Von Bagdad nach Stambul. Karl May

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Von Bagdad nach Stambul - Karl May


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      »Was thut Ihr hier oben?« frug ich daher. »Warum habt Ihr Euren Weg um das Doppelte verlängert?«

      »Weil wir durch das Gebiet des Pascha von Sulimania hätten ziehen müssen, und er ist unser Feind.«

      »Aber Ihr befindet Euch hier doch ebenso auf seinem Gebiete!«

      »Hier oben sucht er uns nicht. Er weiß, daß wir ausgezogen sind, und glaubt, uns im Süden von seiner Residenz zu finden.«

      Dies klang wahrscheinlich, obgleich ich noch immer kein rechtes Vertrauen zu dem Manne hatte. Ich sagte mir jedoch, daß die Anwesenheit dieser Bejat uns nur von Vortheil sein könne. Unter ihrem Schutze konnten wir unangefochten bis nach Sinna kommen, und dann war für uns keine Gefahr mehr zu befürchten. Der Turkomane kam meiner darauf bezüglichen Frage entgegen:

      »Herr, Du wirst mich wieder freilassen? Ich habe Euch ja nichts gethan!«

      »Du hast nur gethan, was Dir befohlen war; Du bist frei.«

      Er athmete erleichtert auf.

      »Ich danke Dir, Herr! Wohin sind die Köpfe Eurer Pferde gerichtet?«

      »Nach Süden.«

      »Ihr kommt von Mitternacht herunter?«

      »Ja. Wir kommen aus dem Lande der Tijari, Berwari und Chaldani.«

      »So seid Ihr sehr muthige und tapfere Männer. Welchem Stamme gehört Ihr an?«

      »Dieser Mann und ich, wir sind Emire aus Frankhistan, und die Andern sind unsere Freunde.«

      »Aus Frankhistan! Herr, wollt Ihr mit uns ziehen?«

      »Wird Dein Khan mir seine Hand öffnen?«

      »Er wird es. Wir wissen, daß die Franken große Krieger sind. Soll ich gehen und ihm von Euch sagen?«

      »Gehe und frage ihn, ob er uns empfangen will!«

      Er stand auf und eilte davon. Die Andern zeigten sich mit dem, was ich gethan hatte, einverstanden, und besonders Mohammed Emin freute sich darüber.

      »Effendi,« sagte er, »ich habe von den Bejat oft gehört. Sie leben mit den Dscherboa, Obeïde und Beni-Lam in immerwährendem Unfrieden, und darum werden sie uns nützlich sein. Dennoch aber wollen wir nicht sagen, daß wir Haddedihn sind; es ist besser, sie wissen es nicht.«

      »Auch jetzt müssen wir vorsichtig sein, denn noch wissen wir nicht, ob der Khan uns freundlich aufnehmen wird. Holt die Pferde herbei, und legt Euch die Waffen bereit, um für alle Fälle gerüstet zu sein!«

      Die Bejat schienen unsertwegen eine ungewöhnlich lange Berathung zu halten, denn ehe sie ein Lebenszeichen von sich gaben, war unser Lamm gebraten und auch verzehrt. Endlich hörten wir Schritte. Der Turkomane, welcher bei uns gewesen war, erschien mit noch drei Kameraden.

      »Herr,« sagte er, »der Khan sendet mich. Ihr sollt zu ihm kommen und uns willkommen sein.«

      »So geht voran und führt uns!«

      Wir stiegen zu Pferde und folgten ihnen, die Gewehre in der Hand. Als wir die Waldecke hinter uns hatten, war von keinem Lagerplatze etwas zu bemerken; nachdem wir aber einen dichten Gebüschstreifen durchschnitten hatten, erreichten wir einen rings von Sträuchern eingefaßten Platz, auf welchem ein mächtiges Feuer brannte. Dieser Lagerort war sehr gut gewählt, da er von außen her nicht leicht bemerkt werden konnte.

      Das Feuer diente nicht zum Erwärmen der Leute, sondern zur Bereitung des Nachtmahles. Zweihundert dunkle Gestalten lagen im Grase umher, und etwas abseits der flackernden Flamme saß der Khan, welcher sich bei unserm Erscheinen langsam erhob. Wir ritten hart an ihn heran und sprangen von den Pferden.

      »Friede sei mit Dir!« grüßte ich ihn.

      »Mi newahet kjerdem – ich mache mein Kompliment!« antwortete er, indem er sich verbeugte.

      Das war persisch. Vielleicht wollte er mir damit beweisen, daß er wirklich ein Bejat sei, dessen Hauptstamm man in Khorassan suchen müsse. Der Perser ist der orientalische Franzose. Seine Sprache ist biegsam und wohlklingend, weßhalb sie auch die Hofsprache der meisten asiatischen Fürsten geworden ist. Aber das höfliche, schmeichelnde und oft kriechende Wesen des Persers hat nie einen vortheilhaften Eindruck auf mich gemacht; die gerade, rauhe Ehrlichkeit des Arabers that mir wohler.

      Auch die Andern waren aufgesprungen, und alle Hände streckten sich dienstfertig aus, um sich unserer Pferde zu bemächtigen; doch hielten wir die Zügel fest, da wir noch keineswegs wußten, ob dies gastfreundlich oder hinterlistig gemeint sei.

      »Gib ihnen immerhin die Pferde! Sie sollen für dieselben sorgen,« sagte der Khan.

      Ich wollte mir gleich Gewißheit verschaffen; darum frug ich, nun auch in persischer Sprache:

      »Hesti irschad engiz – gewährst Du uns Sicherheit?«

      Er verneigte sich zustimmend und erhob die Hand.

      »Mi saukend chordem – ich beschwöre es! Setzt Euch zu mir, und laßt uns reden!«

      Die Bejat nahmen die Pferde; nur das meinige blieb in der Hand Halef's, der recht gut wußte, was mir lieb und angenehm war. Wir Andern nahmen bei dem Khan Platz. Die Flamme leuchtete hell auf uns herüber, so daß wir einander ganz genau erkennen konnten. Der Bejat war ein in den mittleren Jahren stehender Mann von sehr kriegerischem Aussehen. Seine Züge waren offen und Vertrauen erweckend, und die achtungsvolle Entfernung, in welcher sich seine Untergebenen von ihm hielten, ließ auf einen ehrliebenden und selbstbewußten Charakter schließen.

      »Kennst Du bereits meinen Namen?« erkundigte er sich.

      »Nein,« antwortete ich.

      »Ich bin Heider Mirlam, der Neffe des berühmten Hassan Kerkusch-Bey. Hast Du von ihm gehört?«

      »Ja. Er residirte in der Nähe des Dorfes Dschenijah, welches an der Poststraße von Bagdad nach Tauk liegt. Er war ein sehr tapferer Krieger, aber er liebte dennoch den Frieden, und jeder Verlassene fand guten Schutz bei ihm.«

      Er hatte mir seinen Namen gesagt, und nun erforderte es natürlich die Höflichkeit, ihm auch den meinigen zu nennen. Darum fuhr ich fort:

      »Dein Kundschafter wird Dir bereits gesagt haben, daß ich ein Franke bin. Man nennt mich Kara Ben Nemsi – – –«

      Er konnte trotz der bekannten orientalischen Selbstbeherrschung einen Ausruf des Erstaunens nicht unterdrücken:

      »Ajah – oh! Kara Ben Nemsi! So ist dieser andere Mann, der eine rothe Nase hat, der Emir aus Inglistan, welcher Steine und Schriften ausgraben will?«

      »Hast Du von ihm gehört?«

      »Ja, Herr; Du hast mir nur Deinen Namen genannt, aber ich kenne Dich und ihn. Der kleine Mann, welcher Dein Pferd hält, ist Hadschi Halef Omar, vor dem sich so viele Große fürchten?«

      »Du hast es errathen.«

      »Und wer sind die beiden Andern?«

      »Das sind Freunde von mir, welche ihre Namen in den Kuran legten. Wer hat Dir von uns erzählt?«

      »Du kennst Ibn Zedar Ben Huli, den Scheik der Abu Hammed?«

      »Ja. Er ist Dein Freund?«

      »Er ist nicht mein Freund und nicht mein Feind. Du brauchst Dich nicht zu sorgen; ich habe ihn nicht an Dir zu rächen.«

      »Ich fürchte mich nicht!«

      »Das glaube ich. Ich traf mit ihm bei Eski Kifri zusammen, und da erzählte er mir, daß Du Schuld bist, daß er Tribut zu zahlen hat. Sei vorsichtig, Herr! Er wird Dich tödten, wenn Du in seine Hände fällst.«

      »Ich befand mich in seiner Hand, ohne daß er mich getödtet hat. Ich war Gefangener; aber er konnte mich nicht festhalten.«

      »Ich habe es gehört. Du hast den Löwen getödtet, ganz allein und in der Dunkelheit, und bist dann mit der Haut desselben davongeritten. Glaubst Du, daß auch


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