Evangelisch für Dummies. Marco Kranjc
Читать онлайн книгу.ihren Lügen von 1543. Und auch die letzte Predigt seines Lebens hielt er am 14. Februar 1546 gegen die Juden.
Wie bei so manchen anderen politischen Themen (Bauern, Türken, Täufer) kannte Luther keine Toleranz. Man hat den Eindruck, dass er in seinem Denken an diesem Punkt noch ganz ein Kind seiner Zeit war. Gut aber, dass weder alle Reformatoren noch alle protestantischen Fürsten Luther auf diesem Weg folgten.
Die Reformation am Abgrund
Nach dem Reichstag in Augsburg (1530) wurde der Graben zwischen Katholiken und Protestanten breiter. Nun lag Krieg in der Luft.
Der Schmalkaldische Bund
Unter Führung des sächsischen Kurfürsten Johann (1468–1532, genannt »der Beständige«) und des Landgrafen Philipp I. von Hessen (1504–1567) wurde 1531 in der thüringischen Stadt Schmalkalden der »Schmalkaldische Bund« gegründet, ein Verteidigungspakt verschiedener protestantischer Fürsten und Städte im Falle eines Angriffs der katholischen Truppen Karl V. In dieser Zeit half es den protestantischen Ländern und Städten sehr, dass die Türken wieder auf dem Vormarsch waren. Kaiser Karl musste seine Kräfte anderswo einsetzen und brauchte zudem die Unterstützung der protestantischen Fürsten und Städte.
Bis ins Jahr 1547 gab es nun ein ständiges politisches Kräftemessen zwischen katholischen und protestantischen Ländern und Städten. Ständig schlossen sich weitere Städte und Fürsten der Reformation an, was den Kaiser extrem provozierte. Aber es wurde auch theologisch »gekämpft«, in den sogenannten Religionsgesprächen von Hagenau, Worms und Regensburg. An den damaligen Schriften sieht man, dass die protestantischen Gelehrten durchaus noch Spielraum zur Einigung mit der katholischen Kirche sahen. Das, was ursprünglich Luthers Ziel gewesen war – die Kirche lediglich zu erneuern –, schien manchen Protestanten immer noch erstrebenswert und machbar. Die Einheit der Kirche war für viele Theologen immer noch ein Gut, das man bewahren sollte. Aber einigen konnte man sich nicht, die Fronten waren schon zu sehr verhärtet.
Der Schmalkaldische Krieg und seine Folgen
Martin Luther starb am 18. Februar 1546. Im Jahr zuvor hatte in der italienischen Stadt Trient ein Konzil begonnen, das bis 1563 dauerte. Die katholische Kirche nahm nun Reformen vor, schärfte eigene theologische Positionen und gewann eine neue innere Kraft, die in den folgenden Jahrzehnten eine Bewegung auslöste, die wir heute als »Gegenreformation« bezeichnen (mehr dazu in Kapitel 5).
Fürs Erste aber hatte Kaiser Karl V. nun Kraft und Mittel, um militärisch gegen die protestantischen Länder vorzugehen. Dass es da nicht jedem nur um den Glauben ging, sieht man daran, dass es Kaiser Karl gelang, auch einige protestantische Fürsten auf seine Seite zu ziehen. In den Jahren 1546 und 1547 besiegte der Kaiser die Truppen des Schmalkaldischen Bundes mehrfach, der Krieg war für die Protestanten verloren.
Doch rückgängig zu machen war die protestantische Bewegung trotz allem nicht mehr. Denn mittlerweile hatte sich das Denken der Menschen verändert: Die mittelalterliche Idee der Einheit von Kirche und Reich war zerbrochen.
Auf dem Reichstag in Augsburg in den Jahren 1547 und 1548 hatte Kaiser Karl zwei Ziele: Als Verteidiger der katholischen Kirche wollte er die Einheit der Kirche wiederherstellen. Außerdem aber wollte er die Macht der durch die Reformation vom Kaiser unabhängiger gewordenen Fürsten wieder zurückdrängen. Nun aber wurde Kaiser Karl vom Papst im Stich gelassen. Papst Paul III. misstraute dem neu gestärkten Kaiser, zog seine Truppen aus Deutschland ab und näherte sich wieder Karls Erzfeinden an, den Franzosen.
Karl konnte die protestantischen Fürsten zur Annahme des »Augsburger Interims« zwingen. »Interim« bedeutet »Zwischenzeit« und sollte die Zeit regeln, bis ein Konzil über die Art und Weise der Wiedereingliederung der Protestanten entschieden hatte. Kaiser Karl konnte sich nun der Illusion hingeben, das Religionsproblem gelöst zu haben. Allerdings wurde schnell deutlich, dass das Interim nur dort durchgesetzt werden konnte, wo auch kaiserliche Truppen anwesend waren, um die Menschen dazu zu zwingen. Die wiederhergestellte Einheit der Kirche war nur ein kurzer Traum, dem der Kaiser sich hingab.
Der Augsburger Religionsfriede
Es zeigte sich, dass auch Krieg, Leid, Unterdrückung und alles Versagen der protestantischen Fürsten den evangelischen Glauben nicht mehr ausrotten konnten. Dort, wo des Kaisers Hand nicht hinlangen konnte, beachtete man das Interim kaum, da, wo es mit Härte durchgesetzt wurde, flüchteten die Menschen lieber. Im ganzen Reich fanden sich evangelische Christen, für die es nicht wichtig war, was Kaiser und Fürsten verhandelten und bestimmten, sondern die ihrem Gewissen folgten.
Die politische Wende folgte erst, als sich die protestantischen Fürsten hinter einem Mann sammelten, der ein besonders schlechtes Gewissen hatte. Der protestantische Herzog Moritz von Sachsen hatte sich im Schmalkaldischen Krieg auf die Seite Kaiser Karls geschlagen. Nun sammelte er die protestantischen Fürsten hinter sich. Während der Kaiser noch mit sich zufrieden war und alles nach Plan zu laufen schien, bereiteten sich Moritz und seine Verbündeten auf den Widerstand vor.
Während Kaiser Karl sich 1552 in Innsbruck aufhielt, drang plötzlich ein Heer von 35.000 Franzosen ins Elsass ein. Gleichzeitig machten sich die protestantischen Truppen nach Süddeutschland auf den Weg, drangen bis Österreich und schließlich bis nach Tirol vor – während der Kaiser nichts unternahm. Wohl nach dem Motto »Weil nicht sein kann, was nicht sein darf« floh er erst im letzten Augenblick von Innsbruck ins kärntnerische Villach – nun ein gedemütigter Mann. Hätte Herzog Moritz darauf gedrängt, hätte er Kaiser Karl wohl auch gefangen nehmen können. Aber Moritz fand ein paar Ausreden, warum das nicht geklappt hatte. Und mit gutem Grund: Wenn man den Kaiser gefangen nimmt – mit wem soll man dann nachher Frieden schließen?
Die erste Verhandlung mit dem Kaiser in Passau 1552 brachte den Protestanten nicht viel. Entscheidend wurden die Verhandlungen in Augsburg 1555 (ohne Herzog Moritz, der zwei Jahre zuvor in einer Schlacht gefallen war).
Der Reichstag in Augsburg im Jahre 1555 fand also nicht nur ohne Herzog Moritz, sondern auch ohne Kaiser Karl statt. Der hatte seinem Bruder Ferdinand alle Vollmachten übertragen. Karl war nach 36 Jahren Regierung müde, er zog sich langsam aus Deutschland und aus der gesamten Politik zurück.
Der »Augsburger Religionsfriede« wurde ein Kompromiss zwischen den beiden Konfessionen. Die protestantischen Vertreter wollten zunächst durchsetzen, dass jeder Untertan nach seinem Gewissen entscheiden dürfe, woran er glauben wollte. Die katholische Seite war absolut dagegen. Sie wusste, dass es überall im Reich offene und versteckte Protestanten gab. Die katholische Kirche hätte sich bei solch einer Maßnahme vielleicht bis auf Weiteres selbst aufgelöst. Nach monatelangen Verhandlungen blieb man bei dem Prinzip »cuius regio, eius religio – wessen Land, dessen Religion«, das heißt, dass der Glaube des Fürsten darüber entschied, was seine Untertanen glauben sollten oder mussten. Nur in den Reichsstädten sollte es erlaubt sein, dass Katholiken und Protestanten gemeinsam lebten. Das war ein kleiner Anflug von dem, was wir heute unter Religionsfreiheit verstehen.
Auch wenn der Augsburger Religionsfriede noch viele Probleme offenließ, kann man ihn als Schlusspunkt der Reformation sehen. Es folgte eine Zeit der Festigung der evangelischen Kirchen und gleichzeitig die katholische Gegenreformation bis hin zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges 1618. Mit der Abdankung Kaiser Karls V. im Oktober 1555 ging diese Epoche dann zu Ende. Die Zeit des einen Glaubens und der einen Kirche war vorbei.
Beendet wurde die Zeit vom Gewissen eines Einzelnen, der viele Menschen zum Nachdenken und zur Entscheidung bewegte. Die Antworten der katholischen Kirche hatten den Menschen einfach nicht mehr genügt.
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Katharina