RedStar. Juryk Barelhaven
Читать онлайн книгу.sich wieder nach vorne. „Bei x minus drei steigen wir aus und beziehen Position.“
Der Fahrer fuhr routiniert weiter und sagte, ohne die Mundwinkel zu verziehen: „Es sieht ganz so aus, als wollten heute nicht gerade viele Leute Fisch kaufen. Wir sind da.“
Die einzige Frau im Bunde schaltete den Computer ein und schickte ein 3D-Bild von der Umgebung in die Mitte des Vans. Das Modell war gestochen scharf und zeigte in verschiedenen Farben, was relevant für die Truppe war. Auf dem Bürgersteig reihten sich unter einer Leinenmarkise Tische und Verkaufsstände mit feucht schimmerndem Fisch. Der Computer markierte die Zivilisten grün und zeigte gerade einen Mann, der mit einem geschwungenen Messer einen Marko-Hai aufschlitzte und den riesigen Fisch mit einer Spritzpistole abspritzte. Da jeder Mensch eine ID in seinem Nacken verpflanzt bekommen hatte, war es für den Computer ein Leichtes die Guten von den Bösen zu unterscheiden. Die ID des Mannes war sauber – seine und die der anderen Zivilisten, die sich in kleinen Grüppchen um die Tische drängten. Es handelte sich überwiegend um Hausfrauen, die zu ihrem allabendlichen Gang über den Markt eintrudelten, die Ware beäugten und an ihr schnupperten.
In der Halle dahinter sah es anders aus.
Zehn grün schimmernde Individuen saßen dichtgedrängt an einem Tisch und blickten vertieft in ihre Arbeit, während vier rotmarkierte Personen um sie herumstanden. Gestochen scharf konnte jeder im Van die feinen Gerätschaften ausmachten, die man brauchte, um erstklassige Drogen zu produzieren. Und der Computer meldete einen Treffer.
Gina „Mama“ Colfex.
Die ID log nicht.
„Da ist sie ja“, raunte jemand leise.
Das Labor grenzte ebenerdig an der Lagerhalle des Fischmarktes an und hatte nur einen Eingang. Die ganze Gegend bestand aus einer Reihe von Geschäften und Warenhäusern an den Flussufern, die zu dieser Zeit nur wenig von Zivilisten besucht wurde. Langsam rollte der Van mit ausgeschalteten Lichtern hinter einem Lkw und blieb schließlich stehen. Er blickte in die Gasse hinunter und winkte jemanden in Zivil zu, der sich ihm schnell näherte.
„Wer ist das?“
Gideon wandte sich dem Kommissar zu. „Mamas Frühwarnsystem hat in der Vergangenheit gut funktioniert. Es ist bis jetzt ihr jedes Mal gelungen zu flüchten und sich mit einem Auto aus dem Staub zu machen. Lorenzo ist ein alter Freund von mir.“ Er stieg aus und unterhielt sich leise mit dem Mann mit den schmächtigen Schultern, der sein Gesicht unter einer Kapuze verborgen hielt. Aus den verspiegelten Fenstern beobachtete der Kommissar, wie der Beamte ihm ein Geldbündel zusteckte. Sofort verschwand der Mann wieder in der Dunkelheit.
„Jedes Auto im ganzen Block liegt lahm. Wir können“, raunte der Agent leise zum Van und holte seine Kopfhörer vom Sitz. Dabei sprach er in sein Kehlkopfmikro. „X minus drei. Team Zwei und Team Drei, bitte kommen.“ Er nickte knapp und sprach weiter leise ohne dass der Kommissar etwas davon verstand. Die anderen Männer bereiteten sich vor und entsicherten ihre Waffen.
Schließlich öffnete Gideon die Hecktüren und überreichte dem Jüngeren eine Waffe. „Nehmen Sie diese.“
Der Kommissar nahm sie entgegen und hielt sie vor sich auf eine Art, wie sie Gangster in amerikanischen Filmen hielten. Gideon bemerkte den gefährlichen Glanz in seinen Augen, sagte aber nichts dazu. „Sie bleiben hinter mir. Boris, du gehst zur Rückseite und wirfst die erste Granate durchs Fenster. Vanja deckt den Nordteil und schaltet die Wache dort aus. Ana wird die Vorderseite nehmen und sie mit Avon eindecken.“ Avon war eine großkalibrige Schrotflinte, die im Nahkampf einen ganzen Raum leerfegen konnte. Extrem gefährlich und endgültig. Die Person namens Ana grinste den Kommissar zu und tätschelte das verchromte Monstrum. „Leute, das haben wir schon oft gemacht – nur heute vor Publikum. Immer lächelnd in die Kamera.“
Sein ganzes Team wirkte wie ein Rudel hungriger Wölfe, und er sah, dass es gut war.
Alle nickten stumm, und langsam begann die Gruppe sich zu bewegen.
Er ging voraus und zog seine Waffe, wohlwissend dass der Gast es versäumt hatte, sein Magazin zu kontrollieren. Tragische Erfahrungen hatten den Wert einer fehlerfreien Rückendeckung nachdrücklich vorgeführt, so dass der Mann dem Kommissar wohlweislich eine Schusswaffe mit einem leeren Magazin gegeben hatte. Sich mit einem Team, das man nicht kennt und dessen Leute über unterschiedliche Trainingsniveaus verfügen, bei einem Übergriff gewaltsam irgendwo Zutritt zu verschaffen ist ein gefährliches Unterfangen. Wie schnell hat einem eine Kugel die Wirbelsäule zerschmettert, wenn man einer Gruppe vorangeht, die unerfahren und von Angst getrieben agiert.
Das Team zerstreute sich und bezog in voller Kampfmontur Position – schnell und effizient. Der Zufall wollte es, dass kein einzelner Zivilist auf die Beamten aufmerksam wurde, bis sie in Stellung waren. Der Agent blickte auf seine Uhr und registrierte, dass sie gut in der Zeit lagen. Mit einem Flüstern gab er seinen Mann an der Rückseite das Zeichen.
Die Betäubungsgranate zerschlug ein Fenster, segelte durch die Luft und explodierte so laut, dass der Kommissar hinter Gideon vor Schreck zusammenzuckte. Dabei drückte er versehentlich ab, und erstarrte als nur der Schlagbolzen auf nichts traf. Gideon wandte sich kurz um und blickte genau in den Lauf. Habe ich es nicht gesagt?
Doch er wartete keine Reaktion ab, sondern stürmte vor und trat die erste Tür ein. Der nächste Knall war ohrenbetäubend und Gideon wusste, dass Ana mit ihrer Avon den Raum für sich beanspruchte hatte. Schmerzensschreie und mehrere Schüsse folgten. „Alles runter auf den Boden. Ich sagte, runter auf den Boden!“
Und jetzt ging alles sehr schnell. Der Trupp sicherte den Raum, bellte Befehle und überwältigte die Personen in dem Raum. Auch einige Zivilisten lagen tot auf dem Boden, doch für die hatte der Agent keinen Blick übrig. Kollateralschaden war vorgesehen.
Schüsse hinter dem Agenten. Zwischen zwei Pfeilern tauchte, Nofretete gleich, Gina „Mama“ Colfex auf und zielte mit ihrer Schrotflinte auf ihn. Wie von einer eisernen Faust getroffen, trieb es den Agenten nach vorne. Sämtliche Luft entwich ihm aus der Lunge. Mündungsfeuer und Pulverdampf aus verschiedenen Waffen. Kugeln pfiffen durch die Luft. Der Agent berührte kurz seine Kevlar-Weste, die ein qualmendes Loch aufwies. Das Gewicht der Weste fiel durch eine zusätzliche Weste Keramikplatte am Rücken deutlich höher aus. Wie im Zeitraffer nahm er alles auf: wie der Kommissar zur Rechten umfiel und hart auf dem Boden landete, wie „Mama“ mit wilden Augen voll mit tödlichem Versprechen auf ihn anlegte und wie Artjom von der Seite einen Schuss auf sie abgab. Sie segelte davon und blieb reglos liegen, mit seltsam verdrehten Beinen nach vorne gebeugt auf den Beinen.
Artjom, Ana und Boris übernahmen die Kontrolle. Der Einsatz war vorbei.
Das Einsatzfahrzeug der hiesigen Polizei sowie ein Leichenwagen waren vorgefahren, während der Agent ein kurzes Resümee zog: drei Kriminelle waren tot, sowie alle zehn Zivilisten. Artjoms schnelle Reaktion war es zu verdanken, dass Gina „Mama“ Colfex nur betäubt wurde. Er hatte zuvor drei Schüsse scharfer Munition verschossen und gedankenschnell auf Betäubungsschuss umgeschaltet. Guter, alter Artjom.
Gideons Rücken schmerzte, aber das würden eine Flasche Wodka und ein paar Schmerztabletten schon hinbekommen. Er wankte leicht zu seinem Freund und ließ sich einen Bericht geben. „Wie stehen wir da?“
„Vierzehn Kilogramm Methamphetamin, alle Zivilisten tot und Mama lebend.“ Artjom deutete auf sein Headset. „Team zwei und Drei haben ein ganz schönes Blutbad angerichtet. Vier Mitglieder sind noch am Leben, unsere eigenen Verluste belaufen sich auf null.“
Der Agent nickte leicht und schaute auf den Kommissar, der mit einem Verband um seinen Kopf auf dem Rinnstein saß. „Und was ist mit unserem Jungspund?“ wollte er wissen.
Artjom Penkusch runzelte die Stirn. „Ist gegen einen Pfeiler gelaufen. Hat alles verpasst.“
Gideon nickte knapp und spürte, wie sich seine anfängliche Anspannung löste. „Gib mir deine Waffe“, sagte er knapp.
„Warum?“ Er reichte sie ihm.
„Runden wir den Abend noch etwas ab. Keine Sorge, ich schreibe