"dein Gott, ist drinnen bei dir" (Zefanja 3,17) Spirituelle Profile. Markus Roentgen
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Leben
Geboren um 1266 in Duns (Schottland); 1291 ordiniert in den Franziskanerorden als Priester; gestorben nach Lern- und Lehr-Stationen in Cambridge, Oxford und Paris am 8. November 1308 in Köln; begraben in der Minoritenkirche, in der auch Adolph Kolping begraben ist.
Begründer der Denkrichtung des Scotismus, in welcher subtil Lehren des Aristoteles und des Augustinus und der Franziskanerspiritualität verbunden sind; deshalb „doctor subtilis“ genannt. Er misstraute allen unbefragten Autoritäten, und prüfte, subtil, alle Argumente mittels kritischer Vernunft.
Er wertet Glauben, Wille und Wollen, Liebe und Lieben höher als Wissen und Vernunft; trennt als einer der ersten stärker zwischen Philosophie und Theologie. Am 20. März 1993 wird er feierlich von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen, nachdem die Seligsprechung durch päpstliches Dekret bereits 1991 anerkannt wurde für die gesamte römisch-katholische Kirche, er jedoch lokal und im Orden schon viele Jahrhunderte lang Verehrung erfahren hatte. Es gibt ein Scotus-Relief (aus dem Domjubiläumsjahr 1948) am Südportal des Kölner Domes, geschaffen von Ewald Mataré, das im Rahmen der Darstellungen der 7 Gaben des Heiligen Geistes ihm den Verstand zuweist.
Wilhelm von Vaurillion fasst sein Leben um 1430 in Kürze wohl geformt zusammen: „Am Anfang hat Schottland dich geboren, später hat England dich gelehrt, wo du als erstes über das Sentenzenbuch gelesen hast, dann hat Frankreich dich erneut aufgenommen, doch bewahrt dich im Grab Köln.“
Sein Werk (in der Hauptsache Kommentare zu den Sentenzen des Petrus Lombardus, zu Aristoteles, zur Logik und Metaphysik), ist vielfach unabgeschlossenes Fragment, wird erst seit 1950 kritisch und systematisch ediert.
Werk und Denken
Vorgestellt werden soll ein Kerngedanke des Duns Scotus, der weit reichende Folgen hat, auch für den Kern von Spiritualität: Die Entdeckung des Willens, der, im Gegensatz zu Thomas von Aquin, als maßgeblicher erachtet wird als die Vernunfterkenntnis. Daraus erschließt sich eine Hochwertung menschlicher Freiheit und Notwendigkeit und darin eine Bejahung unserer Kontingenz (Endlichkeit und Sterblichkeit), die in der Denkgeschichte bis zu Scotus und weit darüber hinaus einzigartig ist. Sie ist auch franziskanisches Erbe.44
44 Vgl. den Sonnengesang des Franziskus und das ihm zugeschriebene „Von der vollkommenen Freude“.
Unseren Willen, unser Wollen denkt Scotus elementarer, weiter und transzendenter als alles, was Vernunfterkenntnis leisten kann. „Den Kern seines Denkens wie auch seiner Frömmigkeit bildet die feste Überzeugung, daß in den Fragen bezüglich unseres Endes und unseres ewigen Fortlebens die gelehrtesten und klügsten Leute durch die natürliche Vernunft so gut wie nichts erkennen können. (Denn) für die Ungläubigen zeigt die rechte Vernunft, wie sie sich selbst erscheint, daß das natürliche Verhältnis die Sterblichkeit des Leibes wie der Seele sei.“ (Arendt/ Scotus S. 358) Vernunfterkenntnis findet im radikalen Nichtwissen ihren je größeren Meister. „Der Verstand…ist dienende Ursache des Willens“ (Intellectus…est causa subserviens voluntatis“). (Arendt/Scotus S. 356).
Unser freies Wollen jedoch kann den Bereich der Erfahrung, des Vernunftmöglichen weit übersteigen. Wir sind schonungslos Zeit, Sterblichkeit und dies radikal; jedoch es gibt dieses Unendliche, dieses Unbedingte und Übersteigende im Wollen, es gibt im Willen des Möglichen und Menschenunmöglichen dieses Wunder des über und über alle dem, was ist und Verstandesleistung im Menschen kann (im Besten der Gottrede eine Art geläutertes Wünschen). Das Wunder des menschlichen Geistes in seinem Willen besteht darin, alles transzendieren (übersteigen) zu können („voluntas transcendit omne creatum“ vgl. Arendt/Scotus S. 366). Und Scotus treibt die Frage, welche Kraft es im Menschen als radikal Sterblichem ist, die es diesem absolut endlichen Wesen vorstellbar macht, sich Unendliches vorzustellen und „Gott“ nennen zu können. Es ist unser Wille!
Zugleich erlöst unser Handeln den Willen aus seiner unendlichen Möglichkeitswahl („soll ich dies tun oder lassen, oder jenes, oder dieses…“). In jeder Handlung aus freier Wahl (und dazu ist der Mensch laut Scotus unbedingt befähigt) schaffe ich Notwendigkeit, denn das Wirkliche, das Gewirkte und Getane lässt sich nicht mehr wegdenken oder wegwollen.
Handlungen schaffen Notwendigkeit; sie sind abgeschlossen in der Geschichte DA (in aller Ambivalenz – Kriege und Kunstwerke, Liebesakte, Zerstörungsakte). Sie verlassen das Zufällige und Mögliche und Endliche und Kontingente, weil sie nicht ungeschehen gemacht werden können. Zugleich sind sie weder unvermeidlich, noch notwendig im Sinne des Ewigen, denn alles geschieht im Rahmen von radikaler Kontingenz in allem Seienden. Handlungen sind zwar, im vollzogen sein, notwendig, weil irreversibel (jetzt und jetzt und jetzt), ereignen sich aber in der radikalen Kontingenz von allem durchwaltender Zeitlichkeit.
Scotus schreibt sogar, es sei ein Zeichen des wahren Christen, zu sagen, „Gott handle kontingent“ (wenn er sich in Geschichte und Zeit in Offenbarung als Geschichte äußert, geschieht dies in Wort und Fleischwerdung unter den Bedingungen von Zeitlichkeit und Kontingenz). Gott ist im Wollen unendlich frei, doch so Gott handelt, wirkt, so ist er kontingent. „Gott handelt kontingent…frei und kontingent.“45 „Wer leugnet, daß einiges Seiende kontingent ist“, sagt Scotus, „der sollte so lange gefoltert werden, bis er zugibt, es sei möglich, daß er nicht gefoltert werde.“46
45 Arendt/Scotus S. 367.
46 Vgl. Arendt/Scotus, S. 270.
Diese Kontingenz ist der Preis der Freiheit, den Scotus mit Freude zahlt. Es ist die Freiheit, die den Menschen auch, mit einer gewissen Befriedigung, etwa Gott hassen lässt (zumindest meint der Mensch dies). Es wird ihm in der Autonomie seines Willens nicht genommen, auch solches zu wollen. Auch wenn diese Quelle des Bösen ist, Scotus will diese Freiheit nicht missen, so, wie auch Kontingenz von ihm positiv gesehen wird. Denn der freie Wille schafft in der Kontingenz des Handelns notwendige geschichtliche Tatsächlichkeit, dass sich etwas ereigne und nicht vielmehr nichts. Wir sind darin Mitschöpfer Gottes – und darin auch befähigt, wirklich in der Güte des Guten das Gute und die Liebe zu vollbringen. Keine Automaten und auch kein zu bespielender „Mp3 Player – Gottes“ sind wir Menschen.
Der Wille ist zugleich darin der Motor, dass etwas geschieht, die „Süße“ des wollenden Ich, gegen das reine Denken, liegt in der Konkretion, dass aus dem Wollen ein Können, ein Handeln, eine Tat wird. Der Wille erfreut daran sich selbst, er macht sich im guten Handeln Freude – „condelectari sibi“ -, das ist die Freude am Wollen, das leibhaftig wirklich im Wirken wird.
Indem der Wille zur Tat wird, verliert er zwar seine unbedingte Freiheit, gewinnt aber im Handeln, ähnlich wie Buridans Esel, „als er das Problem der Wahl zwischen den zwei Heuhaufen dadurch löste, daß er seinem Instinkt folgte: hör auf zu wählen und fang an zu fressen.“47 Der Wille ist also Verursacher von Ereignissen (vernünftigen und unvernünftigen), die sonst nicht stattgefunden hätten. Es gibt ein wirkliches Wählen, frei und nicht determiniert. Scotus liebt diese Freiheit selbst um den Preis der Sterblichkeit (Kontingenz) mehr als die Vorstellung, wir Menschen wären determinierte Ewigkeitswesen, in allem vorherbestimmt ohne Wahl.
47 Arendt/Scotus S. 372.
Duns Scotus drückt es ganz schlicht und verstehbar aus: „Ich kann in diesem Augenblick schreiben oder nicht schreiben…. Doch wenn ich tatsächlich schreibe, so ist das Gegenteil ausgeschlossen. Mit einem Willensakt kann ich mich entschließen, nicht zu schreiben, aber ich kann nicht beides gleichzeitig ausführen.“48
48 Vgl. Arendt/Scotus S. 335.
Dies bleibt im Willen selbst ein ewiges Unentscheidbares, das im Handeln erlöst wird.
Die tiefste und gültigste Dimension solcher Erlösung im Handeln ist, laut Scotus, die Verwandlung des