Jugend und Der Nigger vom "NARCISSUS" - Band 128e in der maritimen gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski. Joseph Conrad

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Jugend und Der Nigger vom


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auf den Schnellseglern gewohnt war. Als ich ihr die Hemden brachte, sagte sie: ‚Und die Socken? Die brauchen das Stopfen sicher auch, und Johns – Kapitän Beards – Sachen sind nun alle in Ordnung. Ich freue mich, wenn ich etwas zu tun bekomme.‘ Gott segne die alte Dame. Sie sah meine ganze Ausstattung nach, und unterdessen las ich zum ersten Male ‚Sartor Resartus‘ und Burnabys ‚Ritt nach Khiva‘. Von dem ersten verstand ich damals nicht viel; doch zog ich, wie ich mich erinnere, den Soldaten dem Philosophen vor. Eine Vorliebe, die mein weiteres Leben nur verstärkt hat. Der eine war ein Mann, und der andere war entweder mehr – oder weniger. Doch so oder so – sie sind beide tot, und Frau Beard ist tot, und Jugend, Kraft, Genie, tiefe Gedanken, große Taten, einfältige Herzen – alles muss sterben... Macht nichts.

       Schließlich kamen wir zum Laden. Wir heuerten eine Mannschaft an. Acht Vollmatrosen und zwei Jungen. Eines Abends gingen wir an die Bojen bei den Docktoren, klar zum Auslaufen und mit der ziemlich sicheren Aussicht, die Reise am nächsten Tage zu beginnen. Frau Beard sollte mit einem Nachtzuge heimfahren. Sobald das Schiff festgemacht war, setzten wir uns zum Tee. Wir – Mahon, das alte Ehepaar und ich – zeigten keine Lust zum Reden. Ich war zuerst fertig und verzog mich, um ein wenig zu rauchen; meine Kabine lag in einem Deckhaus hart an der Hütte. Es war Flut, Sprühregen in der Luft, dazu blies eine scharfe Brise; die Doppeltore des Docks standen offen, und die Kohlenschiffe dampften in der Dunkelheit mit grellen Signallichtern ein und aus, unter großem Geplätscher der Schrauben, dem Rasseln der Winden und mächtigem Geschrei auf den Quais. Ich sah der langen Reihe der Topplaternen zu, die hoch oben, und der grünen Seitenlichter, die niedrig durch die Nacht hinglitten, als plötzlich ein roter Schein vor mir aufblitzte, verschwand, wieder auftauchte und stehenblieb. Der Bug eines Dampfers zeichnete sich in nächster Nähe ab. Ich brüllte in die Kajüte hinunter: ‚Kommt herauf, schnell!‘ und hörte gleich darauf eine erschreckte Stimme weiterab im Dunkeln sagen: ‚Stoppen Sie, Herr!‘ Eine Glocke schrillte. Eine andere Stimme rief warnend: ‚Wir rennen kerzengerade in die Bark da hinein!‘ Die Antwort hierauf war ein brummiges ‚Schon recht‘, und unmittelbar danach kam ein schwerer Krach, während der Dampfer mit seinem breiten Bug unsere Fockwanten abstreifte. Es gab einen Augenblick der Verwirrung, mit Geschrei und Herumrennen. Dampf zischte. Dann hörte man jemand sagen: ‚Alles klar, Herr!‘ – ‚Seid ihr in Ordnung?‘ fragte die brummige Stimme. Ich war vorausgesprungen, um den Schaden zu besichtigen, und rief zurück: ‚Ich denke!‘ – ‚Langsam vorwärts!‘ sagte die brummige Stimme. Eine Glocke schrillte. ‚Was für ein Dampfer ist das?‘ brüllte Mahon. Unterdessen erschien uns der Dampfer nur noch als ein klobiger Schatten, während er ein Stück weitab manövrierte. Sie brüllten uns einen Namen zu – irgendeinen Frauennamen, Miranda oder Melissa oder so was Ähnliches. ‚Das bedeutet noch einen Monat mehr in dem verwünschten Nest hier‘, sagte mir Mahon, während wir mit Lampen das zersplitterte Schanzkleid und die gerissenen Brassen ableuchteten. ‚Aber wo steckt der Kapitän?‘

      Wir hatten die ganze Zeit über nichts von ihm gesehen oder gehört. Wir gingen achtern, um nachzusehen. Irgendwo von der Mitte des Docks her erhob sich eine klägliche Stimme: ‚JUDEA, ahoi!‘ ... Wie zum Teufel kam er dahin? ... ‚Hallo!‘ brüllten wir. – ‚Ich treibe in unserem Boot ohne Ruder‘, rief er zurück. Ein verspäteter Jollenführer bot seine Dienste an, und Mahon handelte mit ihm aus, er sollte um eine halbe Guinee unseren Kapitän längsseits schleppen; doch war es Frau Beard, die zuerst die Leiter heraufkam. Die beiden waren in dem kalten Sprühregen fast eine Stunde lang im Dock herumgetrieben. Nie in meinem Leben war ich so überrascht.

      Wie sich herausstellte, hatte er, sobald er mich ‚Kommt herauf!‘ rufen hörte, sofort begriffen, worum es sich handelte, hatte seine Frau gepackt, war an Deck und quer hinüber zu unserem Boot gelaufen, das an der Leiter festlag. Nicht übel für einen Sechzigjährigen! Stellt euch nur den alten Burschen vor, der heldenmütig in seinen Armen die alte Frau rettete – die Frau seines Lebens. Er setzte sie auf eine Ruderbank und schickte sich an, an Bord zurück zu klettern, als die Fangleine irgendwie loskam und sie beide abtrieben. Natürlich hörten wir ihn in dem Trubel nicht rufen. Er sah niedergeschlagen aus. Sie sagte fröhlich: ‚Nun, ich denke, es macht nichts aus, dass ich den Zug versäumt habe?‘ – ‚Nein, Jenny – geh hinunter und wärm dich!‘ knurrte er. Dann zu uns: ‚Ein Seemann soll sich mit keiner Frau abgeben, sage ich. Da war ich also fort vom Schiff. Na, diesmal hat es nichts auf sich gehabt. Sehen wir einmal nach, was der verteufelte Dampfer angerichtet hat.‘

       Es war nicht viel, aber es hielt uns drei Wochen lang auf. Nach Ablauf dieser Zeit trug ich, da der Kapitän gerade mit seinen Maklern zu tun hatte, Frau Beards Koffer zum Bahnhof und setzte sie recht bequem in ein Abteil dritter Klasse. Sie ließ das Fenster herunter, um mir zu sagen: ‚Sie sind ein netter junger Mann. Wenn Sie John – Kapitän Beard – nachts ohne seinen Schal sehen, dann erinnern Sie ihn doch in meinem Namen daran, dass er den Hals warmhalten soll!‘ – ‚Gewiss, Frau Beard!‘ sagte ich. – ‚Sie sind ein netter junger Mann; ich habe beobachtet, wie aufmerksam Sie gegen John – gegen Kapitän.‘ – Der Zug fuhr plötzlich an; ich zog meine Mütze vor der alten Frau; ich habe sie nie wieder gesehen ... Reich die Flasche weiter! Am nächsten Tag gingen wir in See. Als wir so nach Bangkok aufbrachen, waren wir schon drei Monate von London fort. Wir hatten mit etwa vierzehn Tagen – allerhöchstens – gerechnet. Es war im Januar und das Wetter wunderschön – das herrliche, sonnige Winterwetter, das mehr Reiz hat als der Sommer, weil es unerwartet ist und herb, und man weiß, dass es unmöglich lange anhalten kann. Es ist wie ein Fallwind, wie Strandgut, wie ein unverhofftes Glück.

      Es hielt die ganze Nordsee und den Kanal durch an und weiter noch, bis wir etwa dreihundert Meilen westlich von Kap Lizard waren. Dann sprang der Wind nach Südwest um und begann richtig zu pfeifen. Nach zwei Tagen hatten wir Sturm. Die JUDEA, beigedreht, rollte im Atlantischen wie eine Nussschale. Es blies Tag um Tag: schneidend, ohne Unterlass, unbarmherzig. Die Welt war nichts als eine Unendlichkeit schäumender Wogen, die gegen uns anstürmten, unter einem Himmel, niedrig genug, dass man ihn mit der Hand greifen konnte, und schmutzig wie eine verrauchte Stubendecke. In dem sturmzerrissenen Raum rings um uns war ebenso viel Gischt wie Luft. Tag um Tag und Nacht um Nacht umtobte das Schiff das Heulen des Windes und der Wogen und das Donnern der Sturzseen auf Deck. Es gab keine Rast, weder für das Schiff noch für uns. Die Bark stampfte, schlingerte, stellte sich auf den Kopf, setzte sich auf den Stert, rollte, ächzte, und wir mussten uns festklammern, wenn wir auf Deck, und uns gegen die Kojen spreizen, wenn wir unter Deck waren, in ewiger Anspannung von Seele und Leib.

      Eines Nachts sprach Mahon durch das kleine Fenster in meiner Koje. Es ging gerade in mein Bett, wo ich schlaflos lag, in Stiefeln und mit dem Gefühl, als hätte ich jahrelang nicht geschlafen und könnte es nicht mehr, wenn ich auch wollte. Er sagte aufgeregt: ‚Haben Sie den Peilstock da, Marlow? Ich kann die Pumpen nicht zum Aussaugen bringen. Bei Gott, es ist kein Kinderspiel!‘

       Ich gab ihm den Peilstock, legte mich wieder hin und versuchte allerlei zu denken – aber ich dachte nur an die Pumpen. Als ich auf Deck kam, waren sie immer noch dabei, und meine Wache löste an den Pumpen ab. Im Licht einer Laterne, die auf Deck gebracht worden war, um den Peilstock abzulesen, konnte ich ihre müden, ernsten Gesichter sehen. Wir pumpten die vollen vier Stunden durch. Wir pumpten die ganze Nacht, den ganzen Tag, die ganze Woche – Wache um Wache. Die Bark arbeitete sich lose und leckte schlimm – nicht schlimm genug, um uns augenblicklich zu ersäufen, doch genug, um uns mit der Schinderei an den Pumpen umzubringen. Und während wir pumpten, ging das Schiff stückweise dahin: das Schanzkleid erst, dann die Stützen; die Ventilatoren wurden zerschlagen, die Kajütentür eingedrückt. Es gab kein trockenes Fleckchen mehr im ganzen Schiff. Alles wurde nach und nach überschwemmt. Das Langboot wurde wie durch Zauberei zu Brennholz, während es fest in den Bootskrabbern stand. Ich hatte es selbst festgelascht und war richtig stolz auf meine Handarbeit, die so lange den Tücken der See widerstanden hatte. Und wir pumpten. Und das Wetter änderte sich nicht. Die See war einfarbig weiß von Schaum, wie ein Kessel voll kochender Milch; kein Riss zeigte sich in den Wolken – kein handtellergroßer Riss – nicht zehn Sekunden lang. Keinen Himmel gab es für uns, keine Sterne, keine Sonne, keine Welt – nichts als böse Wolken und eine wütende See. Wir pumpten Wache um Wache ums liebe Leben; und es schien Monate, Jahre, eine ganze Ewigkeit zu währen, als wären wir alle gestorben und in eine Hölle für Seeleute verdammt worden. Wir vergaßen den


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