Jugend und Der Nigger vom "NARCISSUS" - Band 128e in der maritimen gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski. Joseph Conrad

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Jugend und Der Nigger vom


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Köpfen, die scheinbar glattgeschoren, in Wahrheit aber bis auf die Haut abgesengt waren. Andere, von der Freiwache, die unten dadurch geweckt worden waren, dass die Explosion sie aus den einstürzenden Kojen herausgeschleudert hatte, zitterten nun unaufhörlich und stöhnten noch weiter, als wir schon an die Arbeit gingen. Doch alle arbeiteten. Diese Mannschaft aus Liverpooler Hartguss hatte es in sich. Meiner Erfahrung nach ist das immer so. Sie haben es von der See, von der Arbeit und Einsamkeit, die ihre dunklen standhaften Seelen umgibt. O ja! Wir torkelten herum, krochen, stürzten, zerstießen uns an den Trümmern und zogen. Die Masten standen, wir wussten aber nicht, wie weit sie unten schon durchgebrannt sein konnten. Es war nahezu Windstille, doch von Westen her lief eine Dünung und machte die Bark rollen. Die Masten konnten jeden Augenblick über Bord gehen. Wir sahen ängstlich hinauf. Niemand konnte vorhersehen, nach welcher Richtung sie fallen würden.

       Dann zogen wir uns nach achtern zurück und sahen uns um. Das Deck war ein Durcheinander von gekanteten und hochgestellten Bohlen, von Splittern und zerfetztem Holzwerk. Die Masten erhoben sich über dem Gewirr wie Baumriesen über dichtem Unterholz. Die Zwischenräume zwischen all dem Trümmerwerk waren voll von etwas Weißlichem, träge Fließendem – von etwas wie einem schmutzigen Nebel. Der Rauch des unsichtbaren Feuers kam wieder hoch, kroch in dicken, giftigen Schwaden herum, wie in einer Schlucht voll Fallholz. Schon begannen sich träge Flocken durch die Holztrümmer aufzuringeln. Da und dort stand noch ein Pfosten aufrecht. Die Hälfte einer Nagelbank war quer durch das Focksegel geschleudert worden, und nun bildete der Himmel einen leuchtenden blauen Farbfleck in der elend verstümmelten Leinwand. Eine Reihe von Planken, die noch zusammenhielten, waren über die Reling gestürzt, und ihr eines Ende ragte über Bord wie eine Laufplanke, die ins Tiefe führte, in den Tod – als wollte sie uns einladen, sie gleich zu beschreiten und allen unseren lächerlichen Kümmernissen ein Ende zu setzen. Und immer noch rief aus der Luft, aus dem Himmel, irgendein Geist, etwas Unsichtbares das Schiff an.

      Jemand war verständig genug, nachzusehen. Und da ergab es sich, dass es der Rudergänger war, der unwillkürlich über Bord gesprungen war und nun gerne zurück wollte. Er schrie und schwamm lustig wie ein Meermann und hielt mit dem Schiff Schritt. Wir warfen ihm ein Tau zu, und bald darauf stand er mitten unter uns, triefend von Wasser und sehr kleinlaut. Der Kapitän hatte das Rad abgegeben, stand nun abseits, die Ellbogen auf die Reling und das Kinn in die Hand gestützt, und sah gedankenvoll ins Weite. Wir fragten uns: ‚Was nun?‘ Ich dachte: Das ist einmal etwas! Einfach großartig! Möchte wohl wissen, was daraus wird! – O Jugend!

      Plötzlich sichtete Mahon, weit achtern, einen Dampfer. Kapitän Beard sagte: ‚Vielleicht können wir doch noch was mit ihr erreichen!‘ Wir hissten zwei Flaggen, die in der internationalen Seesprache sagten: ‚In Brand, erbitten sofortige Hilfe!‘ Der Dampfer wurde rasch größer und zeigte bald auch am Fockmast zwei Flaggen, die sagten: ‚Kommen euch zu Hilfe!‘

       In einer halben Stunde war der Dampfer querab in Luv in Rufweite und rollte leicht mit abgestoppten Maschinen. Wir verloren alle Fassung und brüllten vor Aufregung im Chor hinüber: ‚Wir sind in die Luft geflogen!‘ Ein Mann auf der Brücke, in weißem Tropenhelm, rief zurück: ‚Ja, schon recht! schon recht!‘ nickte mit dem Kopf, lächelte und winkte uns beruhigend zu, wie einer Schar aufgeregter Kinder. Ein Boot ging zu Wasser und kam unter langen Riemen auf uns zu. Vier Kalaschen ruderten in langen, taktfesten Schlägen. Es war das erste Mal, dass ich malaiische Seeleute sah. Seither habe ich sie kennengelernt; was mich aber damals überraschte, war ihre Gleichgültigkeit: sie kamen längsseits, und sogar der Mann im Bug, der aufrecht stand und sich mit dem Bootshaken an unserer Kette festhielt, schien es unter seiner Würde zu finden, den Kopf zu heben und einen Blick zu uns herüberzuwerfen. Mir schien es damals, als würden Leute, die in die Luft geflogen waren, mehr Beachtung verdienen.

      Ein kleiner Mann, klapperdürr und behend wie ein Affe, kletterte herauf. Es war der Erste Offizier des Dampfers. Er warf einen Blick in die Runde und rief: ‚He, Jungs, gebt es besser auf!‘

      Wir schwiegen. Er sprach eine Zeitlang abseits mit dem Kapitän, schien ihn überzeugen zu wollen. Dann fuhren sie miteinander zu dem Dampfer hinüber.

      Als unser Schiffer zurückkam, erfuhren wir, dass der Dampfer die ‚SOMMERVILLE‘ war, Kapitän Nash, mit Post von Westaustralien via Batavia nach Singapore unterwegs, und dass die Abmachungen dahin gingen, die SOMMERVILLE sollte uns, wenn möglich, nach Anjer oder Batavia schleppen, wo wir das Feuer durch Anbohrung löschen könnten, um dann die Weiterreise wieder aufzunehmen – nach Bangkok! – Der alte Mann schien erregt. ‚Wir schaffen es schon noch‘, sagte er wild entschlossen zu Mahon. Dabei hob er die Faust gegen den Himmel. Niemand sonst sagte ein Wort.

       Gegen Mittag begann der Dampfer zu schleppen, ging schlank und hoch voran, und was von der JUDEA noch übrig war, folgte am Ende von siebzig Faden Schlepptau – folgte eilig, wie eine Rauchwolke, aus der oben die Mastspitzen hervorsahen. Wir gingen in die Takelung, um die Segel zu beschlagen. Wir husteten auf den Rahen, waren aber sehr gewissenhaft bei der Arbeit. Könnt ihr euch vorstellen, wie wir dort oben mit größter Sorgfalt die Segel dieses Schiffes festmachten, dem es vom Schicksal bestimmt war, nirgends mehr anzukommen? Nicht einer war unter uns, der nicht jeden Augenblick erwartete, dass die Masten über Bord gehen würden. Von oben konnten wir vor lauter Rauch das Schiff nicht sehen und arbeiteten doch peinlich genau und handhabten das Beschlagzeising gleichmäßig. ‚Saubere Arbeit, ihr dort oben‘, rief Mahon von unten herauf. Versteht ihr das? Ich glaube nicht, dass einer von uns dort oben erwartete, auf die übliche Weise hinunterzukommen. Als das schließlich doch geschah, hörte ich die Leute untereinander sagen: ‚Nun, ich dachte, wir würden in einem Haufen über Bord gehen, Masten und alles durcheinander – Gott strafe mich, wenn ich das nicht dachte!‘ – ‚Gerade das habe ich mir auch gedacht‘, gab dann eine andere zerlumpte und verbundene Vogelscheuche müde zurück. Und bedenkt auch, dass das Leute waren, denen der blinde Gehorsam nicht eingedrillt war. Einem unbeteiligten Zuschauer mussten sie als eine Horde gewöhnlicher Lumpen erscheinen. Was brachte sie zu diesen Leistungen – was brachte sie dazu, mir zu gehorchen, wenn ich, im klaren Bewusstsein, wie erfreulich das war, sie die Bucht des Focksegels zweimal lösen ließ, damit sie es noch besser machten? Was? Sie hatten keine Berufsehre – keine Vorbilder – keinen Ruhm. Es war auch nicht Pflichtgefühl; sie alle wussten gut genug zu faulenzen, sich um die Arbeit zu drücken und herumzulungern, wenn es ihnen so passte – und das war meistens der Fall. Waren es die zweieinhalb Pfund im Monat, die sie dazu brachten? Sie alle hielten ihren Lohn bei weitem nicht für hoch genug. Nein, es war wohl etwas in ihnen, etwas, das ihnen angeboren und nicht umzubringen war: die Anlage zum Guten oder zum Bösen, die den Rassenunterschied ausmacht und das Schicksal der Völker bestimmt.

      In jener Nacht um zehn Uhr war es, dass wir zum ersten Mal, seit wir es bekämpften, das Feuer sahen. Die rasche Fahrt im Schlepptau hatte den glimmenden Brand hellauf angefacht. Vorne leuchtete ein blauer Schein auf, durch die Trümmer des Decks hindurch. Er blakte da und dort auf, schien zu wandern wie das Licht eines Glühwürmchens. Ich bemerkte es zuerst und teilte es Mahon mit. ‚Dann ist das Spiel aus‘, sagte der. ‚Wir sollten lieber das Schleppen sein lassen, sonst werden plötzlich vorne und achtern die Flammen hochschlagen, bevor wir uns davonmachen können!‘ Wir erhoben ein Gebrüll, läuteten Glocken, um die Aufmerksamkeit der anderen zu erregen; die schleppten weiter. Schließlich mussten Mahon und ich nach vorne kriechen und das Schlepptau mit einer Axt kappen. Es war keine Zeit mehr, die Taue loszuwerfen. Als wir uns kriechend unseren Weg zum Hüttendeck suchten, konnten wir sehen, wie rote Zungen an den Holztrümmern unter unseren Füßen leckten.

       Natürlich kamen die im Dampfer sehr bald darauf, dass das Tau los war. Die Dampfpfeife schrillte, man sah die Seitenlichter einen weiten Kreis beschreiben, dann kam der Dampfer längsseits und stoppte. Wir alle standen in einer dichten Gruppe auf der Hütte und sahen ihm zu. Jeder Mann hatte ein kleines Bündel oder einen Reisesack gerettet. Plötzlich schoss eine kegelförmige Flamme mit doppelter Spitze vorne hoch und warf ein breites Licht über die schwarze See und die zwei Schiffe, die eng nebeneinander leise rollten. Kapitän Beard war lange Stunden still und stumm auf dem Lattenrost vor dem Steuerrad gesessen, jetzt aber erhob er sich langsam und trat vor uns hin an die Besanwanten. Kapitän Nash rief: ‚Kommt herüber, eilt euch! Ich habe Postbeutel an Bord. Ich will euch und eure Boote nach Singapore mitnehmen.‘

      ‚Danke,


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