Jugend und Der Nigger vom "NARCISSUS" - Band 128e in der maritimen gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski. Joseph Conrad

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Jugend und Der Nigger vom


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der mich zum Schiff hinüberruderte, sagte: ‚Hallo! Ich dachte, Sie hätten die alte Kiste sein lassen. Die kommt nie nach Bangkok!‘ – ‚Was Sie schon davon wissen!‘ gab ich geringschätzig zurück – aber mir gefiel die Weissagung ganz und gar nicht.

      Plötzlich tauchte irgendein Agent mit Vollmacht auf. Er hatte ein rotes Trinkergesicht, eine unbändige Tatkraft und ein frohes Gemüt. Wir erwachten zu neuem Leben. Ein Hulk kam längsseits, nahm unsere Ladung ein, und dann gingen wir ins Trockendock, um den Kupferbelag abnehmen zu lassen. Kein Wunder, dass die Bark leckte! Das arme Ding hatte, in dem Sturm über alle Gebühr beansprucht, wie vor Ekel das ganze Werg aus den unteren Nähten ausgespien. Sie wurde frisch kalfatert, neu mit Kupfer beschlagen und so dicht gemacht wie eine Flasche. Wir gingen zu dem Hulk zurück und nahmen unsere Ladung wieder ein.

      Dann verließen in einer schönen Mondnacht alle Ratten das Schiff. Wir hatten eine Unzahl davon an Bord gehabt. Sie hatten unsere Segel zerfressen, mehr Vorräte verschlungen als die Besatzung, hatten liebevoll unsere Betten und unsere Gefahren mit uns geteilt, um nun, als das Schiff endlich seetüchtig gemacht war, doch auszuwandern. Ich rief Mahon, damit auch er das Schauspiel ansehe. Eine Ratte nach der anderen erschien auf unserer Reling, warf einen letzten Blick über die Schulter zurück und sprang mit einem dumpfen Aufklatschen in den leeren Hulk hinunter. Wir versuchten sie zu zählen, kamen aber bald nicht mehr nach. Mahon meinte: ‚Nun, nun, sagen Sie mir nichts von dem Verstand der Ratten! Die hätten früher auswandern sollen, als wir knapp am Untergehen waren. Da haben Sie den Beweis dafür, wie töricht der Aberglaube wegen der Ratten ist. Sie verlassen ein gutes Schiff einem alten, verfaulten Hulk zuliebe, auf dem es überdies nicht einmal etwas zu essen gibt; die dummen Viecher! ... Ich finde, sie wissen nicht besser als Sie oder ich, was gut für sie ist.‘

       Und nach einigem Hin und Her einigten wir uns darauf, dass die Weisheit der Ratten gröblich überschätzt worden und tatsächlich nicht größer als die der Menschen sei.

      Die Geschichte des Schiffes war inzwischen den ganzen Kanal entlang von Land's End bis zu den Forelands bekanntgeworden, und wir konnten an der Südküste keine Bemannung mehr zusammenbringen. Sie schickten uns eine – ganz vollzählig – von Liverpool herunter, und noch einmal gingen wir in See – nach Bangkok. Wir hatten gute Brisen und glatte See bis über den Wendekreis hinaus, und die alte JUDEA bummelte im Sonnenschein dahin. Wenn sie acht Knoten lief, dann krachte oben alles, und wir banden uns die Mützen fest; meist aber machte sie ihre drei Meilen in der Stunde. Was hätte man auch erwarten dürfen? Sie war müde – das alte Schiff. Ihre Jugend war, wo meine ist, wo eure ist, ihr Burschen, die ihr dieser Geschichte zuhört; und welcher Freund wollte euch wohl eure Jahre und eure Müdigkeit vorwerfen? Wir schalten sie nicht. Uns kam es so vor, als wären wir auf ihr geboren und aufgezogen, hätten jahrzehntelang auf ihr gelebt und nie ein anderes Schiff gekannt. Ebenso gut hätte ich unserer alten Dorfkirche daheim vorwerfen können, sie sei keine Kathedrale.

      Und in meinem besonderen Fall half auch noch meine Jugend zur Geduld. Der ganze Osten lag vor mir, und das ganze Leben; dazu der Gedanke, dass ich auf diesem Schiffe auf die Probe gestellt worden war und die Probe gut bestanden hatte. Und ich gedachte der Männer alter Zeit, die vor Jahrhunderten, in Schiffen, die kaum besser segelten, den gleichen Weg gezogen waren, ins Land der Palmen, der Gewürze und des gelben Sands, der braunen Völkerschaften unter der Herrschaft von Königen, grausamer als Roms Nero und prachtliebender als Salomo. Die alte Bark bummelte weiter und trug schwer an ihrem Alter und ihrer Ladung, während ich jugendlich unwissend und hoffnungsfroh dahinlebte. Sie stolperte während einer endlosen Reihe von Tagen dahin; und die frische Vergoldung strahlte den Abendsonnenschein wider, schien über die dunkelnde See die Worte hinauszurufen, die auf dem Heck geschrieben standen: ‚JUDEA, London. Halt aus oder stirb!‘

      Dann kamen wir in den Indischen Ozean und hielten nördlich, auf die Spitze von Java zu. Die Winde blieben leicht. Die Wochen glitten dahin. Die Bark schlich ihren Weg, halt aus oder stirb, und die Leute daheim begannen daran zu denken, uns als überfällig anzumelden.

       Eines Samstagabends, als ich eben dienstfrei war, baten mich die Leute, ihnen eine Extraration Wasser auszugeben, damit sie ihre Sachen waschen könnten. Da ich so spät nicht mehr die Frischwasserpumpe anschrauben wollte, ging ich pfeifend nach vorne, einen Schlüssel in der Hand, um die Vorderstevenluke aufzusperren und das Wasser aus einem Reservetank auszugeben, den wir dort aufbewahrten.

      Der Geruch da unten war so unerwartet wie beängstigend. Man hätte glauben können, dass Hunderte von Petroleumlampen in dem Loche tagelang gerußt und geraucht hätten. Ich war froh, als ich wieder draußen war. Der Mann neben mir hustete und sagte: ‚Komischer Geruch, Sir.‘ Ich gab nachlässig zurück: ‚Das soll recht gesund sein, sagt man‘, und ging nach achtern.

      Als nächstes steckte ich meinen Kopf in die Öffnung des Ventilators mittschiffs. Als ich den Deckel lüftete, stieg etwas wie ein sichtbarer Hauch, wie ein dünner Nebel, eine kleine Hitzewelle aus der Öffnung auf. Der Luftzug war heiß und brachte schweren, rußigen, öligen Geruch mit. Ich zog ihn einmal ein und machte dann den Deckel leise wieder zu. Es hatte wenig Sinn, mich dem Ersticken auszusetzen. Die Ladung hatte Feuer gefangen.

      Am nächsten Tag begann die Bark ernstlich zu rauchen. Es war allerdings zu erwarten gewesen; denn wenn auch die Kohle von einwandfreier Art gewesen war, so war doch mit der Ladung so herumgewirtschaftet worden, dass das Zeug nun weit eher wie Schmiedekohle aussah. Dann war auch öfter als einmal Wasser darauf gekommen. Die ganze Zeit über, als wir sie aus dem Hulk wieder übernahmen, hatte es geregnet, jetzt während der langen Überfahrt hatte sich die Kohle erhitzt, und so war also die Selbstentzündung zustande gekommen.

      Der Kapitän rief uns in die Kabine. Er hatte eine Karte vor sich auf dem Tische ausgebreitet und sah unglücklich aus. Er sagte: ‚Die Küste von Westaustralien ist nahe, ich beabsichtige aber, weiter auf unseren Bestimmungsort zuzuhalten. Allerdings haben wir überdies noch den Orkanmonat; aber wir wollen doch einfach auf Bangkok zu und das Feuer bekämpfen. Kein Zurück mehr, um keinen Preis, und sollten wir alle geröstet werden! Zuerst einmal wollen wir versuchen, den verteufelten Brand zu ersticken, indem wir ihm die Luftzufuhr abschneiden!‘

       Das versuchten wir. Wir verschalkten jedes kleinste Loch, und doch rauchte die Bark weiter. Der Rauch kam durch unmerkliche Ritzen heraus, zwängte sich durch Schotte und Deckel, wehte da und dort in dünnen Fäden herum oder als ein kaum sichtbarer, unheimlicher Glast. Er fand seinen Weg in die Kajüte, ins Vorderkastell, verpestete alle Winkel auf Deck und war sogar noch oben auf der Großrahe zu spüren. Es war klar, dass, wenn der Rauch herauskam, die Luft auch hineinkommen musste. Und das brachte uns fast zur Verzweiflung. Der Brand ließ sich nicht ersticken.

      Wir beschlossen, es mit Wasser zu versuchen und machten die Luken auf. Ungeheure Rauchwolken, weiß und gelb, dick, schmierig, erstickend, stiegen bis zum Flaggenknopf auf. Alle Mann verzogen sich nach achtern. Dann verwehte die giftige Wolke, und wir machten uns wieder an die Arbeit, in einem Rauch, der nicht dicker war, als der eines gewöhnlichen Fabrikschornsteins.

      Wir stellten die Druckpumpe zu, legten den Schlauch aus – und er platzte. Nun, er war so alt wie das Schiff, ein prähistorischer Schlauch; an eine Ausbesserung war nicht zu denken. So pumpten wir also mit der schwachen Bugpumpe, zogen Wasser in Eimern herauf, und brachten es so mit der Zeit fertig, ein gut Teil des Indischen Ozeans in die Großluke hineinzuschütten. Der breite Strom glitzerte im Sonnenschein, stürzte sich auf eine niedrig kriechende, weiße Rauchwolke und verschwand unter der schwarzen Oberfläche der Kohle. Dampf wallte auf und mischte sich mit dem Rauch. Wir schütteten Salzwasser hinein, wie in ein Fass ohne Boden. Es war unser Schicksal auf diesem Schiff, zu pumpen, herauszupumpen, hineinzupumpen; – nachdem wir mit allen Kräften das Wasser aus ihr herausgebracht hatten, um uns vor dem Ertrinken zu retten, schütteten wir es nun wieder mit allen Kräften hinein, um nicht zu verbrennen.

       Und sie schlich weiter, halt aus oder stirb, durch das klare Wetter. Der Himmel war wunderbar rein und blau. Die See lag glatt blau, durchsichtig, glitzernd wie ein Edelstein, dehnte sich weit nach allen Seiten, rings um den Horizont, so, als wäre die ganze Erdkugel ein Juwel, ein ungeheurer Saphir, ein einziges Kleinod, zu einem Planeten umgeschliffen. Und auf dem endlosen, ruhenden Wasserspiegel glitt die JUDEA unmerklich dahin, eingehüllt in träge, böse Dämpfe, in eine Wolke, die


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