Abende auf dem Gut Dikanka. Nikolai Gogol

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Abende auf dem Gut Dikanka - Nikolai Gogol


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getrunken, noch bevor du überhaupt etwas verkauft hast!«

      Unser Tscherewik merkte jetzt selbst, daß er in seiner Rede zu weit gegangen war, und bedeckte schnell den Kopf mit den Händen, da er annehmen mußte, daß die erzürnte Gattin es nicht unterlassen würde, ihre ehelichen Tatzen in sein Haar zu krallen.

      »Den Teufel auch, da hast du deine Hochzeit!« dachte er bei sich, während er die heftig vordringende Gattin abwehrte. »Ich werde dem lieben Kerl ohne allen Grund eine Absage erteilen müssen. Himmel, Herrgott! Wofür strafst du uns arme Sünder so? Es gibt doch schon soviel Unrat, mußtest du auch noch die Weiber in die Welt setzen.«

      5

      Bäumlein, Bäumlein, bück dich nicht,

      Weil du noch zu fein bist!

      Sei nicht bös, Kosakenbursch,

      Weil du noch zu klein bist!

       Kleinrussisches Lied

      Zerstreut saß der Bursch im weißen Kittel neben seinem Wagen und blickte auf das rings um ihn dumpf rauschende Volk. Die müde Sonne, die Morgen und Mittag ruhig über den Himmel dahingeglüht hatte, verließ nun die Welt, und der erlöschende Tag bemalte sich in berückender Helligkeit mit rotem Gold. Blendend blitzten die Spitzen der weißen Zelte und Buden, von einem kaum merkbaren feurig rosigen Glanz überstrahlt; die Scheiben des zu Haufen aufgestapelten Fensterglases glühten; die grünen Flaschen und die Gläser auf den Tischen der Schankweiber verwandelten sich in Feuer; die Berge von Kürbissen und Melonen schienen aus Gold und dunklem Kupfer gegossen zu sein. Die Gespräche wurden merkbar leiser und dumpfer, und die müden Zungen der Händler, Bauern und Zigeuner regten sich träger und langsamer. Irgendwo glomm ein Feuerchen auf, und ein würziger Dampf von gekochten Klößen verbreitete sich in den immer stiller werdenden Gassen.

      »Was sinnst du, Grytzko?« rief ein hochgewachsener brauner Zigeuner, und schlug unserem Burschen auf die Schulter. »Also gibst du die Bullen für zwanzig her?«

      »Du denkst an nichts als an Bullen und wieder Bullen! Ihr Leute wollt nur immer Geschäfte machen und einen ehrlichen Menschen übers Ohr hauen!«

      »Pfui Teufel! Im Ernst, bei dir rappelt’s wohl! Vielleicht gar aus Ärger, daß du dir selbst eine Braut zugelegt hast?«

      »Nein, so bin ich nicht: ich halte mein Wort. Was ich einmal getan habe, das bleibt ewig bestehn. Aber dieser alte Knaster, der Tscherewik, hat auch nicht für einen halben Heller Gewissen: erst versprochen, dann gebrochen ... Na, ihm kann man keine Schuld geben: der ist ein Klotz und nichts weiter. Das sind alles die Streiche der alten Hexe, die wir Jungen heut auf der Brücke so recht nach Noten ausgeschimpft haben. Ach, wenn ich ein König oder ein großer Herr wäre, ich wär’ der erste, der alle die Dummköpfe an den Galgen brächte, die sich von Weibern in die Kandare nehmen lassen ...«

      »Gibst du uns die Bullen für zwanzig, wenn wir Tscherewik zwingen, dir Paraßka zu geben?«

      Ganz erstaunt blickte ihn Grytzko an. Die braunen Züge des Zigeuners hatten etwas Boshaftes, Grausames, Niedriges und zugleich Hochmütiges an sich: jeder, der ihn ansah, mußte gestehen, daß in dieser seltsamen Seele große Gefühle brodelten, für die es jedoch nur einen Lohn auf Erden gibt — den Galgen. Den Mund, der zwischen der Nase und dem spitzen Kinn wie eingefallen erschien, umspielte ewig ein giftiges Lächeln, kleine Augen, die lebhaft wie Feuer waren, und ein ewig wechselndes Aufleuchten von Unternehmungen und Plänen im Gesicht, — zu alledem schien nur ein ganz besonderes Kostüm zu passen und zwar gerad ein so sonderbares, wie er es trug. Dieser dunkelbraune Kaftan, der sich bei der geringsten Berührung sicherlich in Staub verwandelt hätte; das lang in Strähnen über die Schultern fallende Haar, die Schuhe an den nackten braunen Füßen, — all das schien mit ihm verwachsen zu sein und seine eigentliche Natur auszumachen.

      »Nicht nur für zwanzig, ich geb’ sie dir für fünfzehn, wenn du Wort hältst!« antwortete der Bursche, ohne seine prüfenden Augen von ihm abzuwenden.

      »Für fünfzehn? — Gut! Paß auf und vergiß nicht: für fünfzehn! Hier hast du einen Blauen als Handgeld!«

      »Und wenn du lügst?«

      »Wenn ich lüge, ist das Handgeld wieder dein!«

      »Gut! Also schlag ein!«

      »Nun gut, ’s ist recht!«

      6

      Welch ein Malheur: da seh ich Roman kommen, der bringt mir gewiß Schlimmes, aber auch Sie, Herr Choma, kriegen was ab!

       Aus einem kleinrussischen Schwank

      »Hier, Afannassi Iwanowitsch! Da ist der Zaun etwas niedriger, steigt nur hinüber und habt keine Angst: mein Tölpel ist mit dem Gevatter zu den Wagen gegangen, um dort zu übernachten, damit die Moskowiter nichts stibitzen!«

      So ermutigte Tscherewiks gestrenge Herrin freundlich den Popensohn, der sich ängstlich an den Zaun quetschte. Eilig kletterte er hinauf und hing lange und unschlüssig dort oben, wie ein hageres schreckliches Gespenst, mit den Augen abmessend, wo er wohl am besten abspringen könne; endlich plumpste er mit viel Lärm ins Gras.

      »O jemine! Habt Ihr Euch nicht weh getan? Habt Ihr Euch nicht am Ende, was Gott verhüte, noch gar das Genick gebrochen?« jammerte Chiwrja besorgt.

      »Pst! es ist nichts passiert, meine Liebe!« sprach der Popensohn schmerzbewegt im Flüsterton, und sprang wieder auf die Füße: »abgesehen von der Blessur durch die Nesseln, dieses schlangengleiche Kraut, wie unser hochseliger weiser Protopope zu sagen pflegte.«

      »Kommt nur in die Stube, es ist niemand da. Ich habe schon gedacht, was hat bloß mein Afannassi Iwanowitsch? am Ende hat er gar das Reißen oder das Magendrücken, er kommt und kommt nicht! Wie geht es Euch? Ich habe gehört, Euer Herr Vater hat jetzt mancherlei schöne Dinge bekommen!«

      »Ach, 'ne reine Kleinigkeit, Chawronja Nikiforowna: Väterchen hat während der ganzen Fasten nur etwa fünfzehn Sack Korn, vier Sack Hirse und etwa hundert Laib Brot bekommen; was die Hühner betrifft, so waren’s alles in allem höchstens fünfzig Stück; und die Eier waren zum größten Teil faul. Wahrhaftig, gute Gaben sind nur von Euch zu erwarten, meine Liebe!« fuhr der Popensohn fort, indem er sie süß ansah und näher rückte.

      »Da sind meine Gaben, Afanassi Iwanowitsch!« sprach sie, während sie die Schüsseln auf den Tisch stellte und geziert ihre Jacke zuknöpfte, die wie zufällig aufgegangen war, »da sind Zuckerfrüchte, Weizenklöße, Krapfen und Strizel!«

      »Ich wette darauf, daß dies hier die flinksten Hände aus Evas Geschlecht hergerichtet haben!« sprach der Popensohn, indem er sich an die Strizel machte und mit der anderen Hand die Krapfen zu sich heranzog. »Aber mein Herz schmachtet nach einer anderen Speise, die süßer ist, als alle Klößchen und Kräpfchen.«

      »Ich weiß nicht, was für eine Speise Ihr meint,« antwortete die wohlbeleibte Schöne, die so tat, als ob sie nicht verstände.

      »Natürlich Eure Liebe, meine unvergleichliche Chiwrja!« sagte der Popensohn im Flüsterton, indem er mit der einen Hand einen Krapfen ergriff und die andere um ihre breiten Hüften legte.

      »Weiß Gott, was Ihr Euch nur alles ausdenkt, Afanassi Iwanowitsch,« sagte Chiwrja, schämig die Augen senkend. »Am Ende wollt Ihr mich gar noch küssen!«

      »Was das anbetrifft, so will ich Euch sagen,« fuhr der Popensohn fort, »als ich gewissermaßen noch auf dem Seminar war — ich erinnere mich noch als wär’ es heute, da ...«

      Hier wurde auf dem Hof ein Bellen laut, und jemand klopfte ans Tor. Chiwrja lief eilig hinaus und kam ganz bleich zurück.

      »Wir sind verloren, Afanassi Iwanowitsch: ein ganzer Haufen Leute klopft ans Tor, und ich glaube, ich habe die Stimme des Gevatters gehört ...«

      Der Krapfen blieb dem Popensohn im Halse stecken ... Seine Augen quollen heraus, als ob eine Erscheinung aus jener Welt ihm soeben ihre Visite abgestattet hätte.

      »Kriecht


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