Das E-Commerce Buch. Alexander Graf
Читать онлайн книгу.noch genug Raum für Wachstumsfantasien.
Ausblick der Marktteilnehmer 2007
Online-Marktplätze wachsen weiter: Amazon und Ebay setzen ihr Wachstum fort und 2003 ist Amazon das erste Mal profitabel, allerdings mit geringen Gewinnen. Es setzen sich nationale Marktführer durch, dies sind Amazon und Ebay in Nordamerika und Westeuropa, Alibaba in Asien, Rakuten in Japan und Ozon in Russland. Innovative neue Marktplatzkonzepte wie Etsy ziehen riesige Mengen an Venture Capital an.
Online-Händler wachsen mit dem E-Commerce-Umsatz und verbuchen steten Kundenzuwachs. Die Hochphase der Online-Händler zieht ebenso weltweit Investoren an, die in Online-Konzepte wie Wayfair in den USA und Zalando in Deutschland Millionen investieren. Dabei machen vor allem Shopping-Clubs von sich reden wie Gilt, das 2007 gegründet wird, und Vente-Privée, das im selben Jahr eine große Spätrundenfinanzierung einsammelt.
Die Euphorie der Intermediäre hat nachgelassen und Preisvergleichsseiten verzeichnen Verluste: Dooyoo (Deutschland) muss beispielsweise seine Mitarbeiterzahl drastisch von 170 auf 24 Beschäftigte herunterfahren.27 Shopping.com (USA) büßt ebenfalls stark an Wachstum ein.28 Grund: Champions wie Google (mit Google Shopping und Universal Search) und einzelne Reise- und Finanzportale gewinnen das Rennen um Marktanteile.
Das Kataloggeschäft blickt ebenfalls weniger positiv auf die Entwicklungen – man verliert immer mehr Marktanteile an Amazon und andere. Zwar wächst das Online-Geschäft der Versandhäuser noch, doch im Marktvergleich müssen vor allem JC Penney (USA), Quelle und Neckermann (Deutschland) deutliche Einbußen hinnehmen.
Der stationäre Handel schaut etwas positiver in die Zukunft, hat er doch aus der Kampfansage der Online-Händler gelernt und will nun im E-Commerce mitmachen. Budgets werden verlagert und die Filialgeschäfte wagen mehr und mehr den Schritt in die Online-Richtung. „So kann der Kunde bei uns jetzt das Beste aus beiden Welten erhalten“, argumentieren die Einzelhändler. Doch trotz der Euphorie ist in der Realität nicht alles so leicht umzusetzen wie erhofft. So schließt Media Markt beispielsweise Ende 2007 seinen Webshop Mediaonline. de,29 um sich online neu auszurichten. Der im Oktober 2007 angekündigte Shop über mediamarkt.de lässt allerdings bis 2012 auf sich warten.30
Hersteller sehen die Entwicklungen weiterhin eher kritisch. Zwar wird der Online-Vertrieb langsam kontrollierbarer durch bessere Vernetzung mit den Online-Händlern und dem Ausbau von Markenshops in Marktplätzen, doch stehen Marken noch immer ganz am Anfang. Nicht zuletzt um bestehende Handelsbeziehungen mit dem Fachhandel zu schützen, schrecken noch viele Marken vor dem Direktvertrieb und umfassender Distribution über Online-Marktplätze zurück. Es entstehen jedoch erste markeneigene Shops wie hugoboss.com.
2012: Die Multichannel-Blase
Missverständnis Beratung
„I believe the death of the retail store has also been greatly exaggerated. The influence of the internet and online sales will continue to increase, but […] multichannel retail platforms will be the primary beneficiary of this trend.“
Bill Bishop, Brick Meets Click 31
Ein weiterer Wachstumsschub katapultiert den E-Commerce-Umsatz 2012 in den USA auf 227 Milliarden US-Dollar und in Deutschland auf 39 Milliarden Euro. Es entstehen mehr und mehr innovative Konzepte wie der Handmade-Marketplace Etsy und stark gehypte Modelle wie die Daily-Deal-Konzepte Groupon (Local Coupons) und Fab.com (Home and Living Merchandise). So wurde Groupon 2010, nur zwei Jahre nach seiner Gründung, von Forbes als „fastest growing company ever“32 gefeiert. Noch im selben Jahr lehnte Groupon Akquisitionsangebote von Yahoo (3 bis 4 Milliarden US-Dollar) und Google (5,75 Milliarden US-Dollar) ab. Nur ein Jahr später betitelte man Groupon dann als „the world’s most controversial company“, nicht zuletzt wegen seines umstrittenen Börsengangs im November 2011.33 Lokale Dienstleister, Restaurants und andere Groupon Partner bemerkten, dass das Überangebot von Coupons zu einem drastischen Preisverfall führte. Statt neue Kunden über einmalige Rabattaktionen zu gewinnen, stellte sich heraus, dass kaum Kunden bereit waren, später zum vollen Preis zu konsumieren.
Eine spannende Entwicklung zeichnet sich vor allem im deutschen E-Commerce ab. Bis etwa 2010 besteht das E-Commerce-Wachstum in Deutschland hauptsächlich aus dem Rückgang von Katalogumsätzen, also der Migration der Katalogkunden in den Online-Handel (vgl. Abbildung 1.3). Der stationäre Handel entwickelt sich also bis 2010 vom E-Commerce weitestgehend unberührt. Das Umsatzwachstum des Einzelhandels insgesamt ist inflationsbereinigt bei fast null. Erst seit 2011 legt das E-Commerce-Wachstum vom Katalogversand losgelöst zu und steigt mit erhöhter Wachstumskurve an. Ohne erkennbares Gesamtwachstum der Einzelhandelsumsätze verliert der stationäre Handel monatlich zwischen 500 Millionen und 1 Milliarde Euro an die Online-Kanäle, Tendenz steigend. Der schon vor 2010 geschwächte stationäre Handel verliert also mehr denn je an die wachsenden E-Commerce-Gewinner.
Derweilen hat Amazon den Wettbewerb eindeutig abgehängt und dominiert den Online-Handel in den USA und in Westeuropa. Weiterhin gewinnt Amazon viele Umsätze durch seine aggressive Preisführerstrategie. Die Entwicklung von Pricing Robots lässt Amazon alle Preise seiner Wettbewerber überwachen und mithilfe von Algorithmen ideal und in Echtzeit anpassen. So liefern sich 2009 Amazon und seine Rivalen Walmart und Target einen umstrittenen Preiskampf. Beispiel Bücher: Bei Bestsellern unterbieten sich alle drei Retailer Kopf an Kopf, sodass die regulär zwischen 25 und 35 Dollar kostenden Bücher jeweils für unter 9 Dollar angeboten werden; die American Bookseller Association fordert daher die US-amerikanische Justizbehörde auf, dieses „Predatory Pricing“ eingehend zu prüfen.34
Abbildung 1.3: Umsatzentwicklung Distanzhandel
Quelle: eigene Erstellung auf Basis von Excitingcommerce.de, Statistisches Bundesamt, BVH, eigene Prognosen (lineare Fortschreibung)
Im deutschen Modebereich intensiviert sich der Preiskampf durch den relativ neuen Marktteilnehmer Zalando, der ähnlich wie Amazon Preisvorteile durch Skaleneffekte erzielen will. Insgesamt scheint Amazon aber nicht mehr aufzuholen zu sein: 2012 setzt sich die dominante Marktstellung durch und die Zappos-Akquisition stärkt Amazon weiter in seiner Monopolstellung. In den USA (siehe Abbildung 1.4) wie in Europa hat sich der Wachstumskreislauf (seit 2007) stetig „weitergedreht“. Die Verkaufszahlen von Amazon heben ab 2009 nochmal richtig ab und lassen den Wettbewerb erblassen. Und das spüren nicht nur direkt konkurrierende