TARZAN UND DER SCHATZ VON OPAR. Edgar Rice Burroughs
Читать онлайн книгу.horchte gespannt, aber der Schrei wiederholte sich nicht. Im flackernden Schein der Kerze ging er weiter und stieß zu seinem Entsetzen auf eine Mauer, die den Tunnel in seiner ganzen Höhe verschloss. Erleichtert stellte er bei genauerer Betrachtung fest, dass die Steine nur lose aufeinandergelegt waren, so dass er eine Öffnung schaffen konnte, durch die er sich zwängte. Er stand nun in einem großen Raum mit einer Tür, die sich knarrend in den Angeln bewegte.
Die Kerze war herabgebrannt und drohte seine Finger zu versengen. Mit einer Verwünschung ließ er sie fallen und stand wieder in völliger Dunkelheit. An den Wänden tastete er sich weiter, aber der Tunnel schien kein Ende zu nehmen. Dann aber gelangte er in einen Raum, in den durch eine Öffnung in der Decke schwaches Licht fiel. Erschöpft kauerte er sich nieder und schlief bald ein. Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte, als er wieder erwachte, aber sein knurrender Magen verriet ihm, dass Stunden vergangen sein mussten. Er hob den Kopf und entdeckte über sich Sonnenlicht, das sich auf schlanken Säulen spiegelte. Eine Treppe führte nach oben. Werper erklomm sie und stand in einem kreisrunden Hof. Dicht vor ihm erhob sich ein Altar aus Stein, der große dunkle Flecken aufwies. Offene Balkone umgaben den Hof. Kleine Äffchen spielten in den halbverfallenen Mauern, ein buntgefiederter Vogel zog lautlos seine Kreise. Kein Zeichen deutete darauf hin, dass Menschen anwesend sein könnten. Werper fühlte sich erleichtert, er seufzte, als sei ihm eine schwere Last von den Schultern genommen.
Rasch schritt er auf einen der zahlreichen Ausgänge zu, die nach draußen zu führen schienen - und blieb mit vor Schreck geweiteten Augen stehen.
Ein Dutzend Türen in der Mauer des Hofes öffneten sich zugleich und eine Horde von abstoßenden Geschöpfen stürzte sich auf ihn. Es waren die Priester des flammenden Gottes von Opar, hässliche Menschen mit langen Affenarmen, krummen, stämmigen Beinen, fliehenden Stirnen und bösartig funkelnden, nahe beieinander stehenden Augen.
Mit einem Schrei wandte Werper sich um, um die Flucht zu ergreifen, sah sich aber von allen Seiten eingekreist. Er kämpfte wie ein Rasender, erlag jedoch der Übermacht. An Händen und Füßen gefesselt erwartete er sein Schicksal. Was dann geschah, war eine Wiederholung dessen, was Tarzan und Jane Clayton erlebt hatten. Die Priesterinnen kamen, mit ihnen La, die Hohepriesterin. Werper wurde emporgehoben und auf den Opferaltar gelegt. Kalter Schweiß brach ihm aus allen Poren, als der Todesgesang an seine Ohren drang. Er sah die goldenen Kelche, aus denen die Geweihten bald sein Blut trinken würden. Er sehnte eine Ohnmacht herbei, bevor der Dolch der Hohepriesterin sein Herz traf - und dann vernahm er das schreckliche Gebrüll, das die Hohepriesterin den Dolch senken ließ. Ihre Augen weiteten sich entsetzt. Die Priesterinnen schrien auf und flohen den Ausgängen zu. Werper hob den Kopf, um nach der Ursache der Verwirrung zu schauen. Als er sie erkannte, erstarrte er in eiskalter Furcht. Ein großer Löwe stand mitten im Tempel, zwischen den mächtigen Klauen die blutigen Überreste seines ersten Opfers.
Sechstes Kapitel
Sobald sie den ersten Schrecken nach dem Erdbebenstoß überwunden hatten, eilten Basuli und seine Krieger in den Tunnel, um nach Tarzan und den zwei Männern zu suchen, die sie aus ihren Reihen vermissten. Sie fanden den Weg versperrt durch ein Gewirr von Felsbrocken. Zwei Tage arbeiteten sie, um sich einen Weg zu ihren eingeschlossenen Freunden zu bahnen. Nach immenschlichen Anstrengungen hatten sie einen Teil des Tunnels freigelegt und fanden einen der Schwarzen tot, erschlagen von den Gesteinsmassen. Sie schlossen daraus, dass auch Tarzan und der andere Krieger tot unter den Felsen liegen müssten. Wieder und wieder riefen sie die Namen der Vermissten, bekamen aber keine Antwort. Schließlich gaben sie die Suche auf. Mit Tränen in den Augen warfen sie einen letzten Blick auf das vermeintliche Grab ihres Herrn, schulterten ihre Goldlasten, durchquerten das öde Tal von Opar und schlugen die Richtung zum heimatlichen Bungalow ein.
Zur gleichen Zeit ritt Achmed Zek, dem Ruf seines Lieutenants folgend, auf die Farm Tarzans zu. Mit ihm ritten seine wilden Araber und die verbrecherischen Schwarzen, die sich ihm im Laufe der Zeit angeschlossen hatten.
Mugambi war der erste, der das Näherkommen der finsteren Kavalkade bemerkte. Ihn hatte Tarzan als Führer der Waziri zurückgelassen, die für die Sicherheit Lady Greystokes sorgen sollten. Die Reiter waren noch weit entfernt, als das scharfe Auge Mugambis sie erspähte. Eine Weile musterte er die Gruppe aus schmalen Augen, dann wandte er sich um und jagte in Richtung der Eingeborenenhütten davon, um die Krieger zu alarmieren. Die Männer griffen nach ihren Waffen und Schilden. Einige versuchten, die Männer von den Feldern zurückzurufen, die Hauptmasse folgte Mugambi zum Bungalow.
Nur langsam näherte sich die Staubwolke. Mugambi wusste nicht mit Sicherheit, dass sie Feinde verbarg, aber er hatte lange genug im Dschungel gelebt, um auf jede Überraschung vorbereitet zu sein.
Der Bungalow der Greystokes eignete sich wenig zur Verteidigung. Kein Zaun umgab ihn, denn er lag mitten im Gebiet der treuen Waziri, und Tarzan hatte nie mit einem direkten Angriff durch Feinde gerechnet. Nur die Fenster waren durch schwere hölzerne Läden gesichert, die Schutz gegen Speere und Pfeile boten. Mugambi war gerade dabei, sie zu schließen, als Lady Greystoke auf der Veranda erschien.
»Was tust du, Mugambi?«, fragte sie. »Warum schließt du die Läden?«
Der Schwarze deutete auf die Ebene hinaus, wo die Gruppe weißgekleideter Reiter nun klar zu erkennen war.
»Araber«, erklärte er. »Sie kommen während der Abwesenheit des Großen Bwana, also kann es nicht in friedlicher Absicht sein.«
Jenseits des kurzgeschorenen Rasens und der dichten Büsche erkannte Lady Greystoke die glänzenden Körper ihrer Waziri, die ihre Waffen und ihren Kriegsschmuck trugen. Jane Clayton beobachtete sie mit stolzer Freude. Was konnte ihr geschehen, wenn solche Männer sie beschützten?
Hundert Meter draußen auf der Ebene blieb die anrückende Gruppe stehen. Mugambi eilte zu seinen Kriegern. Er erhob seine mächtige Stimme und schickte sie den Fremden entgegen.
»Araber!«, rief er. »Was tut ihr hier?«
»Wir kommen in Frieden«, rief Achmed Zek zurück.
»Dann kehrt um und zieht in Frieden weiter«, erwiderte Mugambi. »Wir wollen euch nicht hier haben. Zwischen Arabern und Waziri kann es keinen Frieden geben.«
Achmed Zek unterhielt sich gedämpft mit seinen Männern. Sekunden später prasselte ohne Warnung eine Salve gegen die Waziri. Zwei der Krieger fielen, die andern waren dafür, die Feindseligkeit mit einem Gegenangriff zu beantworten. Aber Mugambi war nicht nur tapfer, sondern auch klug. Er wusste, dass es Selbstmord war, gegen berittene Feinde, die mit Gewehren ausgestattet waren, anzustürmen. Stattdessen zog er sich mit seinen Kriegern hinter das Buschwerk des Gartens zurück. Achmed Zek machte sich die Taktik der Wüstenkämpfer zunutze. In langer, dünner Linie ließ er seine Männer galoppieren, bis sie einen Kreis bildeten, der sich immer mehr verengte. Unablässig feuerten sie dabei in das von den Waziris besetzte Buschwerk.
Die Waziri, berühmt für ihr Geschick im Umgang mit Pfeil und Bogen, brauchten sich ihres Widerstandes nicht zu schämen. Immer wieder holten ihre Pfeile einen der Gegner aus dem Sattel, aber die Übermacht war zu groß. Mugambi sah den Generalangriff kommen. Sein Warnruf erreichte die am Leben gebliebenen Krieger, als er auf die Veranda zustürmte, um dort die letzte Bastion zu errichten. Er drängte seine Herrin ins Innere des Hauses und bereitete sich darauf vor, dem Feind zum letzten Mal zu begegnen.
Immer wieder stürmten die Araber gegen die Veranda an. Schwärme von Pfeilen sirrten durch die Luft und suchten ihre Opfer, aber der Kampf war zu ungleich. Es gelang den Arabern, in das Haus einzudringen. Im Wohn- raum verteidigten die letzten der tapferen Krieger ihre weiße Herrin, geführt von dem riesenhaften Mugambi, der aus zahlreichen Wunden blutete.
Die Araber hoben ihre Gewehre, um die letzte Salve abzufeuern, die den Kampf entscheiden musste.
»Schießt nicht auf die Frau!«, schrie Achmed Zek warnend. »Wer ihr etwas antut, hat sein Leben verwirkt. Nehmt sie lebend gefangen!«
Die Araber stürmten vor. Die Waziri setzten sich mit ihren Speeren zur Wehr. Schwerter blitzten, langläufige Pistolen bellten, ein Waziri nach dem andern sank leblos zu Boden. Schließlich verteidigte nur noch Mugambi seine Herrin.