Magisches Kompendium - Magie - Theorie und Praxis. Frater LYSIR

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      Invokationen und Evokationen

      Wenn es um die rituelle Magie geht, wird man um die Thematik der Invo- und Evokationen definitiv nicht herumkommen. Es ist eine der wichtigsten Techniken, durch welche Energien bzw. Entitäten so fokussiert werden, dass eine Kommunikation auf einer gleichen Ebene möglich ist. Der Begriff Invokation bedeutet in der Übersetzung „Hineinrufung“ und ist vom lateinischen „invocatio“ abgeleitet. Wie man an der Übersetzung schon sehen kann, ruft man eine Energie irgendwo hinein. Da in jedem Ritual der Protagonist das Wichtigste ist, ist es klar, dass die jeweilige Energie in den Körper bzw. in das Energiesystem des Protagonisten hineingerufen wird. Diesem Arbeitsschritt gegenüber, steht die Evokation, was eine Herbeirufung ist und sich von den lateinischen Wörtern „evocatio“ für Aufruf bzw. „evocare“ für Herausrufen ableitet. Bei dieser Technik geht es darum, dass eine feinstoffliche Energie, soweit verdichtet wird, dass man mit ihr außerhalb des eigenen Körpers bzw. Energiesystems kommunizieren kann.

      Nun, beide Techniken sind nicht ganz ungefährlich, wobei man klar sagen muss, dass die meisten Energien nicht in einen Körper dringen, der vollkommen ungeeignet ist. Wenn also der magische Newbie sich an eine Invokation versucht, wird er eher sich einen lapidaren Energieparasiten einfangen, als eine echte und bewusste Besessenheit auszulösen. Besessenheit? Ja, Besessenheit! Was anderes ist es nicht. Wenn ich via Invokation arbeiten will, biete ich meinen Körper und mein Energiesystem einer Entität an, sodass diese hineinfahren kann und, in gewissen Bahnen, auch die Kontrolle übernehmen kann. Doch die Abgabe der Kontrolle bzw. die Übernahme des Körpers ist nicht so einfach, wie man es in manchen Filmen sieht. Die Energiekörper des Menschen, im speziellen der Atmankörper, das höhere Selbst, haben doch ein deutliches Wörtchen mitzureden. Ferner sind die Selbstschutzmechanismen des materiellen Körpers so stark, dass man nicht ohne Weiteres Gefahr läuft, sich so zu verletzen, dass die Inkarnation abrupt endet.

      Bei einer Invokation sollte man sich dennoch gut überlegen, welche Energie bzw. was für Energieklassen man einladen will. Je hochschwingender eine Energie ist, desto komplizierter wird es. Wenn man will, kann man es sich so vorstellen, dass der Körper und das Energiesystem des Menschen mit Schuhen zu vergleichen sind. Wenn man eine Energie invozieren will, die die Schuhgröße 44 hat, man selbst aber nur die energetische Schuhgröße von 37 erreichen kann, wird man keinen sonderlichen Erfolg haben. Auch wenn es umgekehrt ist, ist es nicht perfekt. Wenn man sich vorstellt, dass eine Energie mit der Schuhgröße 44 in ein menschliches System mit der energetischen Schuhgröße 48 eindringen soll, kann man zwar erkennen, dass ausreichend Platz da ist, doch einen Langlauf wird die Energie nicht machen, was wiederum bedeutet, dass die Verbindung nicht perfekt sein wird.

      Erst wenn beide – Mensch und Entität – zueinander wahrlich passen, wird eine Invokation nahezu perfekt ablaufen. Dies sieht man sehr deutlich in der Voodoo-Thematik. Wenn hier die Energien – die Loas – die jeweiligen Menschen wortwörtlich „reiten“, ist es eine ganz andere Angelegenheit, als wenn ein westlicher Hermetiker ein göttliches Prinzip aus einem europäischen Pantheon invoziert. Die Energien der Loas sind hier wesentlich spezifischer, wenn es um die Auswahl ihrer Vehikel geht. Daher ist es auch ohne Weiteres möglich, dass eine vollkommene Kontrolle über den menschlichen Körper zu beobachten ist. Da die Voodoo-Gemeinden es nicht gerne sehen, wenn Scharlatane eine Besessenheit (oder Invokation) vorgaukeln, werden die jeweiligen Menschen in der Zeremonie oft geprüft. Die Prüfungen beziehen sich auf die jeweiligen „Vorlieben“, „Besonderheiten“ oder „Spezifikationen“ des jeweiligen Loas. Ob dem Menschen nun Chillipulver in die Augen gerieben wird, er Glas essen muss, über heiße Kohlen laufen muss oder ob er sich mit einer Hieb- und Stichwaffe schneiden oder stechen muss, kommt auf den jeweiligen Loa an. Fakt ist, dass diesen Menschen, die wahrlich von einer Energie geritten werden, absolut nichts geschieht.

      Ein Ethnologe schilderte z. B. einmal eine Begebenheit – die er selbst erlebt und den Mann auch währenddessen fotografiert und später auch interviewt hat –, dass bei einer Besessenheit bzw. bei einem „Ritt“ ein Gläubiger sich ein altes Messer bis zum Heft in den Kopf stieß und erst nach weit über 1h wieder heraus zog, ohne spätere Verletzungen (abgesehen von ein wenig Blut) davon getragen hat. Der Gläubige wusste jedoch nichts von seiner Tat und wurde auch nicht darauf hin angesprochen, da dies eines der ungeschrieben Gesetzte ist, dass man bei einer Besessenheit (die mit so heftigen Erlebnissen einhergeht) den Menschen, der geritten wurde, nicht auf die Taten anspricht. Nun, ob diese Messeraktion eine Glückssache war, sei dahin gestellt. Fakt ist, dass sie vollzogen wurde und fakt ist, dass gerade in der Voodooreligion solche Aktionen keine Seltenheiten sind.

      Doch solche Ergebnisse und Vorfälle sind nicht bei allen Invokationen an der Tagesordnung. Denn natürlich scheiden sich hier die Geister der Menschen immens. Von der wissenschaftlichen bzw. psychologischen Seite aus, wird eine Invokation als eine Art religiöse Hysterie gedeutet, sodass die Energien bzw. die Wesen nicht real sind, sondern nur in der Vorstellung des Magiers oder des aktuell Besessenen existieren. Dies ist immer wieder eine sehr einfache und eindimensionale Sicht, da der Begriff „Realität“ nicht immer klar zu definieren ist. Wie real ist denn ein Elektron für einen Menschen, der gerade ein elektrisches Gerät verwendet? Doch hier wird man vorerst nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen, denn die Beweise, die die Naturwissenschaft in diesem Fall haben will, sind nicht so einfach zu erbringen. Selbst wenn man eine Invokation während eines Gehirnscanns machen würde, könnte man diese Ergebnisse immer noch anzweifeln. Doch ob die Energie real in den Menschen eindringt oder ob sie „nur“ eine energetische Verbindung etabliert, die vielleicht nicht der Vokabel „Realität“ gerecht wird, ist letztlich irrelevant. Relevant ist, dass es Invo- und Evokationen gibt und dass sie einen wichtigen Zweck erfüllen.

      In der zeremoniellen Magie geht es eher um einen Informationsaustausch oder auch mal um ein verbales Channeling, wobei es dann auch um sehr spezifische Themen geht.

      Der Weltfriede oder irgendwelchen anderen, meist von der „Licht-und-Liebe-Eso-Szene“ propagierten Themen, werden hier nicht angesprochen. Moment mal! Heißt das, dass ein Channeling im Grunde mit der Technik der Invokation arbeitet? Im Grunde kann man hier ein klares „JA!“ sagen, wobei man hier keine festen Parameter abstecken sollte, wie letztlich ein Channeling funktionieren muss, um mit der Vokabel „Invokation“ beschrieben zu werden. Fakt ist, dass eine autarke Energie mit dem Energiesystem des Menschen einen Kontakt aufbaut und individuelle Informationen weiter gibt. Diese Informationen werden dann vom Energiesystem und den Bildfiltern des jeweiligen Channelmediums – oder des ganz normalen Menschen – gesondert behandelt, sodass eine passende Quintessenz aus Fremdenergie und Eigenenergie herauskommt. Eine autarke Energie kann letztlich auf unendlich viele Wege das Energiesystem eines Menschen kontaktieren. Daher können auch Channelings sehr unterschiedlich ablaufen. Es ist möglich, dass der Mensch vollkommen von der jeweiligen Energie übernommen wird und keine Kontrolle mehr über sich hat. Wenn dies der Fall ist, kann man ohne Weiteres von einer Invokation sprechen. Auch eine fragmentierte Übernahme ist denkbar, sodass vielleicht ein „geistiges Schreiben“ einsetzt, so als ob die Hand und der Arm nicht mehr zum Menschen gehören und fremdgesteuert sind. Doch auch der Umstand, dass das Medium einen Text vor dem inneren Auge sieht – entweder als ganzen Textblock, ähnlich einer Buchseite oder wie eine Art Laufschrift – ist möglich. Gleiches gilt auch für Wörter, die das Medium hört und einfach nachspricht, so als ob in diesem Fall das Medium einfach nur ein Kanal ist. Möglich ist letztlich alles, wobei auditive und visuelle Übertragungen einfacher sind, als wenn die Energie auf die anderen Sinne des Mediums zurückgreifen würde.

      Wenn man es nun sehr genau nehmen will, kann ein Channeling aber auch eine Evokation sein, denn auch hier findet natürlich eine energetische Verbindung zwischen Entität und Medium statt. Natürlich wird man auch bei einer Evokation etwas von dem Wesen „sehen“


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