Ströme meines Ozeans. Ole R. Börgdahl

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Ströme meines Ozeans - Ole R. Börgdahl


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aber der Verkäufer versicherte mir, dass ich keine Bedenken zu haben bräuchte. Meine beiden Mädchen sind immer ganz still und erwartungsvoll, wenn ich das Öl benutze.

      Papeete, 20. November 1895

      Jetzt sind meine Mädchen schon solange auf dieser Welt, wie ich sie in meinem Bauch getragen haben. Es ist erstaunlich, wie fern mir dies alles schon ist. Ich kann mich kaum noch daran erinnern, wie es war, als ich sie noch nicht hatte. Es ist einfach selbstverständlich, sie immer um mich zu haben, auf sie achtgeben zu müssen, vielleicht immer ein wenig in Sorge zu sein. Sie ziehen sich schon an Tischen und Stühlen hoch und stehen plötzlich auf ihren eigenen Beinchen. Immer macht es die eine vor und immer die andere gleich nach. Die ersten eigenen Schritte gelingen zwar noch nicht, aber es kann nicht mehr lange dauern. Wir brauchen einen guten Riegel an unserer Gartenpforte. Victor hat übrigens das Plappern gestern auch zum ersten Mal gehört und meinte, dass sich die beiden Geschichten erzählen und wirklich, es hört sich tatsächlich so an. Ich glaube beinahe, einige Wörter verstehen zu können. Victor meint, sie schmiedeten Ausbruchspläne. Wir brauchen wirklich bald einen Riegel an der Pforte.

      Papeete, 7. Dezember 1895

      Der erste Brief von den Eltern, der mich auf Tahiti erreicht. Ich hatte schon so darauf gewartet, wo ich ihnen doch schon zweimal geschrieben habe. Der Brief wurde vor sechs Wochen in Liverpool gestempelt. Ich muss mich also darauf einstellen, dass die Post immer so lange benötigt, um hier einzutreffen. Wenn ich etwas schreibe, dann wird es sogar drei Monate dauern, bis ich eine Antwort in Händen halte, vorausgesetzt, die Eltern antworten auch immer gleich. Mutter berichtet von der Rue Marcadet, und dass es jetzt ein Geisterhaus wäre, auf jedem Stuhl, in jedem Sessel sitzt ein Gespenst. Ich musste sogar lachen, als ich es gelesen habe. Mutter meint natürlich die Laken, mit denen die Möbel jetzt abgedeckt sind. Jeanette hat diese Arbeit erledigt und sie lässt auch schön grüßen. Sie ist etwas traurig, dass sie die Mädchen nicht mehr kennengelernt hat. Ich ärgere mich auch schon, dass wir nicht doch noch einmal in Paris waren. Ich will Jeanette schreiben und den Eltern.

      Papeete, 24. Dezember 1895

      Ich muss den heutigen Tag kurz erwähnen, nicht wegen des Weihnachtsfestes, nein, denn heute sind Victor und ich fünf Jahre verheiratet. Es ist Zeit, eine Bilanz zu ziehen. Wir haben gemeinsam schon vieles erlebt. Wir waren in Nantes stationiert, wir haben uns gegen eine Ungerechtigkeit gewehrt und behauptet und wir haben eine lange Trennung überstanden und wir haben zwei wunderbare Töchter bekommen. Es ist eine ganze Menge. Ich weiß nicht, was in fünf Jahren sein wird, aber ich freue mich schon heute, es mit Victor zu erleben, mit Victor, mit meiner Familie.

      Papeete, 29. Dezember 1895

      Weihnachten ohne Schnee, das habe ich schon gehabt, aber Weihnachten an einem Sommertag, das war mir bislang neu. Wir haben nicht auf das Wetter geachtet, es ist nicht gut, auf das Wetter zu achten. Wir haben alles so gemacht wie zu Hause, den Kirchgang, das Festessen, die gemütliche Ruhe, oder das, was für uns jetzt Ruhe ist, wenn Thérèse und Julie endlich schlafen. Victor hat sich zum Fest gewünscht, dass die Mädchen ihm in die Arme laufen, es hat geklappt oder zumindest lassen wir es gelten, so wie sie es gemacht haben. Thérèse und Julie haben sich gleichzeitig am Sessel hochgezogen. Victor hat sich vor sie hingehockt und sie mit ausgebreiteten Armen zu sich gerufen. Nach ein paar Sekunden des Zögerns haben die Mädchen dann einen Schritt nach vorne getan und sind ihrem Papa glücklich in die Arme geplumpst. Das Laufen ist noch nicht so richtig ihr Metier, im Krabbeln dagegen bringen sie es schon zur Meisterschaft.

      1896

      Papeete, 3. Januar 1896

      Wieder etwas Neues. Victor ist heute Morgen zum ersten Mal in diesem Jahr zum Dienst gegangen. Ich bin zum Abschied mit zur Gartentür gegangen, die beiden Mädchen im Arm. Victor hat sich noch einmal umgedreht und uns gewunken, woraufhin Thérèse und Julie zurückgewunken haben. Es war wirklich süß. Morgen stehen wir wieder am Tor, wenn Papa zum Dienst geht.

      Papeete, 17. Januar 1896

      Colonel Dubois schickt seine Briefe immer direkt an den Stützpunkt, von dort bringt Victor sie dann mit nach Hause. Erst gestern ist wieder Post eingegangen und Victor hat mir vorgelesen. Es waren wirklich belanglose Dinge. Es wurden Namen von irgendwelchen Offizieren genannt, die ich nicht kenne. Victor hat ihre Stellung aber immer kommentiert, ein Bataillonschef, ein Adjutant im Kriegsministerium oder der Kommandeur irgendeiner Kaserne in irgendeiner Garnisonsstadt. Es ist ganz gut, dass Colonel Dubois all diese Leute kennt, es wird Victor bestimmt eines Tages nützen.

      Papeete, 12. Februar 1896

      Natürlich mussten wir Victors Geburtstag richtig feiern, wo wir doch im letzten Jahr keine Gelegenheit dazu hatten. Victor ist heute achtunddreißig geworden. Am Morgen gab es nur einen innigen Abschiedskuss von all seinen Frauen. Dann habe ich das Haus dekoriert, Lampions aufgehängt und den Nachmittagstisch schön gedeckt, denn Victor hat heute natürlich etwas früher Dienstschluss gemacht. Wir haben auf ihn gewartet und dann richtig gefeiert, mit Kuchen und Geschenken. Wir hatten jeder ein Geschenk für ihn, auch die Kinder. Mit den Kindern habe ich nämlich Bilder gemalt. Sie haben ihre Hände in Farbe getaucht und dann auf Papier Abdrücke hinterlassen. Das Ganze war schon eine Freude und wir werden es am Wochenende wiederholen, damit Victor es auch einmal erleben kann, wie die Bilder entstanden sind.

      Papeete, 22. Februar 1896

      Heute ist wieder Post eingetroffen. Mutter schreibt, dass sie und Vater über Weihnachten in Paris waren und ganz begeistert von einer Neuheit sind, die sie im Grand Café am Boulevard des Capucines erleben durften. Es handelte sich um eine fotografische Vorführung mit einem neuen Apparat, der Cinématograph genannt wird. Mutter behauptet, dass damit Fotografien zum Laufen gebracht werden können. Ich kann es mir leider nicht richtig vorstellen, ohne es selbst gesehen zu haben. In Mutters kleinem Päckchen befand sich auch wieder Lesestoff für mich. Im Cosmopolitan ist die Fortsetzung der Dschungel-Geschichten abgedruckt. Ich habe schon hineingesehen und warte nur darauf, dass Thérèse und Julie alt genug sind, dass ich ihnen die Fabeln vorlesen kann. Ich weiß jetzt übrigens aus eigenem Ansehen, was ein Dschungel ist. Im Inneren Tahitis ist die Vegetation mancherorts so dicht und es ist am Tage so heiß und feucht, dass es wie ein Dschungel sein muss. Ich habe mir aber versichern lassen, dass es auf Tahiti keine Tiger, Löwen, Bären oder gar eine Elefantenherde gibt. Wilde Ziegen sind die größten Tiere, die frei herumlaufen. Zum Glück soll es auf Tahiti auch keine Schlangen geben. Vom Cosmopolitan habe ich bislang nur die ersten vier Ausgaben, es fehlen noch einige, denn die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Ich hoffe Mutter wird mich weiter versorgen.

      Papeete, 2. März 1896

      Ich habe mir angewöhnt, Fanaa auf den Markt zu begleiten. Sie war anfangs etwas misstrauisch. Sie glaubte nämlich, ich würde sie kontrollieren, ich würde darauf achten, wie viel Geld sie ausgibt, oder ob sie auch wirklich die frischen Sachen einkauft. Ich wollte natürlich die Sprache der Einheimischen hören, sehen, was es für Leute sind und was der Markt alles zu bieten hat. Fanaa spricht mit den Händlern nur Französisch. Ich weiß nicht, ob sie es auch macht, wenn ich nicht dabei bin. Während Fanaa sich dann dem Gemüse und Obst gewidmet hat, bin ich einmal alleine auf dem Markt herumgelaufen. Ich bin schnell zu einer Ecke gekommen, an der Schnitzereien und Holzketten verkauft wurden. Als ich mich umsah, waren zumeist nur noch Weiße als Kunden da, Matrosen und elegante Herrschaften, die sich mit Geschenken eindeckten.

      Papeete, 16. März 1896

      Es ist wirklich schon ein Jahr her, ich glaube es nicht. Ich sitze vor der Schiffsuhr, die ich kurz vor unserer Abreise in Marseille gekauft habe. Die Uhr zeigt Viertel vor elf am Vormittag. Auf Tahiti haben wir noch den 16. März, es ist Viertel vor zwölf in der Nacht. In Frankreich haben wir aber schon den 17. März, den Geburtstag meiner beiden Mädchen.


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