Von Bagdad nach Stambul. Karl May

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Von Bagdad nach Stambul - Karl May


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sie Boten fort, wenn sie es ehrlich mit uns meinen?«

      »Ich glaube nicht, daß diese Vier just unsertwegen fortgeritten sind. Wir wären ja auch so schon vollständig in der Gewalt des Khan, wenn er Übles gegen uns vorhätte. Sorge Dich nicht, Halef!«

      Ich dachte mir, daß die Reiter wegen der Gefährlichkeit der Gegend als Kundschafter vorausgeschickt worden seien, und hatte damit auch wirklich das Richtige getroffen, wie ich auf meine Erkundigung von Heider Mirlam selbst erfuhr.

      Nach einem sehr schmalen Frühstück, welches nur aus einigen Datteln bestand, brachen wir auf. Der Khan hatte seine Leute in einzelne Trupps getheilt, welche sich in Abständen von einer Viertelstunde folgten. Er war ein kluger, vorsichtiger Mann, der für die Sicherheit der Seinen nach besten Kräften sorgte.

      Wir ritten ohne Rast bis Mittag. Als die Sonne am höchsten stand, machten wir Halt, um unsern Pferden die nöthige Ruhe zu gönnen. Wir waren während unseres Rittes auf keinen einzigen Menschen gestoßen und hatten an gewissen Stellen, an Büschen, Bäumen oder am Boden Zeichen der vier vorausgesandten Reiter gefunden, welche uns dadurch die Richtung angaben, der wir folgen mußten.

      Diese Richtung war mir räthselhaft. Von unserm gestrigen Ruheplatze aus hatte Sinna im Südosten gelegen, aber anstatt in Folge dessen diese Richtung einzuhalten, waren wir fast ganz genau noch Süd geritten.

      »Du wolltest zu den Dschiaf?« erinnerte ich den Khan.

      »Ja.«

      »Dieser wandernde Stamm befindet sich jetzt in der Gegend von Sinna?«

      »Ja.«

      »Aber wenn wir so fortreiten, kommen wir nie nach Sinna, sondern nach Banna oder gar Nweizgieh!«

      »Willst Du sicher reisen, Herr?«

      »Das versteht sich!«

      »Wir auch. Und aus diesem Grunde ist es gerathen, daß wir die feindlichen Stämme umgehen. Wir werden noch bis heut Abend sehr scharf zu reiten haben und dann können wir uns ausruhen; denn wir müssen morgen erwarten, daß der Weg nach Ost frei wird.«

      Diese Erklärung wollte mir nicht ganz einleuchten; aber es war mir nicht möglich, seine Gründe zu widerlegen, und so schwieg ich.

      Nach einer zweistündigen Ruhe brachen wir wieder auf. Unser Ritt war ein sehr scharfer, und ich bemerkte, daß er uns oft im Zickzack führte; es hatte also viele Punkte gegeben, von denen uns die vier Kundschafter fernhalten wollten.

      Gegen Abend mußten wir eine hohlwegähnliche Tiefung durchreiten. Ich befand mich an der Seite des Khans, welcher bei der vordersten Abtheilung war. Wir hatten diese Stelle fast zurückgelegt, als wir auf einen Reiter trafen, dessen bestürztes Gesicht uns verrieth, daß er nicht gedacht hatte, hier an diesem Orte Fremden zu begegnen. Er drängte sein Pferd zur Seite, senkte die lange Lanze und grüßte:

      »Sallam!«

      »Sallam!« antwortete der Khan. »Wohin geht Dein Weg?«

      »In den Wald. Ich will mir ein Berg-Schaf erjagen.«

      »Zu welchem Stamme gehörst Du?«

      »Ich bin ein Bebbeh.«

      »Wohnest Du, oder wanderst Du?«

      »Wir wohnen zur Zeit des Winters; im Sommer aber führen wir unsere Heerden zur Weide.«

      »Wo wohnest Du im Winter?«

      »In Nweizgieh. Im Südost von hier. In einer Stunde kannst Du es erreichen. Meine Gefährten werden Euch gern willkommen heißen.«

      »Wie viel Männer seid Ihr?«

      »Vierzig, und bei andern Heerden sind noch mehr.«

      »Gib mir Deine Lanze!«

      »Warum?« frug der Mann erstaunt.

      »Und Deine Flinte!«

      »Warum?«

      »Und Dein Messer! Du bist mein Gefangener!«

      »Maschallah!«

      Dieses Wort war ein Ausruf des Schreckens. Sogleich aber blitzte es in seinen scharfen Zügen auf; er riß sein Pferd empor, warf es herum und sprengte zurück.

      »Fange mich!« hörten wir noch den Ruf des schnell handelnden Mannes.

      Da nahm der Khan seine Flinte zur Hand und legte auf den Fliehenden an. Ich hatte kaum Zeit, den Lauf zur Seite zu schlagen, so krachte der Schuß. Natürlich ging die Kugel an ihrem Ziele vorüber. Der Khan hob die Faust gegen mich, besann sich aber sofort eines Besseren.

      »Khyjangar! Was thust Du?« rief er zornig.

      »Ich bin kein Verräther,« antwortete ich ruhig. »Ich will nicht haben, daß Du eine Blutschuld auf Dich ladest.«

      »Aber er mußte sterben! Wenn er uns entkommt, so müssen wir es büßen.«

      »Lässest Du ihm das Leben, wenn ich ihn Dir bringe?«

      »Ja. Aber Du wirst ihn nicht fangen!«

      »Warte!«

      Ich ritt dem Flüchtigen nach. Er war nicht mehr zu sehen; aber als ich die Schlucht hinter mir hatte, bemerkte ich ihn. Vor mir lag eine mit weißem Crocus und wilden Nelken bewachsene Ebene, jenseits welcher die dunkle Linie eines Waldes sichtbar wurde. Wenn ich ihn den Wald erreichen ließ, so war er wohl für mich verloren.

      »Rih!« rief ich, indem ich meinem Rappen die Hand zwischen die Ohren legte. Das brave Thier war längst nicht mehr bei vollen Kräften; auf dieses Zeichen hin aber flog es über den Boden, als ob es Wochenlang ausgeruht habe. In zwei Minuten war ich dem Bebbeh um zwanzig Pferdelängen nahe gekommen.

      »Halt!« rief ich ihm zu.

      Dieser Mann war sehr muthig. Statt weiter zu fliehen oder zu halten, warf er sein Pferd auf den Häcksen herum und kam mir entgegen. Im nächsten Augenblick mußten wir zusammenprallen. Ich sah ihn die Lanze heben und griff zu dem leichten Stutzen. Da nahm er sein Pferd um einige Zoll nur auf die Seite. Wir sausten an einander vorüber; die Spitze seines Speeres war auf meine Brust gerichtet; ich parirte glücklich, nahm aber sofort mein Pferd herum. Er hatte eine andere Richtung eingeschlagen und suchte zu entkommen. Warum bediente er sich nicht seiner Flinte? Auch war sein Pferd zu wenig schlecht, als daß ich es unter ihm hätte erschießen mögen. Ich nahm den Lasso von der Hüfte, befestigte das eine Ende desselben am Sattelknopfe und legte dann den langen, unzerreißbaren Riemen in die Schlingen. Er blickte sich um und sah mich näher kommen. Er hatte wohl noch nie von einem Lasso gehört und wußte also auch nicht, wie man dieser so gefährlichen Waffe entgehen kann. Zur Lanze schien er kein Vertrauen mehr zu haben, denn er nahm sein langes Gewehr, dessen Kugel ja nicht zu pariren war. Ich maß die Entfernung scharf mit dem Auge, und grad, als er den Lauf erhob, schwirrte der Riemen durch die Luft. Kaum hatte ich mein Pferd zur Seite genommen, so fühlte ich einen Ruck: ein Schrei erscholl, und ich hielt an – der Bebbeh lag mit umschlungenen Armen am Boden. Einen Augenblick später stand ich bei ihm.

      »Hast Du Dir wehe gethan?«

      Diese meine Frage mußte unter den gegenwärtigen Umständen allerdings wie Hohn klingen. Er suchte seine Arme zu befreien und knirschte:

      »Räuber!«

      »Du irrst! Ich bin kein Räuber; aber ich wünsche, daß Du mit mir reitest.«

      »Wohin?«

      »Zum Khan der Bejat, dem Du entflohen bist.«

      »Der Bejat? Also gehören die Männer, welche ich traf, zu diesem Stamme! Und wie heißt der Khan?«

      »Heider Mirlam.«

      »Oh, nun weiß ich Alles. Allah möge Euch verderben, die Ihr doch nur Diebe und Schufte seid!«

      »Schimpfe nicht! Ich verspreche Dir bei Allah, daß Dir nichts geschehen soll!«

      »Ich bin in Deiner Gewalt und muß Dir folgen.«

      Ich nahm ihm


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