Droga do serca lady Lucy. Laura Martin

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Droga do serca lady Lucy - Laura Martin


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er seine Informationen wirken lassen, und es war schließlich den beiden Männern klar: Dieser Siegfried spielte in einer anderen Liga, wenn er es denn tat. Das Bankhaus Niebel stellte er jedenfalls leicht in den Schatten.

      Günther dankte dem anderen für die ausgezeichnete Arbeit, er müsse das nun erst einmal sacken lassen. Und außerdem war es jetzt wohl angebracht, den Seniorchef zu unterrichten. Es galt, eine Strategie zu entwickeln, und das wäre Chefsache. Sein Vater würde sich sicherlich die gewonnenen Auskünfte noch einmal im einzelnen vortragen lassen, bis dahin gelte absolute Verschwiegenheit. Vor allem Hilla dürfe vorerst nichts davon erfahren.

      Hagen nickte. Mit diesen Informationen war er im inneren Zirkel des Bankhauses angekommen, das schien ihm sicher. Und doch: Beratung und Entscheidung bleiben Sache der Familie, und bis dorthin war noch ein weiter Weg. Und er war steiler und steiniger geworden, denn dieser Siggi war ihm da um Längen voraus - wenn er denn wirklich Interesse an Hilla Niebel hatte. Vielleicht muß ich völlig umdisponieren, dachte er. Schade, denn eigentlich mag ich die Hilla. Aber gegen einen Siegfried de Castro hätte er wohl keinerlei Chancen - so oder so.

      Am späten Vormittag wurde die Sprechanlage in dem alten Telefon aktiviert, das auf Hagens Schreibtisch stand. "Hagen, kommen Sie doch bitte mit Ihren Unterlagen zu mir!" Es war die Stimme des Seniorchefs.

      Die beiden Niebels hatten ebenso wie auch Hagen geräumige und entsprechend ausgestattete Büros in der Firmenzentrale im Herzen der Stadt, aber Ulrich Niebel zog es vor, wann immer es möglich war, an dem schweren, unpraktischen Schreibtisch in der Villa zu arbeiten, mit Blick in den Park hinter dem Haus, auf die Rhododendronrabatten unter dem Dach von Kastanien und zwei Linden, die bereits genauso alt waren wie das Gebäude selbst. Also hatten auch sein Sohn und der Privatsekretär, wie er Hagen stets betitelte, dort ein Arbeitszimmer und waren ebenfalls meist in der Nähe des Chefs.

      Hagen ordnete kurz seine Notizen und ging die wenigen Schritte durch die düstere Halle, klopfte und öffnete die mit irgendwelchem symbolischen Schnitzwerk gezierte Eichentür. Der Chef saß hinter seinem Schreibtisch und wies nur knapp auf den Stuhl davor, damit Hagen sich setzen konnte. Günther Niebel stand an der Fensterbank. Er hatte ins Freie geschaut, wandte sich nun aber dem Eingetretenen zu, ohne seinen Platz zu verlassen.

      "Bitte" - die Aufforderung, mit dem Bericht zu beginnen. Hagen trug noch einmal vor, was er bereits dem Junior referiert hatte, vermied allerdings peinlichst jede Wertung, beschränkte sich ganz auf die Fakten und bemühte sich um einen absolut sachlichen, emotionslosen Ton. Niemand unterbrach ihn, er sprach in die Stille hinein, blickte nur selten auf - ein Geschäftsbericht wie gewöhnlich. Dann war er am Ende, glättete die Notizblätter, ein unbewußter Reflex, denn es gab nichts zu glätten - einziges Indiz für seine innere Teilnahme an dem Vorgetragenen. Günther Niebel registrierte auch das. Es war eine seiner Stärken, die Körpersprache seines Gegenübers zu erkennen und zu deuten, aber er hütete sich, jemals solche Beobachtungen mitzuteilen.

      Ulrich Niebel saß eine Weile schweigend da, obwohl er sicher den Inhalt durch seinen Sohn längst kannte. Seinem straffen Gesicht unter dem kahlen Schädel sah man die 65 Jahre nicht an, die er nun schon hinter sich gebracht hatte. Eher verriet der etwas schwerfällige Gang, daß er das landläufige Rentenalter erreicht hatte. Aber die grauen Augen blickten scharf - immer noch ohne eine Brille - und seine Stimme war klar, klang bestimmend, ohne daß er sie heben mußte. So auch jetzt:

      "Es ist durchaus möglich, daß das Ganze nur ein vorübergehender Flirt ist, eine Semesterliebe, nach den Ferien nur noch Erinnerung. Sollte Herr de Castro jedoch ernsthafte Absichten hegen, bleiben zwei Optionen: Er meint Hilla - oder die Firma. Auf beides sollten wir uns vorbereiten, aber ansonsten plädiere ich für Abwarten.

      Keine Aktionen in dieser Sache mehr, keine Nachforschungen, die auf Dauer doch nicht verborgen bleiben. Und keinerlei Weitergabe dieser Informationen, auch nicht an Hilla. Wir wollen sie in keiner Weise beunruhigen oder beeinflussen. Ich denke, das wäre es erst einmal." Er lehnte sich zurück, ein kurzes Kopfnicken zu Hagen hinüber sollte beides ausdrücken: Entlassung und auch Anerkennung. Wer ihn kannte, wußte das zu deuten und zu schätzen.

      Hagen erhob ich, grüßte knapp und sah im Hinausgehen, daß sich auch Günther Niebel der Tür zuwandte, die die beiden Arbeitsräume der Chefs untereinander verband. Immerhin ist dieser Siggi seitdem hier jedenfalls nicht mehr aufgetaucht, schoß es ihm noch durch den Kopf, als er an der Haustür vorbei in sein Büro ging. Vielleicht war das ganze ja doch ohne große Bedeutung. Und er gestand sich ein, daß er sich eben dies wünschte.

      6. Der Vater

      Ulrich Niebel blieb regungslos an seinem Schreibtisch sitzen, nachdem die beiden jungen Männer - Hagen und Günther waren fast gleichaltrig - den Raum verlassen hatten. Er fühlte instinktiv, daß sich irgendein Unheil zusammenzog üªber dem Bankhaus und auch über der Familie - und er wußte, daß sein Instinkt ihn selten getäuscht hatte. Das war eines der Geheimnisse des Erfolges, die er und das Haus zweifellos gehabt hatten in den Jahren, die er nun schon die Bank leitete. Und es waren schließlich nicht immer leichte Jahre gewesen, weiß Gott nicht.

      Erinnerungen an manche Krise kamen plötzlich zurück. Er brauchte nur den Blick zu heben. Da war dieses Oberlicht über der Eingangstür im schönsten Jugendstil, das schon mancher Kunstliebhaber unter den Besuchern lobend erwähnt hatte. In all den so typischen floralen Elementen aber versteckte sich ein eigenartiges, hier eher unpassendes Objekt: ein angedeuteter siebenarmiger Leuchter in mattem Ocker. Damals, als er gerade zum Juniorchef aufgestiegen war, hatte er seinen Vater gehindert, das Glas entfernen zu lassen. Er konnte nicht nachvollziehen, was den alten Herrn plötzlich daran störte. Später erst wurde es ihm bewußt: Es war dieses lange Zeit uneingestandene, aber stets vorhandene Gefühl von Schuld, das Friedrich Niebel umtrieb.

      Und es war auf einmal zutage getreten, als in den siebziger Jahren diese gezielte Pressekampagne gegen das Unternehmen einsetzte und alte Wunden bloßlegte. Das Bankhaus, und mit ihm auch diese schöne alte Villa in bester Wohnlage einst und jetzt, firmierte bis 1936 als Privatbank Jakob Grünbaum und Sohn, und Friedrich Niebel war einige Jahre zuvor dort eingetreten und hatte es bis zum Leiter der Kreditabteilung gebracht. Doch die Grünbaums waren zwar Protestanten der Konfession nach, aber eben jüdischer Abstammung, und es waren schlimme Zeiten damals für Juden in Deutschland.

      Ulrich Niebel wußte nur wenig von den Vorgängen, der Vater sprach selten darüber. Jedenfalls sah sich der alte Grünbaum genötigt - von wem auch immer - die Bank zu veräußern, und Friedrich Niebel, im Besitz einer kleinen Erbschaft, übernahm das Haus. Der Preis war gering und sicher weit unter Wert, aber der Vater hat immer wieder betont, er habe mehr gezahlt als in solchen Fällen üblich, aus Achtung gegenüber seinem ehemaligen Chef, und der hätte das Haus auch lieber ihm übertragen als einem jener Aasgeier in ihren braunen Uniformen, die nur auf billige Beute warteten. So konnte der Alte auch dem Sohn - Jakob junior - nach jener verhängnisvollen Novembernacht 1938 die Ausreise aus Deutschland erkaufen. Er selbst aber blieb, und seine Spur verliert sich in irgendeinem Transport in ein Lager im Osten.

      Das alles war längst vergessen, als irgendein Journalist die Geschichte wieder ausgrub, von Arisierung schrieb, von Bereicherung an jüdischem Eigentum, ja von Enteignung zugunsten unserer Familie. Der Vater hat dazu eisern geschwiegen, und das war sicher die beste Strategie, aber es hat die Familie doch viel an Ansehen gekostet und das Bankhaus manchen solventen Kunden. So sind einige Jahre vergangen, ehe das Unternehmen wieder die früheren Umsätze erreichte.

      Für Ulrich Niebel war das alles Geschichte, geschehen vor seiner Geburt in jenen turbulenten Monaten des endgültigen Zusammenbruchs, als die siegreichen Alliierten Friedrich Niebel und seine hochschwangere Frau aus dem Haus trieben und es für einige Zeit zum Offizierskasino machten. Doch als seine ersten Erinnerungen einsetzen, lebten die Niebels längst wieder in der alten Villa, und für Ulrich war sie mit ihrem Park die Heimat seiner Kindheit. Und er ahnte lange nichts von der verborgenen Last, die sein Vater zeitlebens trug.

      "Ich bin nicht schuld," hatte er noch auf dem Sterbelager geflüstert, und der Sohn mußte eine Zeit überlegen, woran seine Gedanken hingen. "Ich bin nicht schuld. Sonst hätte es ein anderer gemacht. Wir sind in Freundschaft geschieden. Ich habe


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