Klassiker der Romantik in Poesie und Prosa: Die berühmtesten Werke von Joseph von Eichendorff. Joseph von Eichendorff

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Klassiker der Romantik in Poesie und Prosa: Die berühmtesten Werke von Joseph von Eichendorff - Joseph von Eichendorff


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– Lothario aber hatte unterdes schon die morsche Tür eingerannt und über die umgeworfenen Stühle, womit sie verrammelt war, das Zimmer erreicht.

      Als die übrigen eintraten, fanden sie beide in einem leisen, heftigen Gespräch, das Laub vor dem Hause verbreitete eine wunderbare, grüne Dämmerung über die kleine Stube, durchs offene Fenster hörte man den mehrstimmigen Gesang der zurückgebliebenen Schauspieler von unten heraufschallen:

      Wir wandern wohl heut noch weit.

       Wie das Waldhorn schallt!

       O grüner Wald,

       O lustige, lustige Sommerzeit!

      Dryander war auf einmal wie verwandelt. »Das ist noch das alte Lied«, sagte er und schob ein paar Bücher in seine Rocktasche, »das hab' ich euch damals komponiert, um eure Affekte von den Wirtshäusern auf die schöne, erhabene Natur zu lenken. Seid ihr noch immer so durstig? Und lebt Kordelchen noch, den Kennern zur Freude und den Frauen zum Trotz?«

      »O lustige, lustige Sommerzeit!«

      Klang es wieder herauf. Da hatte der Doktor hastig wieder ein paar Bücher eingesteckt, nahm die Geige unter den Arm und setzte seinen Hut auf. Lothario stopfte ihm schnell noch ein Bündel Wäsche nach, die andern drängten ihn schon zur Tür hinaus, und so stiegen sie eilig mit dem Doktor die Höhe hinab.

      Unten auf der Waldwiese fanden sie alles soeben schon im Begriff, wieder aufzubrechen. Ein allgemeiner Jubel begrüßte die Ankommenden, und alle umringten den wiedergefundenen Doktor, der früher einmal als Musikdirektor die Gesellschaft eine Zeitlang begleitet hatte. Dieser embrasssierte die alten Kameraden nach der Reihe durch, küßte dann der Dame Kamilla, die eben nicht sehr erfreut schien, ihn wiederzusehen, zierlich die Hand und half ihr, da Herr Sorti ängstlich zur Fortsetzung der Reise trieb, mit ausnehmendem Anstande auf den Rüstwagen.

      Unter diesem Bewillkommnungsgetümmel bewegte sich endlich der Zug langsam weiter. Dryander aber mit seinen dick angeschwollenen Rocktaschen setzte sich an die Spitze desselben, ergriff seine Geige und spielte und sang, daß es weit durch den Wald erschallte:

      Mich brennt's an meinen Reiseschuhn,

       Fort mit der Zeit zu schreiten

       Was wollen wir agieren nun

       Vor so viel klugen Leuten?

       Es hebt das Dach sich von dem Haus,

       Und die Kulissen rühren

       Und streckten sich zum Himmel 'raus,

       Strom, Wälder musizieren!

       Und aus den Wolken langt es sacht,

       Stellt alles durcheinander,

       Wie sich's kein Autor hat gedacht:

       Volk, Fürsten und Dryander.

       Da gehn die einen müde fort,

       Die andern nahn behende,

       Das alte Stück, man spielt's so fort

       Und kriegt es nie zu Ende.

       Und keiner kennt den letzten Akt

       Von allen, die da spielen,

       Nur der da droben schlägt den Takt,

       Weiß, wo das hin will zielen.

      Die Sonne stand schon tief und warf ihre letzten Strahlen zwischen den Baumstämmen schimmernd über die Wanderer, als diese durch die zierlichen Jägerhäuser und die im Walde sich kreuzenden Alleen daran erinnert wurden, daß sie dem Ziel ihrer Reise nicht mehr fern sein konnten. Von weitem vernahm man nun auch Waldhornsignale, einzelne Schüsse und Rufen dazwischen, wie das letzte Verhallen einer großen, weitverbreiteten Jagd. Die Gesellschaft wurde nun nach und nach stiller, jeder rückte sorgsam seine Kleidung zurecht und blickte erwartungsvoll vor sich in die Ferne hinaus. Fortunat aber fühlte sich unbehaglich überrascht, da nun das bisherige fröhliche Reiseleben plötzlich zum förmlichen Metier werden sollte.

      Jetzt senkte sich der Weg allmählich ins Tal hinab, da sahen sie eine luftige Säulenhalle, rote Ziegeldächer und stille Wasserspiegel wechselnd aus der Tiefe aufblicken, immer geheimnisvoller, je weiter sie kamen, schimmerte es bald da, bald dort zwischen dem Grün herauf, durch die Wipfel aber leuchtete ein Gewitter, das sie im Walde nicht bemerkt hatten. Auf einmal schrien die Frauenzimmer kreischend auf, denn grade über ihnen, wie aus den Lüften, ließen sich plötzlich fremde Stimmen vernehmen und auf der in viele Klüfte zerspaltenen, fast unzugänglichen Felsenwand erblickte man zwei Schützen, die sich offenbar dort zwischen den Steinen verstiegen hatten. Der eine, ein kleiner, dicker runder Mann, der immer da, wo man ihn am wenigsten vermutete, wie ein Kürbis vom Felsen hing, trat beständig zu kurz, während sein überlanger, hagerer Begleiter jederzeit über sein Ziel hinausschritt. Dieser gab sich zum Ärger des andern, das Ansehn, ihm beizustehn, obgleich er selbst jeden Augenblick das Gleichgewicht verlor und so den Dicken erst recht mit ins Unglück brachte. Endlich konnten beide weder vor noch zurück mehr und begannen, aus Leibeskräften um Hülfe zu schreien. Da erschallte vom höchsten Gipfel ein mutwilliges Lachen. Die Abendsonne warf unter der schwarzen Gewitterwolke einen dunkelroten Glanz über die ganze Gegend, und in der scharfen Beleuchtung erschien droben plötzlich eine schöne, hohe Mädchengestalt zu Pferde, ein grünsamtenes Jagdkleid umschloß die schlanken Glieder, lange, weiße Federn wogten vom Barett über ihre Schultern hinab. Während ihr Pferd ungeduldig den Boden scharrte, betrachtete sie mit großen dunklen Augen die Erstaunten, die unwillkürlich die Unbekannte ehrfurchtsvoll begrüßten. Sie nickte mit dem schwarzgelockten Köpfchen kaum einen flüchtigen Dank, wandte sich dann rasch und war bald in den Abendgluten wieder verschwunden.

      »Herrlich!« riefen mehrere von der Gesellschaft aus. – »Bei Gott«, sagte Lothario, die Reiterin mit durchdringenden Blicken verfolgend, »die haben gewiß heut wieder einmal ihren romantischen Tag!« – Unterdes waren die andern schon mit langen Stangen, Stricken und Leitern herbeigeeilt, und es gelang ihnen endlich, unter größerem Lärm, als eben nötig war, die beiden Verirrten Schützen glücklich auf die Ebene zu bringen. Diese waren indes übel zugerichtet, der eine hatte den Hut, der andere den Rockschoß droben gelassen, am abenteuerlichsten sah der Lange aus mit knappen, grauen Kamaschen und modernem Jagdkleid, halb Überrock halb Frack, fast lauter Tasche. Kaum aber sahen sie sich unten in Sicherheit, als sie, Gefahr und Dank vergessend, sogleich mit spitzigen Worten aufeinander losgingen. Jeder schob dem andern die Schuld zu, es schien, als habe die schöne Jägerin, der sie in verliebter Galanterie nachgesetzt, sie absichtlich in dieses Klippenlabyrinth verlockt. – So schritten beide, ohne sich um die Schauspieler weiter zu bekümmern, eilend dem Schlosse zu, und man hörte sie noch weit durch die Dämmerung zanken.

      Jetzt aber fegte der Sturm alles zusammen, von allen Seiten sah man einzelne Jäger an den einsamen Waldesabhängen hernierdersteigen. Da begann es auch im Schlosse sich wundersam zu rühren, Türen wurden geöffnet und geschlossen, Bediente in bunten, reichen Livereien liefen die Marmortreppen auf und ab, die hellerleuchteten Fenster, hinter denen sich in prächtigen Gemächern einzelne Frauengestalten bewegten, warfen einen magischen Schein weit über den dunklen Garten. Dann wurde auf einmal alles still in der ganzen Runde, die Nacht und das Gewitter zog immer tiefer herein, Fortunat, der keine Lust hatte, wieder naß zu werden, war bereits allein nach der Dorfschenke geritten, die Schauspieler schimpften, sie hatten zu ihrem Empfange sich Triumphbogen geträumt, einholende Kammerjunker und den Fürsten von hohem Balkon ihnen entgegenwinkend. – Endlich sahen sie vom Schlosse her sich Fackeln durch den Waldgrund bewegen und erkannten bei den wirren Scheinen mit klopfenden Herzen die bunten Livereien der fürstlichen Bedienten. » Heda, ihr Herren Komödianten!« rief der eine, »wo Teufel steckt ihr denn?« – »Nun Gott behüt' uns!« – sagte ein anderer im Kreise umher leuchtend – »das hängt ja wie Meltau an allen Sträuchern, als hätt' es Plunder geregnet!« – Kamilla, höchst entrüstet, rauschte mit ihrem vornehmsten Anstande daher und ließ einiges von impertinenten Domestiken fallen. Da war aber nicht lange Zeit zum Ärgern und Händemachen. Denn der Gewitterwind wühlte schon in den Flammen der Fackeln und in den Tüchern der Damen, die Bedienten trieben zur Eile, Mäntel und Regenschirme flogen verworren durcheinander, und so wälzte sich alles in unordentlicher Flucht dem Schlosse zu.

      Nur Lothario war zurückgeblieben, denn


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