
Wie er den Umschlag so betrachtete, da hatte es den Anschein, als wäre der Inhalt luftdicht verschlossen gewesen. Das würde den Öffnungsmechanismus erklären. Und vielleicht auch den Rauch, der dann wohl eher Dampf gewesen war.
Nun nahm er noch einmal die Aufschrift genau in Augenschein. Die Buchstaben waren gleichmäßig und ohne jegliche Abweichung in der Linienführung, obwohl es sich eindeutig um eine Handschrift handelte. Niemand würde sich die Arbeit machen, derart kompliziert verschlungene Buchstaben als Zeichensatz für einen Computer zu erstellen. Von ganz nah betrachtet, sah die Schrift sogar so aus, als wäre sie nicht auf das Kuvert geschrieben, sondern hineingebrannt worden.
Na immer noch besser als mit Blut geschrieben, sagte Adam zu sich selbst und legte es lächelnd beiseite.
Er wollte auch die leeren Blätter dazulegen, hielt dann aber inne, weil ihm auffiel, dass eines der Blätter anders war, als die anderen. Adam zog es zwischen den zwei normalen Blättern hervor und stutzte, als ihm ein Gedanke aus seinen Kindertagen kam.
Konnte das sein?
Gab es so etwas überhaupt noch?
Er hob das Blatt an seine Nase und roch vorsichtig daran. Sofort breitete sich ein seliges Lächeln auf seinem Gesicht aus, als er das altbekannte Aroma wahrnahm.
Esspapier. Wie hatte er es als kleines Kind geliebt, auch wenn damals niemand seine Leidenschaft teilte.
Bevor er es sich versah, hatte er die Hälfte des Blattes in kleinen Stücken in den Mund geschoben und kaute zufrieden darauf herum. Der Geschmack war sogar noch besser als er es in Erinnerung hatte. Auch die zweite Hälfte des Blattes fand kurz darauf den Weg in seinen Magen.
Zufrieden vor sich hin pfeifend machte Adam sich einen Kaffee und begab sich damit zurück in sein Arbeitszimmer. Er hatte heute einen anstrengenden Tag vor sich, vor dem er sich eigentlich gefürchtet hatte, aber nach dem unerwarteten Frühstücksersatz fühlte er sich beschwingt und voller Tatendrang.
Tatsächlich ging ihm die Arbeit leicht von der Hand, und er konnte mehr als doppelt so viele Telefonate erledigen wie sonst. Wie immer kritzelte er dabei mit seinem Stift auf allem herum, was sich gerade in seiner Reichweite befand. Als Adam bemerkte, dass er auch auf eines der beiden Blätter aus dem geheimnisvollen Umschlag etwas gemalt hatte, bekam er zunächst einen Schreck.
Aber dann sagte er sich: Sei nicht albern. Wen soll es denn stören, dass du auf ein leeres Blatt, das dir irgend so ein Spaßvogel geschickt hat, was draufmalst?
Ein Blick auf das Papier ließ Adam schmunzeln und entgegen seiner sonstigen Angewohnheit, das Gekritzel in den Papierkorb zu werfen, hob er das Blatt auf, um es später seiner Frau zu zeigen. Sie kannte diesen niederträchtigen Hausverwalter, mit dem er gerade telefoniert hatte, und der Teufel, den er nebenbei samt einer flammenden Peitsche und Bocksbeinen gedankenverloren aufgemalt hatte, traf ihn wirklich gut.
***
Nach dem Mittagessen gönnte Adam sich einen kurzen Spaziergang an der frischen Luft, denn obwohl es erst April war, und sich das Wetter dementsprechend unbeständig und kühl zeigte, hatte er doch eine innere Hitze, die er dringend abkühlen wollte.
Da er alle anstehenden Telefonate bereits am Vormittag erledigt hatte, konnte Adam nach der Pause das Radio anschalten, um sich bei der Erledigung des Schreibkrams etwas abzulenken, denn er hasste es, in völliger Stille zu arbeiten. Dieses Mal probierte er einen neuen Sender aus, der ihm von einem Bekannten empfohlen worden war. Dieser spielte angeblich – anders als die meisten Sender – wirklich abwechslungsreiche Musik, die von Schlagern aus den 70er Jahren, über Pop bis hin zu Rock und Electro reichen sollte.
Und wirklich: Nach einem Song von Daliah Lavi, den Adam noch von seinen Eltern kannte, kam fast direkt einer seiner eigenen Lieblingssongs von Richard Marx. Entsprechend leicht ging ihm auch das Schreiben seiner Berichte von der Hand – selbst wenn er sich hin und wieder dabei ertappte, dass er in die Luft starrte und sich nicht wirklich daran erinnern konnte, was er in den letzten Minuten getan hatte. Dann jedoch kam ein Klassiker von den Stones, und Adam sang begeistert mit, während seine Hand den Stift führte.
***
Als sich der Tag langsam dem Ende zuneigte, hatte er einen riesigen Berg Arbeit erledigt und fühlte sich gut. Trotzdem machte sich wieder eine innere Hitze in ihm breit, sodass er sich sagte, dass er es für heute besser sein lassen sollte. Vielleicht hatte er sich ja auf dem Spaziergang heute Mittag eine Erkältung geholt.