Klassiker der Romantik in Poesie und Prosa: Die berühmtesten Werke von Joseph von Eichendorff. Joseph von Eichendorff

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Klassiker der Romantik in Poesie und Prosa: Die berühmtesten Werke von Joseph von Eichendorff - Joseph von Eichendorff


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zog eben an dem Gebirge hin und sandte seine Regenschauer in die Ebenen hinaus, während Fortunat, durchnäßt und lange vom Wege abgekommen, über ein weites, in Regen und Abenddunkel verhülltes Feld dahintrabte. Da hörte er unerwartet den Gesang einer schönen Männerstimme von fern herüberschallen, wovon er nur folgende Worte verstehen konnte:

      Bei dem angenehmsten Wetter

       Singen alle Vögelein,

       Klatscht der Regen auf die Blätter,

       Sing ich so für mich allein.

       Denn mein Aug kann nichts entdecken,

       Wenn der Blitz auch grausam glüht,

       Was im Wandeln könnt erschrecken

       Ein zufriedenes Gemüt.

      Er gab seinem Pferd die Sporen und erreichte in kurzer Zeit ein Häufchen Wanderer, die neben einem Paar Pferde einherschritten, auf denen zwei junge Frauenzimmer saßen. Mit freudiger Überraschung erkannte er sogleich die abenteuerlichen Gestalten der Schauspieler wieder, die an Victors Stammburg vorübergezogen waren, von denen aber jetzt die Dunkelheit nur die ungefähren Umrisse erraten ließ.

      Fortunats Gruß fand nur eine halbe Erwiderung, die Gesellschaft schien in üblem Humor zu sein, und langsam und schweigend, wie ein schwerer Traum, bewegte sich das Ganze weiter. Endlich unterbrach der Voranschreitende, welcher soeben gestolpert war, die Stille mit einem derben Fluche, prustete und glitt gleich wieder aus und kam gar nicht aus der Wut. – »Das haben wir davon«, hub die eine Dame zu Pferde zu der andern Reiterin an, »das haben wir nun von eurer schönen Natur. Brächen die Herren nicht ihren Flaschen auf das Wohlsein jeder alten Burg die Hälse, so wäre uns allen jetzt wohler und wir säßen im Trocknen, denn unser Wagen ist gewiß längst in der Stadt.« – Dabei breitete sie mühsam einen, wie es schien, nicht sonderlich konditionierten Regenschirm über sich aus. Aber der Wind verarbeitete ihn sogleich mit solcher Fertigkeit, daß ihre berittene Nachbarin laut auflachte und die Dame ihre Segel erbost wieder einziehen mußte. Fortunat, welcher hier heimlich auf ein ergötzliches Gezänk hoffte, ermahnte die Gesllschaft, den beiden Damen in diesem Kampfe mit den Elementen durch ein gemeinschaftliches, angemehmes Gespräch galant unter die Arme zu greifen. Die Männer antworteten gar nicht darauf, die Dame mit dem Regenschirme aber fragte: ob er vielleicht auch ein Künstler sei und es so gut haben wolle wie sie? »Oh«, setzte sie spitzig nach ihrer Nachbarin gewendet hinzu, »Liebhaberrollen sind hier jederzeit zu haben.« – »Bitte sehr«, erwiderte die Nachbarin mit einer wohlklingenden Stimme, »bei Ihnen ist ja diese Stelle seit geraumer Zeit vakant.« – Ein plötzlicher Blitz beleuchtete hier auf einen Augenblick ein schönes, feines, aber bleiches Gesichtchen, über welches zu beiden Seiten lange schwarze Haare triefend herabhingen. – »Mein Gott, was ist das für eine Wirtschaft um das bißchen Regen!« rief einer der jungen Männer aus, »quamquamsint sub aqua, sub aqua maledicere tentant!« – »Sparen Sie doch Ihr Latein«, sagte die Dame mit dem Schirm, »Sie memorieren wohl eben den Bettelstudenten?« Sie wollte noch mehr sprechen, aber der Literatus fiel schnell in das Lied wieder ein, das Fortunat schon vorhin von fern gehört hatte, und übersang sie lustig:

      Frei von Mammon will ich schreiten

       Auf dem Feld der Wissenschaft,

       Sinne ernst und nehm zuzeiten

       Einen Mund voll Rebensaft.

       Bin ich müde vom Studieren,

       Wann der Mond tritt sanft herfür,

       Pfleg ich dann zu musizieren

       Vor der Allerschönsten Tür.

      »Land! Land!« schrie hier plötzlich der Voranschreitende dazwischen, und man erblickte zu allgemeiner Freude von weitem Mauern und Türme, die sich wie dunkle Riesen immer deutlicher aus dem trüben Grau aufrichteten. Einzelne Lichter schimmerten schon den Reisenden trostreich entgegen, ein jeder strengte neu belebt seine letzten Kräfte an, und so waren sie bald an dem Tore eines kleinen Städtchens angelangt. – Wie Zugvögel mit begossenen, hängenden Flügeln strichen sie stumm durch die engen, finsteren Gassen, wo sich die Lichter aus den Fenstern blendend und verwirrend im Wasser spiegelten, während der Regen von den Dächern aus abenteuerlich vorgestreckten Drachenköpfen auf sie herabstürzte.

      So kamen sie endlich in den Hof eines Wirthauses. Hier war der Reisewagen der Gesellschaft, den man unterwegs umgeworfen hatte, auch soeben erst angelangt. Der Theaterprinzipal Sorti, ein kleines, fixes Männchen, rannte eifrig hin und her, vom Wagen wurden Burgen, Drachen und lange Kamelhälse eilig über den Hof getragen, die Hofhunde bellten, überall war ein Rufen, Drängen und Schimpfen in der undurchdringlichen Finsternis, die nur von einzelnen Blitzen manchmal durchkreuzt wurde. Mitten aus diesem Rumor hob der Literatus die jüngere Reiterin schnell vom Pferde und trug sie auf seinem Arme in das Haus. Das Mädchen war arg durchnäßt, mit dem dünnen, vom Regen knapp anliegenden Kleide, mit den lang herabhängenden, tröpfelnden Locken sah sie wie ein Nixchen aus, das eben den Wellen entstiegen. Sie hielt beide Hände vor das Gesicht, um sich vor dem plötzlich aus dem Hause dringenden Lichte zu schützen, aber zwischen den kleinen Fingern funkelten zwei schwarze Augen hindurch, die Fortunaten im Vorüberfluge durchdringend anblickten.

      Dieser konnte nur mit Mühe ein besonderes Stübchen gewinnen, wo er schnell seine Kleider wechselte, während draußen nach und nach ein gewaltiges Türzuwerfen, Streiten und Lachen von einzelnen Operntrillern und Laufern durchschwirrt, das ganze Haus erfüllte. Unterdes hatte auch das Wetter sich wieder verzogen, und der Mond trat klar zwischen dem zerrissenen Gewölk hervor. Er verließ daher gar bald seine enge, schwüle Kammer wieder und eilte zwischen den Reifröcken, Rüstungen, Fahnen und Miedern, die über dem Treppengeländer zum Trocknen ausgehängt waren, in den Garten hinab. Ein einsames Frauenzimmer saß dort vor der Haustür auf der Bank, an dem etwas verbrauchten Federhut, dem hohen Kragen und der ganzen Haltung erkannte er die Dame mit dem Schirme wieder. – »Ich bin mir selbst noch Genugtuung schuldig«, hub sie sogleich an, als sie Fortunaten bemerkte, »Sie werden vielleicht eine ungünstige Meinung von mir gefaßt haben; aber Sie glauben nicht, welche Verleugnung es einem zarteren Gemüt kostet, mit den rohen Scherzen dieser Menschen, wenn auch nur zum Schein, gleichen Schritt zu halten.« – »In der Tat«, erwiderte Fortunat, »der Lateiner schritt wacker und lustig aus.« – »Lustig?« sagte die Dame, »Sie kennen diesen Wilden noch nicht, er hat keine Ahnung von jener geistigen Seelenlust, die schon diesseits die Gipfel der Menschheit erklimmt -« «Und jenseits rücklings wieder herunterschurrt«, fiel hier der feindliche Literatus ein, der eben mit einer Gitarre aus dem Hause tretend, das letzte Kapitel von der Lust mit angehört hatte und, einzelne Akkorde anschlagend, sich nun weiterhin auf dem Platze im Dunkel verlor. Fortunat lachte, denn ein leiser Zornesblitz zuckte plötzlich über das Gesicht der Dame und brachte die ganze Muskeldekoration in eine augenblickliche, widerliche Unordnung, zumal da gleich darauf auch die andere hübsche Reiterin aus der Tür guckte, ihr Näschen rümpfte, da sie die beiden beisammen erblickte, und dann gleichfalls in den Garten an ihnen vorüberschlenderte. – »Die arme Kleine! Sie hat keinen ganzen Strumpf«, bemerkte die Dame hämisch. Und in der Tat, auch der Mond hatte das schon bemerkt, und beleuchtete wohlgefällig ein Streifchen des zierlichsten Beinchens, das blendend über dem Schuhe hervorblickte, während die hochgeschürzte Kleine unbefangen unter den Linden bemüht schien, Blüten von den herabhängenden Zweigen zu streifen.

      Unterdes ging ein frisches Wehen durch die Wipfel, die letzte Wolkendecke zerriß und die alte Stadtmauer und die Waldberge darüber standen plötzlich wunderbar beglänzt. Die Dame hatte sich erhoben und unter der Linde vor der Bank eine malerische, melancholisch-heroische Stellung genommen. Das Haupt in die rechte Hand an den Baum gestützt, sah sie eine Zeitlang, wie in Gedanken verloren, nach den Höhen – »Tiedge!« – sagte sie endlich bedeutungsvoll, und drückte Fortunaten leise die Hand. – Fortunat, den die ganze wunderliche Wirtschaft dieses Polterabends schon lange innerlichst aufgeregt hatte, sprang rasch auf. »O Gott, wahrhaftig!« rief er, ihre Hand festhaltend, aus, »da schwebt er dahin als ein Veilchenduft, die Sterne scheinen ihm durch den Leib – o hören Sie nichts? – nun lispelt er mit jemand, wie gedämpfte Musik der Sphären, es ist Lafontaine, mit dem er kost, er hat einen perlendurchwirkten Schlafrock an, aber die Perlen alle sind Tränen – sie wandeln miteinander auf der Milchstraße – aber was ist das!« – »Wo!« sagte


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