Allah ist unsichtbar. Martina Dr. Schäfer

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Allah ist unsichtbar - Martina Dr. Schäfer


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heranziehendes Reden über IHN und diese Welt (DN).

      Wie auch immer – ob Kulminationspunkt seines/ihres[180] Schaffens oder Mittel­punkt, um welchen alle anderen Schriften kreisen: Die MT ist wohl, nicht nur für mich sondern auch für andere Leute, der tiefere Grund, warum man sich mit Dionysius Areopagites CD befasst. Sie ist Geheimnis und Poesie zugleich – sie ist SCHÖN.[181]

      Warum der Text der MT «kurz» sein muss, erläutert Dionysius Areopagites im Kapitel III: «Denn je mehr wir zum Höheren hinstreben, umso mehr ersterben uns die Worte unter der zusammenfassenden Schau des nur geistig Erfassbaren. So werden wir auch jetzt, da wir in das Dunkel eintauchen, welches höher ist als unsere Vernunft, nicht (nur) in Wortkargheit, sondern in völlige Wortlosigkeit und ein Nichtwissen verfallen.»[182]

      Positive Theologie führt zu einer Vermehrung der Worte, der Beschreibungen und Vergleiche dessen, was «Gott» sein könnte – von einem über «99» bis hin zu unendlich vielen Namen, Worten und Bezeichnungen. «Jetzt aber steigt sie von unten her zum Transzendenten empor, und je weiter sie nach oben gelangt, um so mehr verringert sich ihr Umfang; ist das Ende jeden Aufstiegs erreicht, wird unsere Rede vollends verstummen und mit dem ganz einswerden, der unaussprechlich ist.»[183]

      Der umgekehrte Weg der negativen Theologie, welcher im von Gott am weites­ten entfernten Bereich, dem der sinnlich erfahrbaren Welt oder der moralischen Abgründigkeit mit seinen Feststellungen, was Gott alles nicht ist, beginnt, nimmt immer mehr ab … das Sprechen wird zum Schweigen, der Text zum leeren Raum.[184]

      Zum Vergleich möchte ich hier den Zitaten in Prosaform aus der Übersetzung von Adolf M. RITTER die poetischen Varianten aus SUDBRACK hinzufügen:[185]

      «Und so werden wir jetzt,

      wenn wir uns über den Geist hinaus

      ins Dunkel hineinversenken,

      nicht Wortknappheit finden,

      sondern ganz und gar Unwortbarkeit und Undenkbarkeit. …

      Jetzt aber, vom Untersten zum Höheren aufsteigend,

      verdichtet es sich im Masse des Aufstiegs

      und wird ganz und gar geeint mit dem Unaussprechbaren.»

      Man kann hier unschwer erkennen, dass Poesie «verdichten» meint, ganz banal: Verkürzen des Textes – Inhalt und Form stimmen nun überein.

      In den letzten beiden Kapiteln der MT demonstriert Dionysius Areopagites, dass apophatische Theologie nun nicht einfach platte Verneinung jeglicher Aussage ist – dann wäre sie ja letztlich doch positive, beschreibende Theologie, sondern dass sich das Ungreifbare, das Überunaussprechliche letztlich in Paradoxien auflösen muss, die selber wieder eine paradoxe Auflösung ihrer selbst darstellen, wie z.B.[186] «Sie ist weder mit Finsternis noch mit Licht gleichzusetzen, weder mit Irrtum noch mit Wahrheit. Man kann ihr überhaupt weder etwas zusprechen noch absprechen. Wenn wir vielmehr bezüglich dessen, was ihr nachgeordnet ist, bejahende oder verneinende Aussagen machen, dann ist es nicht etwa sie selbst, die wir bejahen oder verneinen. Denn sie, die allvollendende, einzige Ursache aller Dinge, ist ebenso jeder Bejahung überlegen, wie keine Verneinung an sie heranreicht, sie, die jeder Begrenzung schlechthin enthoben ist und alles übersteigt.»

      Und die poetische Variante bei SUDBRACK:[187]

      «– weder ist ER Dunkelheit,

      noch Licht,

      weder Irrtum,

      noch Wahrheit.

      Keine Bejahung überhaupt

      Und keine Verneinung mittels dessen,

      was unter IHM liegt,

      trifft IHN,

      oder sagt etwas,

      was ER nicht ist.

      Denn ER ist über jeder Bejahung

      Als der völlig eines-seiende Urgrund von allem,

      und über jeder Verneinung,

      als Erhabenheit des von allem völlig Gelösten,

      die alles überragt.»

      Dieser letzte Teil der MT ist nicht nur Hymnus, er ist Apotheose schlechthin, was in der poetischen Variante deutlich zu spüren ist.

      Dieser Text war ein Stolperstein für fromme Gemüter aller Art. Grenzte das nicht an Häresie, so z.B. Zeitgenossen von Dionysius Areopagites, diese Auflösung der Trinität, ans Zerschlagen christlicher Grundannahmen und Gedankeninhalte schlechthin?[188] Der, der da auch sonst so auffallend wenig über Jesus Christus schrieb, lieferte er hier nicht den Beweis seines platonischen Heidentums?[189]

      Mir persönlich wird es sowohl bei den Vorwürfen eines angeblichen «nicht christ­lichen Pantheismus»[190] Dionysius Areopagites unbehaglich als auch bei einer allzu starken christlichen Vereinnahmung.[191] Genau so wie bei all den Vorwürfen, er sei ein «Fälscher», «Betrüger» oder «Plagiator» gewesen.[192]

      Berührt Dionysius Areopagites mit seiner Art des Schreibens nicht eher eine Art Urschicht religiösen Erlebens schlechthin, wie sie, zumindest in den fünf grossen Weltreligionen immer wieder auftaucht und ausgedrückt wird? Ganz jenseits von Mono- oder Polytheismen, jenseits aller textlich-mythologischer Grunderzählun­gen wie gemeinsamer Urväter (Abraham), Schöpfungsgeschichte, inkarnierter Gottessohnschaft oder reinkarnierter Bodhisattvagestalten?[193]

      Die Vorstellung einer allem jenseits gelegenen Transzendenz, mit der Gläubige sich sogar mit vielen «Anders- und Ungläubigen» in einem Boot sitzend wieder finden könnten, denn was viele Areligiöse, Nichtgläubige ablehnen, ist ja nicht dieses Grundgefühl einer transzendentalen Entität (das Überunaussprechliche), sondern eher solch schrecklich realistische (an die Sinne gebundene) (Götter-) Bilder derselben.[194]

      Gereifte Gläubigkeit oder «spirituelle Intelligenz», wie ich es weiter oben in die­ser Arbeit einmal ausdrückte, versteht Dionysius Areopagites jedoch als eine, welche kataphatische, symbolische und apophatische Gläubigkeit miteinander vereint.[195]

      Dionysius Areopagites verwendet in seinem CD sowohl hoch philosophische, komplizierte Ausdrucksweisen wie in der MT als auch einen eher einfacheren, beschreibenden Stil wie z.B. in Teilen seiner Hierarchienlehre oder eben auch in seinen Briefen.

      Die Briefe Dionysius Areopagites kann man grob in 5 Gruppen teilen:

      1) Die Briefe I–V behandeln Fragen, die sich im Anschluss an seine apophatische Theologie ergeben.

      2) Den Briefen VI und VII schreibt man gerne das Anliegen des respektvollen Umgangs mit anderen Religionen oder Weltanschauungen, der Irenik im Verhältnis zwischen Christen und Heiden zu.[196]

      3) Brief VIII ist in meinen Augen eine wunderbar rasante Philippika gegen fanatisches, unversöhnliches Verhalten, welches sogar in eine aggressive Kompetenzüberschreitung ausartet.

      4) Brief IX beschäftigt sich noch einmal mit Deutungen, die sich aus symbolischer (positiver) Theologie ergeben und

      5) Brief X scheint mir – verkleidet in einen sehr freundschaftlich-warmen Brief – schlussendlich eine Utopie der Befreiung auszudrücken, symbolisch beschrieben im Wunsch nach der Befreiung des Johannes aus seiner Verbannung: Du wirst aus dem Gefängnis auf Patmos befreit werden und nach Kleinasien zurückkehren. Und dort wird dein Handeln die Werke des guten Gottes nachahmen, und Du wirst es denen überliefern, die nach Dir kommen.[197]

      Zu 1)

       So findet sich auch in den Briefen III und IV eine der ausführlicheren Stellung­nahmen zur Rolle Jesus Christus,[198] der – selbst wenn er als Mensch sichtbar wurde – letztlich immer noch Anteile des geheimnisvollen «Verborgenen» hat.[199]


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