Abende auf dem Gut Dikanka. Nikolai Gogol

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Abende auf dem Gut Dikanka - Nikolai Gogol


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er alle andern Burschen in die Tasche stecken. Aber der arme Petrusj besaß alles in allem nur einen einzigen grauen Kittel, der mehr Löcher hatte, als mancher Jude Dukaten in der Tasche. Doch das wäre noch nicht schlimm gewesen, was schlimm war, war vielmehr dies: der alte Korsch hatte ein Töchterchen, eine Schönheit, wie ihr sie wohl kaum je gesehen habt. Die Tante des seligen Großvaters pflegte zu erzählen, — und ihr wißt ja, ein Weib wird, mit Verlaub zu sagen, eher den Teufel küssen, als eine andere schön nennen, — daß die runden Bäckchen des Kosakenmädchens so frisch und glänzend waren wie die allerzarteste rote Mohnblume, die sich in Gottes Tau gebadet hat und nun aufleuchtet, ihre Blättchen ausbreitet und sich vor der aufgehenden Sonne putzt. Wie schwarze Schnürchen, die die Mädchen heutzutage bei den Hausierern in den Dörfern für ihre Kreuze und Schmuckdukaten kaufen, so zart schwangen sich die Brauen über ihren Augen, als spiegelten sie sich in ihrem klaren Kristall. Ihr Mündchen, nach dem der ganzen jungen Welt von damals der Mund wässerte, schien wie geschaffen für die Gesänge einer Nachtigall. Ihr Haar, schwarz wie Rabenfittiche und weich wie junger Flachs (denn damals flochten es die jungen Mädchen noch nicht zu kleinen Zöpfchen, durch die sie sich jetzt hübsche bunte Bänderchen ziehen) fiel in vollen Locken auf den goldbestickten Überwurf herab. Ei, da soll mich doch Gott von der Kanzel nie wieder das Hallelujah singen lassen, wenn ich sie nicht auf der Stelle abküssen möchte, und wenn auch der alte Wald auf meinem Schädel schon so ziemlich grau ist, und meine Alte sich mir an die Seite heftet, wie ein Star ins Auge. Na, wenn ein Bursch und ein Mädel nah beieinander wohnen ... ja, da wißt ihr schon, was draus wird. Man konnte stets in aller Herrgottsfrühe den Abdruck der Stiefeleisen auf der Stelle sehen, wo Pidorka mit ihrem Petrusj gestanden hatte. Korsch hätte immer noch nichts Schlimmes geahnt, aber einst, — und das kam durch nichts anderes als durch die List eines Teufels — da fiel es Petrusj ein, ohne sich genauer im Flur umzusehen, sozusagen von ganzer Seele einen Kuss auf die rosigen Lippen des Kosakenmädchens zu pressen. Und dieser selbe Teufel, — mag doch der Hundesohn vom heiligen Kreuz träumen! — ritt den alten Knasterbart, daß er gerade zu dieser Zeit die Tür öffnete. Korsch stand da wie ein Holzklotz, sperrte den Mund auf und mußte sich an die Tür lehnen. Der verdammte Kuss schien ihn vollkommen betäubt zu haben. Er kam ihm lauter vor als der Schlag eines Mörserstößels auf ein Brett, mit dem zu unserer Zeit die Bauern in Ermangelung von Pulver und Flinte den Festschmaus zu Ehren Johannes des Täufers begleiten. Als er wieder zu sich gekommen war, nahm er seine Nagaika aus Urväter Zeiten von der Wand und wollte sie schon auf den Rücken des armen Peter niedersausen lassen, da erschien auf einmal Pidorkas sechsjähriges Brüderchen Iwasj, kam erschreckt herbeigelaufen, umschlang seine Beine mit den Händchen und schrie: »Vater, Vater, schlag den Petrusj nicht!« Was war da zu machen? Ein Vaterherz ist nicht von Stein: er hing die Nagaika an die Wand und führte ihn leise aus dem Zimmer hinaus. »Wenn du dich jemals wieder hier im Hause sehen läßt oder auch nur am Fenster, so höre, Petrusj: Bei Gott, dein schwarzer Schnurrbart ist dahin und auch deine Kosakenlocke, die du dir doppelt ums Ohr wickelst, — ich will nicht Terenti Korsch sein, wenn sie nicht von deinem Schädel Abschied nimmt!« Bei diesen Worten versetzte er ihm einen leichten Stoß in den Nacken, so daß Petrusj Hals über Kopf hinausflog. So weit hatten sie es mit dem Küssen gebracht. Ein schwerer Kummer überfiel unser Täubchen; dazu ging noch im Dorfe das Gerücht um, zu Korsch ins Haus käme ein goldbeladener Pole mit Schnurrbart, Säbel und Sporen, dessen Taschen so klirrten wie der Klingelbeutel, den unser Messner Taras täglich in der Kirche umgehen läßt. Nun man weiß ja, wozu man einen Vater besucht, der eine schwarzäugige Tochter hat. Einmal schlang Pidorka die Arme um ihren Bruder Iwasj: »Iwasj, mein Liebling, bester Iwasj! Lauf zu Petrusj, mein goldenes Kind, rasch wie ein Pfeil vom Bogen schnellt, und erzähl ihm alles: ich möchte seine grauen Augen liebkosen und sein weißes Antlitz küssen, aber das Schicksal will es nicht. Manches Tuch habe ich mit meinen heißen Tränen benetzt, mir ist so bang und so schwer ums Herz. Mein eigner Vater ist mir feind und zwingt mich, dem ungeliebten Polen in die Ehe zu folgen. Sag ihm, man bereite schon die Hochzeit vor, doch es soll keine Musik auf unserer Hochzeit geben, und nur die Küster werden plärren, statt daß Zither und Schalmei erklingen. Und nicht werde ich mit meinem Gemahl zum Tanze gehen, sondern hinaustragen wird man mich aus dem Hause. Dunkel und düster wird mein enges Haus sein — aus Ahornbrettern wird es gezimmert sein, und statt eines Schlotes wird ein Kreuz auf dem Dache stehn!«

      Wie versteinert und ohne sich von der Stelle rühren zu können, hörte Petrusj das unschuldige Kind Pidorkas Worte nachlallen. »Dacht’ ich Unglücklicher nicht schon daran, in die Krim oder ins Türkenland zu ziehen, mir Gold zu erbeuten und mit vielen Gütern beladen zu dir zurückzukehren, du meine Schönste? Doch es sollte nicht sein. Ein böser Blick hat uns getroffen. Wohl werden wir Hochzeit feiern, mein teures Fischlein du, aber kein Küster wird auf unserer Hochzeit singen — statt eines Popen krächzt mir zu Häupten ein schwarzer Rabe, das weite Feld wird mein Haus und die graue Wolke mein Dach sein; meine grauen Augen hackt der Adler aus; der Regen wird mir die Kosakenknochen bleich waschen, und der Sturmwind wird sie austrocknen. Doch was tu ich? Wem klag’ ich was vor? Gott hat’s wohl so angeordnet! Verloren ist verloren!« — Und stracks zog er in die Schenke.

      Die Tante meines seligen Großvaters war nicht wenig erstaunt, als sie Petrusj in der Schenke sah, und dazu noch zu einer Zeit, wo ein braver Mensch zur Frühmesse geht. Sie glotzte ihn mit ihren Augen an, wie wenn sie noch im Schlafe läge, als er einen Krug — oder richtiger fast einen halben Eimer voll Branntwein bestellte. Allein vergebens suchte der Ärmste seinen Kummer zu ertränken. Der Schnaps brannte ihm auf der Zunge wie Nesseln und dünkte ihn bitterer als Wermut. Weit von sich warf er den Krug zu Boden. Da dröhnte es im Bass über seinem Kopfe: »Laß doch das Trauern, Kosak!« Er schaut auf: Es war Bassawrjuk! Uh, welche Fratze! Der hatte Haare wie ein Borstenvieh und Augen wie ein Bulle! »Ich weiß, was dir fehlt: das da!« rief er und klirrte teuflisch grinsend mit seiner ledernen Geldkatze, die ihm am Gürtel hing. Petrusj erbebte. »Hehe, wie die glühen!« brüllte er und schüttete sich die Dukaten auf die Hand. »Hehe, die klimpern! Und doch heißt’s nur eine einzige Tat vollbringen, um einen ganzen Berg solcher Schnipsel!« — »Satan!« schrie da Petrusj. »Her damit! Ich bin zu allem bereit!« Beide gaben sich den Handschlag und waren einig. »Sieh, Petrusj, du kommst gerade zur rechten Zeit: morgen ist Johannistag. Nur in dieser einen Nacht des Jahres treibt das Farnkraut Blüten. Du darfst es nicht verpassen. Ich erwarte dich um Mitternacht in der Bärenschlucht.«

      Ich glaube, die Hühner warten nicht so auf den Augenblick, wo ihnen die Hausfrau Krumen streut, wie Petrusj auf den Abend wartete. Immerwährend blickte er aus, ob die Baumschatten nicht länger würden, ob nicht die tief herabgesunkene Sonne in Purpur erglömme, und je länger er wartete, um so ungeduldiger wurde er. Wie lange dauerte das doch! Gottes Tag konnte wohl kein Ende finden. — Nun ist die Sonne fort. Nur noch auf einer Seite rötet sich der Himmel noch. Und schon erlischt er. Es wird kälter im Felde; dunkler und dunkler wird’s, und alles liegt in nächtlicher Finsternis da. Endlich! Das Herz wollte ihm schier aus der Brust springen, als er sich auf den Weg machte und mit Vorsicht durch den dichten Wald zu dem tiefen Grunde herabstieg, der Bärenschlucht genannt wurde. Bassawrjuk wartete schon auf ihn. Es war so finster, daß man die Hand vor den Augen nicht sah. Hand in Hand schlichen sie durch die Sümpfe des Moors, verfingen sich im dichten Gestrüpp und strauchelten fast bei jedem Schritte. Endlich fanden sie einen ebenen Platz. Petrusj sah sich um: Er war noch nie hier gewesen. Auch Bassawrjuk blieb stehen.

      »Siehst du: da vor dir liegen drei Hügel. Viel mannigfache Blumen wachsen dort; doch alle Mächte der Welt mögen dich bewahren, auch nur eine zu pflücken. Kaum aber erblüht der Farn, so greif nach ihm und blick dich nicht um, was du auch hinter dir dünken magst.«

      Petrusj wollte noch etwas fragen ... aber jener war verschwunden. Er ging auf die Hügel zu: wo waren die Blumen? Es war nichts zu sehen. Schwarz lag das wilde Steppengras da und überwucherte alles mit seinem Gestrüpp. Da blitzte ein Wetterleuchten auf, und vor ihm erschien ein ganzes Beet voll wundersamer und nie gesehener Blumen; darinnen sah er auch die einfachen Blätter des Farnkrautes. Voller Zweifel stemmte Petrusj beide Hände in die Hüften und stellte sich nachdenklich vor sie hin.

      »Was ist denn Wunderbares dabei? Zehnmal des Tages sehe ich solches Kraut: was ist denn das für ein Mirakel? Am Ende macht sich die Teufelsfratze nur über mich lustig!«

      Auf einmal aber glüht ein kleines Knöspchen


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