Sinnvoll zu betrachten. Geshe Kelsang Gyatso
Читать онлайн книгу.jemandem, der Bodhichitta erzeugt hat - zu verbeugen oder ihm seine Verehrung zu erweisen, als sich vor einem Buddha zu verbeugen. Er erklärte dies am Beispiel des zunehmenden Mondes. Wenn man sich vor dem Neumond verbeugt, ist es dasselbe, als würde man sich vor jeder Phase des Mondes zwischen Neu- und Vollmond verbeugen. Weshalb? Weil wir dadurch, daß wir einer Ursache Verehrung erweisen, indirekt auch jeder der nachfolgenden Auswirkungen Respekt zollen. Wenn wir uns also vor einem Bodhisattva verbeugen, erweisen wir implizit allen zukünftigen Entwicklungsstufen bis einschließlich der Erlangung der Buddhaschaft unsere Verehrung. Aus diesen Gründen ist Bodhichitta sehr kostbar, und jede Person, die diesen Geist entwickelt, verdient Verehrung.
Der große indische Pandit Atisha hatte viele Lehrer, und von ihnen bekam er viele Unterweisungen über die Entwicklung von Bodhichitta. Aber diese genügten ihm nicht, und deshalb unternahm er eine gefährliche Reise nach dem heutigen Indonesien, um Unterweisungen vom berühmten Meister Serlingpa (Suvarnadvipa) zu erhalten. Die beschwerliche Reise dauerte dreizehn Monate lang, aber von diesem Meister konnte Atisha fehlerlose und vollständige Anweisungen über die Methode zur Entwicklung des Erleuchtungsgeistes erhalten.
Obwohl Atisha mehr als 150 Lehrer hatte, bezeichnete er Serlingpa als seinen Wurzel-Guru. Selbst viele Jahre später als er in Tibet war, stand er sofort von seinem Sitz auf und machte Verbeugungen, wenn er auch nur den Namen seines Wurzel-Gurus hörte. Die Tibeter bemerkten, daß er dies für keinen anderen seiner Lehrer tat, und fragten ihn nach dem Grund. Er antwortete, daß er durch die Anweisungen, die er von Meister Serlingpa erhalten habe, erkannt hätte, wie der kostbare Bodhichitta entwickelt werde. Für Atisha, der großes Wissen besaß, war Bodhichitta erhaben. Deshalb verehrte er Serlingpa mehr als alle seine anderen Lehrer.
UMWANDLUNG DES MINDERWERTIGEN ZUM HOCHWERTIGEN
[10] Die Alchimisten behaupten, daß es ein besonderes Elixier gebe, das die Kraft besitze, gewöhnliche Metalle in Gold umzuwandeln. Wenn wir Bodhichitta entwickeln und praktizieren, wird unser unreiner menschlicher Körper auf ähnliche Weise in das unbezahlbare und beispiellose Juwel eines heiligen Buddha-Körpers umgewandelt.
Über diesen Punkt meditieren wir auf folgende Weise: Zuerst denken wir immer wieder über die Unreinheit des menschlichen Körpers nach und stellen fest, wie wenig erstrebenswert es ist, ständig in solch grober und unreiner Form wiedergeboren zu werden. Wir sollten jede Art von Begehren, das wir für diesen gewöhnlichen menschlichen Körper haben, aufgeben und statt dessen an die Kostbarkeit des transzendenten Buddha-Körpers denken. Wir müssen den starken Wunsch entwickeln, diese heilige Form zu erlangen, und wir müssen uns überlegen, durch welche Ursachen wir ihn erlangen. Wenn wir immer wieder darüber nachdenken, werden wir erkennen, daß diese Form nur durch die Kraft des Bodhichittas erlangt werden kann. Mit diesem Verständnis sollten wir die starke Absicht erzeugen, Bodhichitta zu entwickeln, und sie dann achtsam bewahren.
DER GROSSE WERT VON BODHICHITTA, SO SCHWIERIG ZU FINDEN
[11] Von allen Juwelen ist das berühmte wunscherfüllende Juwel das seltenste, kostbarste und wichtigste, da es die Armut aller Lebewesen beseitigen kann. Auf ähnliche Weise ist Bodhichitta unter allen Formen von Tugend die seltenste und kostbarste, weil nur er die Armut derjenigen beseitigen kann, die arm an Tugend sind. Wer sich von den Leiden Samsaras befreien will, sollte den kostbaren Bodhichitta entwickeln und bewahren.
Ein geschickter Fährmann bringt Handelsleute vom Festland zu einer Juweleninsel. Buddha gleicht einem Fährmann, der den Geist von allumfassendem Mitgefühl und Methode besitzt. Dieser Geist ist das Boot des Bodhichittas, und darin bringt er alle fühlenden Wesen über den Ozean des Leidens zur Juweleninsel der Erleuchtung. Durch gründliche Untersuchung werden wir klar erkennen, daß das Boot des Bodhichittas die erhabenste und seltenste aller Methoden ist, endgültiges Glück zu erlangen.
DIE UNERSCHÖPFLICHEN UND SICH VERMEHRENDEN FRÜCHTE DES BODHICHITTAS
[12] Andere Tugenden sind im Vergleich zu Bodhichitta wie ein Bananenbaum, dessen Früchte begrenzt und schnell verbraucht sind. Nehmen wir zum Beispiel eine Person, die aufgrund ihrer in einem früheren Leben ausgeführten Praxis des Gebens sehr wohlhabend wird. Die Früchte dieser Tugend werden nach und nach aufgebraucht, und wenn dieser Reichtum verbraucht ist, bleibt nichts mehr übrig.
Im Gegensatz dazu sind die tugendhaften Früchte vom himmlischen Baum des Bodhichittas unerschöpflich. Sie sind wie ein Wassertropfen, der in einen weiten Ozean fällt und deshalb nicht verloren geht, bis der Ozean selbst nicht mehr da ist. Auch wenn unsere Tugenden im allgemeinen recht schwach sein mögen: sind sie durch Bodhichitta motiviert, werden ihre Früchte bis zur Erlangung der vollen Erleuchtung nicht mehr verbraucht. Weshalb sind die Resultate solcher Handlungen grenzenlos? Es gibt zwei Gründe: (1) Da die Zahl der fühlenden Wesen, denen ein Bodhisattva hilft, unbegrenzt ist, sind auch die Verdienste grenzenlos, die aus Handlungen entstehen, die zu ihrem Wohl begangen werden. (2) Da alle diese Verdienste ausschließlich der eigenen Erlangung der Erleuchtung gewidmet sind, werden sie nicht verbraucht, bis diese Erleuchtung erreicht ist.
Es heißt, daß die Verdienste unerschöpflich sind, wenn man auch nur ein klein wenig zu essen an nur einen Bettler gibt, sofern es mit der erleuchteten Motivation des Bodhichittas getan wird. Wenn uns diese Motivation fehlt, dann können wir noch so viel Gold oder Silber an noch so viele Menschen verschenken. Die Früchte solcher tugendhafter Handlungen sind begrenzt und werden sich bald erschöpfen. Wenn wir verstehen, wie reichlich die Früchte der Handlungen sind, die aus dem Geist des kostbaren Bodhichittas entstehen, dann werden wir erkennen, daß es nichts Wichtigeres gibt, als danach zu streben, diesen Erleuchtungsgeist zu erlangen.
DIE KRAFT DES SCHUTZES VOR GROSSER ANGST
[13] Ein Mann, der durch ein Gebiet reist, wo Räuber oder wilde Tiere lauern, wird große Angst haben. Wenn er sich aber dem Schutz eines mutigen Führers anvertraut, wird er seine Ängste sofort verlieren. Da wir in der Vergangenheit zahlreiche sehr schädliche und schlechte Handlungen begangen haben, sind wir Menschen auf ganz ähnliche Weise der Gefahr ausgesetzt, in einem der drei niederen Bereiche wiedergeboren zu werden - als Höllenwesen, als Hungriger Geist oder als Tier. Auch als Mensch fürchten wir Geburt, Krankheit, Verlust, Gewalt, Altern, Tod und die anderen schmerzhaften Auswirkungen unserer negativen, nichttugendhaften Handlungen. Was besitzt die Kraft, uns von diesen Ängsten zu befreien? Nur der kostbare Bodhichitta. Weshalb bemühen sich also diejenigen nicht, die wachsam und weise sind, diesen kostbaren Geist zu entwickeln?
DIE SCHNELLE UND LEICHTE ZERSTÖRUNG GROSSEN ÜBELS
[14ab] Die Welt, in der wir leben, unterliegt großen Zyklen von Geburt und Verfall. Am Ende dieses gegenwärtigen großen Äons wird unser Universum von einem Feuer vollständig zerstört werden, so daß nicht einmal seine Asche zurückbleibt. Dieses alles vernichtende Feuer unterscheidet sich völlig vom gewöhnlichen Feuer dieser Welt und ist viele tausendmal stärker. Wenn wir den kostbaren Bodhichitta entwickeln, wird das Feuer dieses Geistes ähnlich intensiv sein und ausreichen, um das gesamte und unermeßliche Übel, das wir bisher angesammelt haben, sofort zu vernichten.
SCHRIFTZITATE ÜBER DEN NUTZEN VON BODHICHITTA
[14cd] Im Sutra der aufgereihten Stiele (Skrt. Gandhavyuhasutra) erklärt Buddha Maitreya dem Bodhisattva Sudhana den umfangreichen Nutzen von Bodhichitta. Am Schluß des vierzehnten Verses rät deshalb Shantideva denjenigen, die über die vielen Vorteile Bescheid wissen wollen, in jener berühmten Mahayana-Schrift nachzusehen.
Wenn wir uns tatsächlich mit der Entwicklung von Bodhichitta beschäftigen wollen, brauchen wir starke Inspiration, und diese kann nur dadurch entstehen, daß wir über den großen Nutzen dieses Erleuchtungsgeistes nachdenken. Würden wir einen König kennen, der große Reichtümer, Macht und Wissen besitzt, dann würden wir vielleicht denken: «Wie wunderbar wäre es, wenn ich sein könnte wie er!» Solch ein Wunsch entsteht nur, weil wir die guten Qualitäten gesehen haben, die der König besitzt. Aus diesem Grund möchten wir ihm nacheifern. Genauso müssen wir zuerst die guten Qualitäten des