Revenge. Fritz Dominik Buri
Читать онлайн книгу.Herb stieg ein.
Die Bestätigung für den Kurs an den ihn sein Berater vom Arbeitsamt geschickt hatte, kaum zwei Tage später und beinhaltete alle wichtigen Informationen, wie lange die Kurszeiten dauerten, Themeninhalte usw.
Herb las die Mail doch war in Gedanken ganz wo anders, kilometerweit weg in einer anderen Dimension, eingeschlossen und gefangen in seinen Gedanken und Überlegungen, wie er sie schon die ganze Zeit hatte.
Er schloss den Account wieder und ging zurück an den Esstisch, dort waren noch sein Kaffee und seine Zigaretten, zwei Substanzen von denen er sich in letzter Zeit viel zu häufig ernährte, doch das spielte keine Rolle, andere Dinge hatten Priorität.
Er bereitete sich vor für seine Mission und war darin verhaftet, in Gedanken die sich anderswo abspielten und zu denen ihm niemand folgen konnte, an einen Ort wo er für sich sein würde, an einem Ort der weit weg war und jenseits der Schmerzen und Pein derer er sich ausgesetzt fühlte, schon viel zu lange ausgesetzt fühlte.
Anfangs hatten ihm diese Gedanken Angst gemacht, ihn gelähmt und er hatte sich dabei so klein und einsam gefühlt, doch nun plötzlich, je mehr er darüber nachgedacht hatte, je mehr wurden ihm diese Gedanken vertrauter und nahmen ihm seine Ängste.
Sie waren so etwas wie seine stillen Begleiter geworden, oft kicherte Herb in seiner Wohnung die nicht mehr lange seine Wohnung sein würde, während er mit seinen Gedanken beschäftigt und die ihm neuen Auftrieb verschafften.
War das so eine Art Übertritt fragte sich Herb gelegentlich, nämlich dann, wenn er wieder in der Gegenwart war und nicht kilometerweit weg und in seinen Gedanken verhaftet?
Zeiten ändern sich dachte er und begann zu kichern und für ihn würden sich die Zeiten gewaltig ändern und nie mehr so sein wie es einmal waren, er wusste nicht, was in «drüben» wie er es inzwischen nannte, erwarten würde, doch er hatte ein gutes und angenehmes Gefühl, wenn er an «drüben» dachte.
Auch war erfreulich, dass dieses Gefühl nicht nur einmal da war und dann verschwand, es war jeden Tag da und fühlte sich immer etwas besser als zuvor an.
Dieses Gefühl hatte sich von etwas unbekanntem Fremdartigem zu etwas vertrautem und Angenehmen entwickelt, das war gut und machte Mut und gab Hoffnung, er war auf den rechten Weg.
Herb rauchte eine Zigarette und machte sich dann daran, seine Sachen in der Wohnung in Kisten und Kartons zu verstauen, er hatte noch Zeit bis zu dem Zeitpunkt an dem er raus musste, doch würde er schon jetzt damit anfangen.
Dieser blöde Kurs hatte ihm einen Strich durch seine Planung gemacht und er wollte auch nicht, dass es deswegen Probleme geben würde, also würde er daran teilnehmen, ob es ihm nun in den Zeitplan passte oder nicht.
Er hatte noch keine Ahnung wo er seine Sachen unterstellen sollte, das war auch egal, ihm würde etwas einfallen!
Oder sollte er die Sachen einfach verpackt in der Wohnung stehen lassen, mitnehmen würde er sowieso nichts, er würde sozusagen mit leichtem Gepäck reisen, mit sehr leichtem Gepäck sogar.
Wieder kicherte Herb bei diesem letzten Gedanken und machte weiter, Gegenstände in Kisten und Kartons zu verstauen, gelegentlich hielt er inne um eine Zigarette zu rauchen und etwas zu trinken, dann machte er weiter.
«Wie geht es dir Herbert» fragte die Stimme des Bruders am anderen Ende der Leitung, sein Bruder nannte ihn stets Herbert und nie Herb, er hatte ihn schon oft darauf aufmerksam gemacht, dass er lieber mit Herb angesprochen werde, doch dafür schien sein Bruder Daniel kein Gehör zu haben.
Schliesslich, als sie noch Kinder gewesen waren, hatte es Herb schliesslich aufgegeben und so war sein Bruder Daniel und Tante Mathilde die Einzigen in seinen Familien und Freundeskreis die ihn Herbert nannten.
«Danke Dani, immer dieselbe Scheisse» antworte Herb trocken «ich mache jetzt dann einen Kurs, der mir dabei helfen soll, bessere Kundenbeziehungen aufzubauen.»
«Ist doch gut, oder» an der Stimme seines Bruders konnte Herb erkennen, dass er den Missmut aus Herbs Stimme gehört hatte «ich hätte lieber mal wieder einen anständigen Job als so ein blöder Kurs, verstehst du?»
«Ja» Daniel antwortete leise weil er die Situation von Herb kannte und weil er sich schon immer in die Gefühlswelt seines jüngeren Bruders hatte hineinversetzen können «es kommen wieder bessere Zeit Herbert, du wirst sehen.»
Wenn sein Bruder die Absicht gehabt hatte, ihn damit aufzumuntern, dann war ihm dies gründlich misslungen, Herb wusste, dass er genauso wie sein netter Berater vom Amt, Herr Saxer es nur gut meinten.
Doch sie befanden sich nicht in seiner Situation, ihnen stand das Wasser nicht bis zum Hals und bereits darüber, sie zuckten nicht zusammen, wenn morgens die Türklingel ging und der Postbote mit einem neuen, einem weiteren Einschreiben oder einer gerichtlichen Androhung vor ihm stand, nein, so etwas kennt nur, wer es selbst erlebt und durchlebt hat.
Nein, so etwas konnte man auch schwer nachvollziehen, wenn man es nie selbst mitgemacht und erlebt hatte, warum, weil es schwer vorstellbar ist.
Deshalb machte es für Herb keinen Sinn, lange und breit darüber mit einem Menschen zu sprechen, sie würden dann sagen, ach das kommt schon, genauso wie sein Bruder es machte und jeder wüsste es natürlich besser, wie er, Herb seine Probleme in den Griff bekommen würde, jeder aus der betroffenen Person selbst.
«Ja, das sage ich mir auch immer, dass bessere Zeiten kommen» klar hatte sich Herb diese lange genug eingeredet und es hatte auch eine Zeit gegeben, da hatte er es auch tatsächlich geglaubt, inzwischen wusste er es besser «ich weiss deine Anteilnahme zu schätzen Daniel.»
«Ich bin dein Bruder, schon vergessen?»
Nein, das hatte Herb nicht vergessen «ja weiss.» antwortete er nachdenklich und versuchte dabei, gedanklich nicht abzuschweifen «warum hast du mich angerufen?»
«Ich wollte wissen wie es dir geht und weil ich schon länger nichts mehr von dir gehört habe!»
Herb wusste, dass sein Bruder zu ihm ehrlich war und dass seine Aussage auch so gemeint war, in der Aussage war nichts Gespieltes oder Geheucheltes, es war eine aufrichtige Feststellung die Geschwister einander machen.
Herb seufzte «ich danke dir, du weisst ja, es ist alles beim Alten und wenn sich etwas Neues ergibt, bist du der Erste der es erfährt.»
«Das hoffe ich doch sehr Herbert Bruderherz» ein gequältes Lächeln war zu vernehmen und Herb hatte einen Moment lang überlegt, seinem Bruder vom bevorstehenden Rauswurf zu erzählen, doch er liess es sein, das war eine Sache die nur ihn etwas anging und er wollte seinen Bruder damit auch nicht belasten.
Eine Pause entstand, eine Pause die bei Herb eine gewisse innere Anspannung auslöste, das war nicht gut, das war gar nicht gut und Brüder, Geschwister im Allgemeinen haben einen engeren Draht zueinander, würde er etwas vermuten, etwas ahnen?
«Nein Daniel, mach dir um mich keine Sorge, du weisst ja, Unkraut vergeht nicht und was mich nicht umbringt, macht mich stärker.»
Es hätte als Auflockerung rüberkommen sollen, doch Herb war seinen Tränen nahe und musste sich zusammenreissen, er wollte seinen Bruder da nicht mit hineinziehen.
«Das ist wohl so, doch als Bruder mache ich mir trotzdem gewisse Sorgen, würdest du ja an meiner Stelle auch tun, stimmt’s?»
«Oh ja stimmt.»
«Siehst du Herbert, dass meine ich damit.»
«Ich weiss» Herb versuchte so normal wie möglich zu sein, doch das Gespräch mit seinem Bruder setzte ihm seelisch zu, er wusste es und auch sein Bruder würde eine gewisse Vermutung, eine Empfindung haben, bleib mir fern dachte Herb und rang dabei mit den Tränen.
Das Gespräch vernahm eine für Herb ungünstige Richtung und er wollte das Telefonat so rasch wie möglich beenden, sonst würde er doch noch zu heulen anfangen, etwas, das er unbedingt vermeiden wollte.
«Doch nun zu dir, wie geht es dir und deiner Familie?»
«Bei