Abende auf dem Gut Dikanka. Nikolai Gogol

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Abende auf dem Gut Dikanka - Nikolai Gogol


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die so lang wie Stelzen waren, in die Fenster, machten ihn im Nu mit dem dreischwänzigen Kantschu wieder lebendig und ließen ihn höher springen, als dieser Balken da oben ist. Der Jude fiel auf die Knie und gestand alles ein. Aber der Kittel war nicht so schnell wieder zu finden. Der Pan war unterwegs von einem Zigeuner bestohlen worden, der den Kittel an eine Händlerin verkauft hatte. Die brachte ihn wieder auf den Jahrmarkt von Sorotschintzy, aber von Stund an wollte niemand etwas bei ihr kaufen. Die Händlerin wunderte sich lange Zeit, aber endlich kam sie der Sache auf den Grund. Sicher hatte der rote Kittel an allem schuld; daher fühlte sie auch immer, wenn sie ihn anzog, daß sie etwas drückte. Ohne lange zu überlegen, warf sie ihn ins Feuer — aber der Teufelsrock wollte nicht brennen! ... »Ah so, das ist also ein Teufelsgeschenk!« Die Händlerin war so klug, ihn einem Bauern unter den Wagen zu schieben, der Butter zum Verkauf brachte. Der Dummkopf war hocherfreut, aber niemand fragte mehr nach seiner Butter. »O weh, da haben mir böse Hände den Kittel da unter den Wagen gesteckt!« Er ergriff eine Axt und hackte ihn in Stücke; aber sieh da, ein Stück kriecht zum andern, und wieder ist’s ein ganzer Kittel! Er bekreuzigte sich, schlug noch mal darauf, streute die Stücke auseinander und machte sich davon. Und seit jener Stunde geht jedes Jahr, pünktlich zur Jahrmarktszeit, der Teufel in Gestalt eines Schweines auf dem Platze um, grunzt und sucht die Stücke seines Kittels zusammen. Jetzt soll ihm nur noch der linke Ärmel fehlen. Die Leute hüten sich seitdem vor jenem Orte, und bald werden es zehn Jahre sein, daß dort kein Jahrmarkt mehr gewesen ist. Da muß nun der Böse den Präsidenten reiten, daß er gerade hier den Jahr...«

      Die andere Hälfte des Wortes erstarb dem Erzähler auf den Lippen: krachend sprang das Fenster auf; klirrend flogen die Scheiben herum, und eine schreckliche Schweinsfratze erschien in der Öffnung, die Augen rollend, als ob sie fragen wollte: »Was treibt ihr hier, ihr lieben Leute?«

      8

      Dem Hunde gleich, dem man den Schwanz geklemmt,

      So steht dies Jammerbild, wie Kain zitternd,

      Und aus der Nase tropft Tabak aufs Hemd.

       Kotljarewski: »Äneas«

      Entsetzen packte alle in der Stube. Der Gevatter saß offenen Mundes da und schien zu Stein erstarrt; seine Augen krochen hervor, als ob sie schießen wollten, und die Finger blieben regungslos in der Luft gespreizt. Der lange Kerl, der so mutig getan hatte, sprang in unverkennbarer Angst bis zur Decke und stieß mit dem Kopf gegen den Balken; die Bretter klafften auseinander, und der Popensohn flog Knall und Fall zu Boden.

      »Au! au! au!« schrie der eine verzweifelt, fiel entsetzt auf eine Bank und zappelte mit Armen und Beinen.

      »Hilfe!« brüllte ein anderer und zog sich schnell seinen Pelz über die Augen.

      Der Gevatter, den dieser zweite Schreck aus seiner Erstarrung geweckt hatte, kroch, an allen Gliedern zitternd, seiner Ehefrau unter den Rock. Der lange Maulheld kroch, trotz der kleinen Öffnung, in den Ofen und schlug selbst die Klappe zu. Tscherewik stülpte sich, wie von brühheißem Wasser begossen, statt der Mütze einen Topf über den Kopf, stürzte zur Tür hinaus und rannte besinnungslos, ohne auf den Weg zu achten, wie ein Wahnsinniger durch die Straßen; erst die Ermüdung zwang ihn, seinen schnellen Lauf zu hemmen. Sein Herz ratterte wie eine Mühlenstampfe, und die Schweißtropfen rollten an ihm herunter wie die Hagelkörner. Ganz erschöpft wäre er fast zu Boden gesunken, als er auf einmal hörte, wie jemand hinter ihm herjagte ... Sein Atem stockte ...

      »Der Teufel! der Teufel!« schrie er ganz außer sich, seine Kräfte verdreifachend, und einen Augenblick später stürzte er besinnungslos zu Boden.

      »Der Teufel! der Teufel!« schrie es hinter ihm her: er hörte nur noch, wie etwas lärmend auf ihn herabstürzte; aber da verließ ihn die Besinnung, und er blieb wie der grausige Bewohner eines engen Sarges stumm und reglos mitten auf dem Wege liegen.

      9

      Vorne geht die Sache noch halbwegs,

      Aber hinten ist’s der ganze Teufel!

       Aus einem Volksmärchen

      »Hörst du, Wlas!« sprach einer von den Leuten, die im Freien geschlafen hatten, nachts aus dem Schlafe auffahrend. »Jemand in der Nähe hat hier ›Teufel‹ geschrien.«

      »Was geht mich das an?« brummte der neben ihm liegende Zigeuner, sich räkelnd. »Mag er doch nach der ganzen Sippe schreien!«

      »Aber er hat doch so geschrien, als ob man ihn abwürgte!«

      »Was schreit ein Mensch nicht alles im Schlaf!«

      »Na, wie du meinst. Ich geh’ nachsehen. Mach mal Feuer!«

      Der andere Zigeuner stand brummend auf, ließ ein paar Funken wie Blitze vor sich aufstieben, blies den Zunder mit dem Munde an und ging mit seinem Lämpchen in der Hand — einer der üblichen kleinrussischen Lampen, die aus einem zerbrochenen Scherben, der mit Hammelfett gefüllt ist, bestehen — die Straße hinunter.

      »Halt, hier liegt jemand! Komm her und leuchte mir!«

      Noch einige Menschen schlossen sich ihm an.

      »Was liegt da, Wlas?«

      »Es sieht ganz nach zwei Menschen aus: der eine liegt oben, der andere unten; wer von ihnen der Teufel ist, weiß ich nicht!«

      »Wer liegt oben?«

      »Ein Frauenzimmer!«

      »Dann ist das der Teufel!«

      Ein allgemeines Gelächter weckte fast die ganze Straße.

      »Ein Frauenzimmer ist auf einen Kerl raufgekrochen, na, die versteht das Kutschieren!« sprach einer aus der herumstehenden Menge.

      »Seht doch bloß, Brüder!« sprach ein anderer und hob einen Scherben des Topfes auf, von dem nur noch die eine Hälfte auf dem Kopfe Tscherewiks ganz geblieben war. »Was der gute Mann sich für eine Mütze aufgesetzt hat!«

      Der Lärm und das Gelächter, die immer mehr anschwollen, riefen unsere beiden Toten wieder ins Leben zurück, Tscherewik und seine Frau, die voll Entsetzen über den überstandenen Schreck, mit starrem Blick in die braunen Gesichter der Zigeuner schauten. Beim unsicheren Flackern des Lichts erschienen sie wie ein Haufen Gnomen, umhüllt von einem unterirdisch schweren Qualm in der Finsternis einer tiefen Nacht.

      10

      Packe dich, Satansbrut!

       Aus einem kleinrussischen Schwank

      Die Frische des Morgens wehte über der erwachten Stadt. Aus allen Schloten stiegen Rauchsäulen der Sonne entgegen. Auf dem Jahrmarkt wurde es wieder lebendig. Schafe blökten, Pferde wieherten, das Schnattern der Gänse und der Händlerinnen erfüllte wieder das ganze Lager — und die schrecklichen Gerüchte vom roten Kittel, die in der geheimnisvollen Stimmung der Dämmerstunde die Menschen in eine solche Angst versetzt hatten, waren mit dem Heraufkommen des Morgens verschwunden.

      Gähnend und sich räkelnd schlummerte Tscherewik in der strohgedeckten Scheune seines Gevatters unter Ochsen, Mehlsäcken und Weizen weiter und schien gar keine Lust zu haben, sich von seinen Träumen zu trennen, als er auf einmal eine Stimme vernahm, die ihm ebenso vertraut vorkam, wie der gesegnete Ofen seiner Stube oder die Kneipe einer entfernten Verwandten, die keine zehn Schritt von der Schwelle seines Hauses entfernt war, diese Zufluchtsstätten seiner großen Faulheit.

      »Steh auf! Steh auf!« knurrte die zärtliche Gattin, die ihn aus aller Kraft am Arm zerrte, über seinem Ohr.

      Statt jeder Antwort blies Tscherewik die Backen auf und begann mit den Armen zu fuchteln wie ein Trommelschläger.

      »Du verrückter Kerl!« schrie sie und prallte vor dem Schwung seiner Hand, die ihr beinahe ins Gesicht gefahren wäre, zurück.

      Tscherewik erhob sich, rieb sich die Augen und sah sich um.

      »Hol’ mich der Henker! Aber deine Fratze kam mir wie


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