Von Bagdad nach Stambul. Karl May

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Von Bagdad nach Stambul - Karl May


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Gedanken an Flucht zu hegen, sondern pfiff seinem Pferde und schwang sich auf.

      »Ich traue Deinem Worte,« sagte er. »Komm!«

      Wir galoppirten neben einander zurück und fanden die Bejat am Ausgange der Vertiefung auf uns warten. Als Heider Mirlam den Gefangenen erblickte, klärte sich sein finsteres Gesicht auf.

      »Herr, Du bringst ihn wirklich!« rief er.

      »Ja, denn ich habe es Dir versprochen. Aber ich habe ihm mein Wort gegeben, daß ihm nichts geschehen soll. Hier sind seine Waffen!«

      »Er soll später Alles wieder haben, jetzt aber bindet ihn, damit er nicht entfliehen kann!«

      Diesem Befehle wurde sogleich Gehorsam geleistet. Unterdessen war die zweite unserer Abtheilungen herangekommen, und ihr wurde der Gefangene mit dem Bedeuten übergeben, ihn zwar gut zu behandeln, ihn aber ebenso gut zu bewachen. Dann wurde der unterbrochene Ritt fortgesetzt.

      »Wie ist er in Deine Gewalt gekommen?« frug der Khan.

      »Ich habe ihn gefangen,« antwortete ich kurz; denn ich war verstimmt über sein Verhalten.

      »Herr, Du zürnst,« meinte er; »Du wirst aber noch erkennen, daß ich so handeln mußte.«

      »Ich hoffe es!«

      »Dieser Mann darf nicht ausplaudern, daß die Bejat in der Nähe sind.«

      »Wann wirst Du ihn entlassen?«

      »Sobald es ohne Gefahr geschehen kann.«

      »Bedenke, daß er eigentlich mir gehört. Ich hoffe, daß mein ihm gegebenes Wort nicht zu Schanden werde!«

      »Was würdest Du thun, wenn das Gegentheil geschähe?«

      »Ich würde einfach Dich –«

      »Tödten?« fiel er mir in die Rede.

      »Nein. Ich bin ein Franke, das heißt, ich bin ein Christ; ich tödte nur dann einen Menschen, wenn ich mein Leben gegen ihn vertheidigen muß. Ich würde Dich also nicht tödten, aber ich würde die Hand, mit welcher Du Dein Versprechen mir bekräftigt hast, zu Schanden schießen. Der Emir der Bejat wäre dann wie ein Knabe, der kein Messer zu führen versteht, oder wie ein altes Weib, auf dessen Stimme nichts gegeben wird.«

      »Herr, wenn mir das ein Anderer sagte, so würde ich lachen; Euch aber traue ich es zu, daß Ihr mich mitten unter meinen Kriegern angreifen würdet.«

      »Allerdings thäten wir das! Es ist Keiner unter uns, der sich vor Deinen Bejat fürchten möchte.«

      »Auch Mohammed Emin nicht?« erwiederte er lächelnd.

      Ich sah mein Geheimniß verrathen, aber ich antwortete gleichmüthig:

      »Auch er nicht.«

      »Und Amad el Ghandur, sein Sohn?«

      »Hast Du jemals vernommen, daß er ein Feigling sei?«

      »Nie! Herr, wäret Ihr nicht Männer, so hätte ich Euch nicht bei uns aufgenommen; denn wir reiten auf Wegen, welche gefährlich sind. Ich wünsche, daß wir sie glücklich vollenden!«

      Der Abend brach herein, und eben, als es so dunkel wurde, daß es die höchste Zeit zum Lagern war, gelangten wir an einen Bach, welcher aus einem Labyrinth von Felsen in das Freie sich ergoß. Dort lagerten die vier Bejat, welche uns vorausgeritten waren. Der Khan stieg ab und trat zu ihnen, um sich längere Zeit leise mit ihnen zu unterhalten.

      Warum that er so heimlich? Hatte er etwas vor, was nur sie allein wissen durften? Endlich gebot er seinen Leuten, abzusteigen. Einer der Vier schritt uns voran, in das Felsengewirr hinein. Wir führten die Pferde hinter uns und gelangten nach einiger Zeit in eine große, ganz von Felsen eingeschlossene freie Rundung. Dieser Ort war das sicherste Versteck, welches jemals gefunden werden konnte, freilich viel zu klein für zweihundert Mann und deren Pferde.

      »Bleiben wir hier?« frug ich.

      »Ja,« antwortete Heider Mirlam.

      »Aber nicht Alle!«

      »Nur vierzig; die Andern werden in der Nähe lagern.«

      Diese Antwort mußte mich zufrieden stellen; nur wunderte es mich, daß trotz der Sicherheit unserer Lage kein Feuer angebrannt wurde. Dies fiel auch den Gefährten auf.

      »Schöner Platz!« sagte Lindsay. »Kleine Arena. Nicht?«

      »Allerdings.«

      »Aber feucht und kalt hier am Wasser. Warum nicht Feuer anmachen?«

      »Weiß es nicht. Vielleicht sind feindliche Kurden in der Nähe.«

      »Was aus ihnen machen? Niemand kann uns sehen. Hm! Gefällt mir nicht!«

      Er warf einen zweifelhaften Blick auf den Khan, welcher mit dem sichtlichen Bestreben, von uns nicht gehört zu werden, zu seinen Leuten redete. Ich setzte mich zu Mohammed Emin, welcher auf diese Gelegenheit gewartet zu haben schien, denn er frug mich sofort:

      »Emir, wie lange bleiben wir bei diesen Bejat?«

      »So lange es Dir beliebt.«

      »Ist es Dir recht, so trennen wir uns morgen von ihnen.«

      »Warum?«

      »Ein Mann, der die Wahrheit verschweigt, ist kein guter Freund.«

      »Hältst Du den Khan für einen Lügner?«

      »Nein; aber ich halte ihn für einen Mann, der nicht Alles sagt, was er denkt.«

      »Er hat Dich erkannt.«

      »Ich weiß es; ich habe es an seinen Augen gesehen.«

      »Nicht bloß Dich, sondern auch Amad el Ghandur.«

      »Das ist leicht zu denken, da mein Sohn die Züge seines Vaters trägt.«

      »Macht Dir dies vielleicht Sorgen?«

      »Nein. Wir sind Gäste der Bejat geworden, und sie werden uns nicht verrathen. Aber warum haben sie diesen Bebbeh gefangen genommen?«

      »Damit er unsere Anwesenheit nicht verrathen kann.«

      »Warum soll sie nicht verrathen werden, Emir? Was haben zweihundert bewaffnete und gut berittene Reiter zu fürchten, wenn sie keinen Troß bei sich haben, weder Weib noch Kind, weder Kranke noch Greise, weder Zelte noch Heerden? In welcher Gegend befinden wir uns, Effendi?«

      »Wir sind inmitten des Gebietes der Bebbeh.«

      »Und er wollte zu den Dschiaf? Ich habe wohl bemerkt, daß wir immer gegen Mittag ritten. Warum theilt er heute die Leute in zwei Lager? Emir, dieser Heider Mirlam hat zwei Zungen, obgleich er es ehrlich mit uns meint. Wenn wir uns morgen von ihm trennen wollen, welchen Weg schlagen wir dann ein?«

      »Wir haben die Berge des Zagros zu unserer Linken. Die Distriktshauptstadt Banna liegt ganz in unserer Nähe, wie ich vermuthe. Geht man an ihr vorüber, so kommt man nach Amehdabad, Bija, Surene und Bayendereh. Hinter Amehdabad öffnet sich ein Paß, welcher durch einsame Schluchten und Täler nach Kizzelzieh führt. Dort hat man die Hügel von Girzeh und Sersir zur Rechten, ebenso die kahlen Berge von Kurri-Kazhaf; man gelangt an die beiden Wasserläufe Bistan und Karadscholan, welche sich mit dem Kizzelzieh vereinigen und in den Kiuprisee fallen. Haben wir diesen erreicht, so sind wir geborgen. Dieser Weg ist freilich beschwerlich.«

      »Woher weißt Du dies?«

      »Ich habe in Bagdad mit einem Bulbassi-Kurden gesprochen, welcher mir diese Gegend so gut beschrieb, daß ich mir eine kleine Karte anfertigen konnte. Ich glaubte nicht, sie brauchen zu können, habe sie aber doch hier in mein Günteste gezeichnet.«

      »Und Du meinst, daß es gut sei, diesen Weg einzuschlagen?«

      »Ich habe mir auch andere Orte, Berge und Flüsse aufgezeichnet, halte diesen Weg aber für den besten. Wir könnten entweder nach Sulimania oder über Mik und Doweiza nach Sinna reiten, wissen aber nicht, welche Aufnahme wir dort finden.«


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