Abende auf dem Gut Dikanka. Nikolai Gogol

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Abende auf dem Gut Dikanka - Nikolai Gogol


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Geh, führ die Stute auf den Markt. Es ist einfach zum Lachen. Wir sind auf den Jahrmarkt gekommen, und bisher ist noch keine Handvoll Hanf verkauft ...«

      »Ja, Frauchen,« sagte Tscherewik, »jetzt wird man schön über uns lachen!«

      »Geh, geh! Man lacht ohnehin über dich!«

      »Du siehst ja, ich habe mich noch nicht gewaschen!« fuhr Tscherewik gähnend und sich den Rücken kratzend fort, um Zeit für seine Faulheit zu gewinnen.

      »Du hast dir ja eine recht passende Zeit für deine Reinlichkeit gewählt! Wann war sowas bei dir Sitte? Da ist ein Handtuch für dich, wisch dir deine Fresse ab.«

      Sie ergriff etwas, das zu einem Knäuel geballt dalag, und — schleuderte es entsetzt von sich: es war der Ärmelaufschlag eines roten Kittels.

      »Geh schon, geh an deine Sachen!« wiederholte sie, bereits wieder ermutigt, als sie sah, daß ihm vor Angst die Beine gelähmt waren und die Zähne klapperten.

      »Das wird ja jetzt ein schönes Geschäft werden!« brummte er bei sich, während er die Stute losband und sie auf den Platz führte. »Nicht ohne Grund also lag mir’s, als ich zu diesem verfluchten Jahrmarkt fuhr, so schwer auf der Seele, als hatte mir jemand eine krepierte Kuh aufgeladen; und die Ochsen sind ja auch zweimal von selbst mitten auf dem Wege umgekehrt. Und da fällt mir ein, wir sind ja auch am Montag abgereist. Da haben wir die Bescherung! ... Ein schöner Störenfried ist mir dieser verdammte Teufel: Kann er nicht seinen Kittel ohne den einen Ärmel tragen! Aber nein, er gönnt den Leuten ihre liebe Ruhe nicht. Wenn ich beispielsweise, was Gott bewahre, der Teufel wäre, — hätte ich mich da um solch einen verfluchten Fetzen herumgetrollt?«

      Hier wurde unser Tscherewik durch eine fette und schrille Stimme in seinem Philosophieren unterbrochen. Vor ihm stand ein großer Zigeuner.

      »Was hast du zu verkaufen, guter Mann?«

      Der Händler blieb eine Weile stumm, sah ihn vom Kopf bis zu den Füßen an und sagte dann mit ruhiger Miene, ohne stehen zu bleiben oder die Zügel aus der Hand zu lassen: »Du siehst ja selbst, was ich zu verkaufen habe!«

      »Riemen?« fragte der Zigeuner und blickte auf die Zügel in Tscherewiks Hand.

      »Jawohl, Riemen — wenn eine Stute 'nem Riemen ähnelt!«

      »Potztausend, Landsmann! Du hast sie wohl mit Stroh gefüttert!«

      »Mit Stroh?«

      Tscherewik wollte eben die Zügel anziehen, um seine Stute vorzuführen, und den schamlosen Beleidiger Lügen zu strafen; aber seine Hand fuhr ihm mit ungewöhnlicher Leichtigkeit ans Kinn. Was sah er! — Die Zügel waren durchgeschnitten, und daran gebunden sah man — oh Entsetzen! Seine Haare standen ihm zu Berge! — den Ärmelfetzen eines roten Kittels! ... Ausspuckend, sich bekreuzigend, und mit den Armen fuchtelnd floh er von dannen vor diesem unerwarteten Geschenk, und verschwand flinker als irgendein junger Bursch in der Menge.

      11

      Wes das Korn, des die Prügel.

       Sprichwort

      »Haltet ihn! Haltet ihn!« so schrien einige Burschen am schmalen Ende der Straße, und Tscherewik fühlte, wie er plötzlich von festen Händen gepackt wurde.

      »Bindet den Kerl! 's ist derselbe, der dem guten Mann die Stute gestohlen hat!«

      »Gott mit euch, warum wollt ihr mich denn binden?«

      »Er fragt noch! Und warum hast du dem fremden Bauern, dem Tscherewik, seine Stute gestohlen?«

      »Seid ihr bei Sinnen, Leute? Wo hat man denn je gesehen, daß einer sich selbst etwas stiehlt?«

      »Alte Possen, alte Possen! Warum bist du denn so atemlos davongelaufen, als wenn der Satan selbst dir auf den Fersen wäre?«

      »Soll man denn nicht laufen, wenn einem der Teufelsrock ...«

      »He, Bester, das lüg’ du anderen vor. Du wirst noch was Schönes vom Präsidenten erleben, weil du die Leute mit Teufelsgeschichten erschreckst!«

      »Haltet ihn, haltet ihn!« ertönte da ein Ruf am anderen Ende der Straße, »da ist der Ausreißer!«

      Und vor unserem Tscherewik erschien der Gevatter im allerjämmerlichsten Aufzug, er hielt die Arme auf dem Rücken und wurde von einigen Burschen vorwärts gestoßen.

      »Wunder über Wunder,« rief einer von ihnen.

      »Ihr solltet nur hören, was dieser Halunke erzählt. Man braucht ihm doch nur ins Gesicht zu schauen, und man sieht ihm den Dieb an! Als man ihn fragte, warum er so wahnsinnig davonrannte, da sagte er: ›Ich steckte die Hand in die Tasche, um eine Prise zu nehmen, aber statt der Tabaksdose zog ich ein Stück von dem teuflischen Kittel heraus, und eine rote Flamme sprang auf.‹ — Darum sei er davongerannt!«

      »He he! Es sind also beides Vögel aus demselben Nest! Bindet sie alle beide!«

      12

      »Was hab’ ich denn getan, ihr lieben Leute?

      Was glotzt ihr mich so an?« sprach unser Bursche,

      »Was spottet ihr und höhnt ihr denn mich Armen?

      Warum, warum?« so ruft er aus und flennt,

      Daß ihm die Träne auf der Backe brennt.

       Artemowski-Gulak: »Der Herr und der Hund«

      »Gevatter, vielleicht hast du in der Tat etwas stibitzt?« fragte Tscherewik, der zusammen mit seinem Gevatter gebunden in einer Strohhütte lag.

      »Also auch du, Gevatter! Hände und Füße sollen mir verdorren, wenn ich je etwas gestohlen habe, höchstens Krapfen mit Rahm bei meiner Mutter, aber auch das nur, als ich erst zehn Jahr alt war.«

      »Wofür werden wir denn so gestraft, Gevatter? Bei dir ist’s ja noch nicht schlimm: du wirst doch wenigstens nur beschuldigt, einen anderen bestohlen zu haben; aber mich Unglücksmenschen verleumdet der Satan: ich soll mir selbst 'ne Stute gestohlen haben. Es ist uns wohl nicht beschieden, auch mal ein bißchen Glück zu haben, Gevatter!«

      »O weh uns armen Waisen!« Und die beiden Gevatter fingen heftig an zu schluchzen.

      »Was hast du, Tscherewik?« fragte da Grytzko, der in diesem Augenblicke eintrat. »Wer hat dich gebunden?«

      »Ach, Golupupenko, Golupupenko!« schrie Tscherewik freudig. »Gevatter, das ist der, von dem ich dir erzählt habe. O, das ist ein tüchtiger Kerl! Gott soll mich hier auf der Stelle töten, wenn er nicht einen Krug ausgelutscht hat, so groß wie dein Kopf; und dabei verzog er keine Miene!«

      »Nun, Gevatter, und warum hast du einen solchen Prachtkerl abgewiesen?«

      »Sieh,« fuhr Tscherewik zu Grytzko gewandt fort: »Gott straft mich wohl, weil ich mich gegen dich versündigt habe. Vergib mir, lieber Junge! Bei Gott, ich hätte ja alles für dich getan ... Aber was soll man da machen! Der Satan sitzt in meiner Alten!«

      »Ich trage nie jemandem Böses nach! Wenn du willst, so befreie ich dich!« Er winkte den Burschen, und dieselben jungen Leute, die Tscherewik bewacht hatten, eilten herbei, ihn zu entfesseln.

      »Nun aber wird Hochzeit gemacht, wie’s sich gehört! Und wir wollen tanzen, daß uns vom Hopsen die Beine ein ganzes Jahr lang weh tun!«

      »Recht so!« rief Tscherewik und klatschte in die Hände. »Nun bin ich wieder so vergnügt, als ob meine Alte von den Moskowitern geholt worden wäre! Was ist da viel zu bedenken! Ob’s nun recht ist oder nicht — heute ist Hochzeit und damit Schluß!«

      »Nur sieh zu, Tscherewik, in einer Stunde komm’ ich zu dir, und jetzt geh nach Hause, dort warten Käufer auf dich, die deine Stute und den Weizen haben wollen.«

      »Wie? Hat sich die Stute gefunden?«

      »Ja, sie hat sich gefunden!« Tscherewik


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