Sinnvoll zu betrachten. Geshe Kelsang Gyatso
Читать онлайн книгу.des Vierzehnten Dalai Lama
Danksagung der englischen Ausgabe
Ursprünglich gab der Ehrwürdige Geshe Kelsang Gyatso Rinpoche die Unterweisungen, die in diesem Buch enthalten sind, als eine Reihe von Unterweisungen für seine Schüler am Manjushri Mahayana Buddhist Centre in Ulverston, England. Im Jahre 1977 kommentierte Geshe Kelsang mehr als drei Monate lang Vers für Vers Shantidevas Meisterwerk aus dem achten Jahrhundert, den Leitfaden für die Lebensweise eines Bodhisattvas, einen der berühmtesten und wichtigsten Texte des Mahayana-Buddhismus.
Aus tiefstem Herzen danken wir dem Autor, dem Ehrwürdigen Geshe Kelsang Gyatso, für seine unermeßliche Güte, dieses Buch verfaßt zu haben. Während der gesamten Vorbereitung dieses Buches hat Geshe Kelsang durch sein Mitgefühl, seine Weisheit und seine unerschöpfliche Geduld gezeigt, daß der Bodhisattva-Pfad zur Erleuchtung auch 1200 Jahre nach Shantideva und 2500 Jahre nach Buddha Shakyamunis Tod immer noch beschritten wird. Es gibt keinen besseren Beweis für den ungeheuren Wert der Lebensweise eines Bodhisattvas als das lebende Beispiel eines verwirklichten Meisters, wie er es ist.
Großer Dank geht an Tenzin Phunrabpa, den Übersetzer, an Jon Marshall, der das ursprüngliche Manuskript niederschrieb, und an die vielen Mitglieder des Manjushri Centres, die das Manuskript abgeschrieben und für die Veröffentlichung vorbereitet haben. Besonderer Dank geht an Jonathan Landaw, der bei der endgültigen Redaktion des Buches eng mit dem Autor zusammenarbeitete.
Geshe Kelsang folgte mit seinem mündlichen Kommentar der tibetischen Standardausgabe von Shantidevas Urtext. Er umschrieb die Originalverse und fügte Klarstellungen, Beispiele, Geschichten und wenn nötig auch weitere erläuternde Bemerkungen hinzu. Der gesamte Kommentar wurde gemäß Geshe Kelsangs eigener Textübersicht gestaltet, die der Reihe nach in diesem Buch präsentiert wird.
In dieser vierten Ausgabe wurden im einleitenden Teil und im Anhang einige Änderungen vorgenommen, um das Buch neueren Veröffentlichungen Geshe Kelsangs anzupassen. Die Anmerkungen wurden durch ein Glossar ersetzt, das unter der mitfühlenden Leitung des Autors zusammengestellt wurde. Der Hauptteil des Textes blieb ohne Veränderung. Die Nummern in eckigen Klammern verweisen auf die Versnummern in Shantidevas Urtext Leitfaden für die Lebensweise eines Bodhisattvas.
Roy Tyson,
Administrativer Direktor,
Manjushri Mahayana Buddhist Centre,
Februar 1994
Vorwort des deutschen Herausgebers
Das vorliegende Buch bietet den deutschsprachigen Leserinnen und Lesern zum ersten Mal die Möglichkeit, einen vollständigen Kommentar zum wohl wichtigsten Werk des Mahayana-Buddhismus, Shantidevas epochalem Werk Bodhisattvacharyavatara (dt. Die Lebensweise eines Bodhisattvas) zu erhalten. Durch das Werk von Geshe Kelsang Gyatso können wir ein tiefgründiges Verständnis des gesamten Bodhisattva-Pfades gewinnen, der zur vollständigen Erleuchtung eines Buddhas führt. Wir können das Tor zur authentischen Praxis eines Bodhisattvas öffnen, der Praxis, mit der wir für uns selbst und für andere das höchste Glück erlangen können. Die Veröffentlichung dieses Werkes ist ein weiterer Meilenstein in unserem Bemühen, buddhistische Weisheit und Praxis in eine für den Westen angemessene Form zu bringen.
Wir danken allen Schülern Geshe Kelsang Gyatsos, die an der Herausgabe dieses Buches beteiligt waren. Ganz besonders danken wir dem Übersetzer Kelsang Nyima, den Redakteuren Kelsang Ananda und Andrea Schumacher sowie Roy Zimmermann für die Gestaltung.
Kadam Björn Clausen,
Reto Bühler,
Tharpa Verlag Zürich,
September 2000
Einleitung
Der vorliegende Text ist ein Kommentar zu Shantidevas Leitfaden für die Lebensweise eines Bodhisattvas (Skrt. Bodhisattvacharyavatara). Der Kommentar hat drei Teile:
1. Die herausragenden Qualitäten des Autors
2. Eine Einleitung zum Text
3. Die eigentliche Erklärung des Textes
DIE HERAUSRAGENDEN QUALITÄTEN DES AUTORS
Es ist üblich, daß zu Beginn von Kommentaren wie diesem eine Biographie des Autors, in diesem Fall des großen indischen Pandits Shantideva (687-763 n. Chr.), angeführt wird. Die nachfolgende kurze Zusammenfassung seiner Lebensgeschichte stammt aus traditionellen Quellen.
Shantideva wurde als Kronprinz einer königlichen Familie in Gujarat, einem Königreich in Westindien, geboren. Sein Vater war König Kushalavarmana (Rüstung der Tugend), und seine Mutter wurde als Ausstrahlung der tantrischen Gottheit Vajrayogini angesehen. Bei seiner Geburt bekam der Prinz den Namen Shantivarmana (Rüstung des Friedens).
Schon als sehr kleiner Junge zeigte Shantivarmana große Fähigkeiten in spirituellen Belangen, und im Alter von sieben Jahren war er bereits sehr bewandert in der inneren Wissenschaft der Religion. Sein wichtigster Lehrer zu jener Zeit war ein Yogi, der die durchdringende Weisheit so vollkommen realisiert hatte, daß es hieß, er sei mit Manjushri eins geworden. Manjushri ist die persönliche Gottheit, die die Weisheit aller erleuchteten Wesen verkörpert. Als Shantivarmana selbst ein Meditations-Retreat durchführte, empfing auch er eine direkte Vision von Manjushri und viele glückverheißende Zeichen.
Kurz danach starb König Kushalavarmana, und Shantivarmana sollte den Thron erben. In der Nacht vor der geplanten Krönung aber erschien ihm Manjushri in einem Traum. Er sagte zu dem Prinzen, daß er seinem Königreich entsagen und ein enthaltsamer Mönch werden solle. Shantivarmana floh sofort, nachdem er aufgewacht war, aus dem Palast, und verschwand im Wald, um zu meditieren. Einmal mehr hatte er eine Vision Manjushris, der ihm ein symbolisches hölzernes Schwert überreichte. Als er das Schwert annahm, erlangte er acht perfekte Realisationen. Dann reiste er zur großen Klosteruniversität von Nalanda, wo er vom Abt Jayadeva (Gott des Sieges) ordiniert wurde und den Ordinationsnamen Shantideva (Gott des Friedens) erhielt.
In Nalanda konnte Shantideva in seiner spirituellen Entwicklung schnell Fortschritte erzielen. Der Grund dafür war in erster Linie seine Praxis der tiefgründigen und anspruchsvollen Methoden des Tantras. Da er aber alle Übungen geheim und in der Nacht ausführte und sich am Tag ausruhte, schien es, als ob er nur drei Dinge täte: Essen, Schlafen und auf die Toilette gehen. Aus diesem Grund nannten ihn die anderen Mönche sarkastisch «Die drei Realisationen». Da sie ihn für einen sehr verantwortungslosen Mönch hielten, der eine Schande für ihre vornehme Universität war, schmiedeten sie einen Plan, um ihn loszuwerden. Da sie irrtümlicherweise annahmen, daß seine meditativen Fähigkeiten und sein Verständnis der Schriften sehr mangelhaft seien, arrangierten sie einen Vortrag, den Shantideva vor der ganzen Universität halten sollte. Sie dachten sich, daß seine Unwissenheit bloßgestellt und er dadurch so gedemütigt werden würde, daß er aus Scham die Universität verlassen müßte.
Am Tag der geplanten öffentlichen Erniedrigung bestieg Shantideva den Thron und gab zur Verblüffung der Anwesenden eine Abhandlung, die, nachdem sie niedergeschrieben worden war, unter dem Namen Leitfaden für die Lebensweise eines Bodhisattvas (Skrt. Bodhisattvacharyavatara) bekannt wurde. Sie gilt auch heute noch als die beste jemals verfaßte Anweisung, wie man ein Bodhisattva wird - ein Wesen, das die volle Erleuchtung zum Wohle aller anstrebt. Als er das neunte Kapitel erläuterte, das von der Weisheit handelt, die die wahre Natur der Wirklichkeit festhält, sagte er: «Alles ist wie Raum.» Dann begann er sich in den Himmel zu erheben und flog immer höher und höher hinauf, bis man ihn nicht mehr sah. Seine Stimme konnte man aber trotzdem noch klar hören. Auf diese wundersame Weise wurden der Rest des neunten Kapitels und das ganze zehnte Kapitel vorgetragen.
Da Shantideva nicht nach Nalanda zurückzukehren