3000 Plattenkritiken. Matthias Wagner

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3000 Plattenkritiken - Matthias Wagner


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zu verbinden, war die beste Idee seines Lebens. Kaum ein Song berührt dich so schmerzlich schön wie ein Johanson-Song, und zu kaum einem schmeckt der Kehrausdrink in der Loungebar besser. Seine Musik ist der beste Novembersoundtrack, der mitten im Mai zu haben ist. Denn immer im Frühling gibt es ein neues Jay-Jay-Johanson-Album. Die ewige Abfolge der Jahreszeiten.

      Jayhawks

      „Smile” (2000)

      Aus der Asche der zerstrittenen New-Country-Band Jayhawks ersteht überraschend ein Popphönix – als hätte die Band aus Minneapolis alle wichtigen Elemente von Byrds, Beatles, Beach Boys und Wilco auf einmal eingesaugt. Wer von diesen beschwingt melancholischen Melodien umgeben und erfüllt ist, muss ein gutes Leben haben. Und Gary Louris, Sänger, Songwriter und Gitarrist, singt sie so, als wüsste er das genau. Selten hat ein Trio aus Gitarre, Bass und Drums (plus Streicher und Piano) einen so vollen Sound, eine so traumhafte Sicherheit beim Inszenieren seiner Songs erreicht. Bisher die Platte des Jahres – gerade weil sie traumverloren schwebt zwischen den Genres Pop, Rock, Country und Folk. Und es ist schon Juni!

      Jaz Coleman + Nigel Kennedy

      „Riders on the Storm – The Doors Concerto” (2000)

      Jene, die Nigel Kennedy schon immer des Verrates an den hehren Klassikidealen geziehen haben, werden wieder aufjaulen. Doors-Fans nicht. Denn was der Arrangeur Jaz Coleman (Ex-Killing-Joke) und Englands Geigenpunk aus den Songs der Westküstenikonen herausholen, ist allemal ähnlich gut wie die berühmten Stones-Adaptionen des London Symphony Orchestras. Ach was: Es ist viel besser. Wie sich die einst beschwingte Hippiehymne „Love Street“ unter großorchestraler Umarmung der Prager Symphoniker zur Wehmutsballade bläht, rührt fast zu Tränen, während „Light my Fire“ das ganze erotische Feuer der Vorlage aufnimmt und hellauf weiterlodern lässt. Und aus „The End“ wird eine Art „Bolero“. Kennedy kann eh nicht anders als sich einem Komponisten hinzugeben – ob er nun Vivaldi heißt oder Morrison. Großer Kitsch, große Klasse. Und letztlich eine größere Leistung als seine „Vier Jahreszeiten“-Einspielung, mit der er als junger Geiger weltberühmt wurde. So was hätte der Yehudi-Menuhin-Schüler Kennedy ewig weiter machen können: durch die renommiertesten Konzerthäuser ziehen und oben von der Bühne aus grauhaarigen Abonnementhonoratioren beim Wegdämmern zusehen. Doch er riskiert es, beim Crossover zu scheitern. Und tut es nicht mal – denn dieses Album ist ein einziger Triumph.

      Jazzpaña II

      „Jazzpaña II” (2000)

      Vor acht Jahren maßen sich schon einmal die besten Flamencospieler Spaniens mit US-Jazzgrößen; jetzt findet dieser faszinierende Tanz der Kulturen seine Fortsetzung – mit deutlich iberischer Domimanz. Dennoch ist schwer zu sagen, wer wen mehr beeinflusst. Zu homogen klingt das Ganze, zu souverän trippeln die spanischen Gitarren durch den lichten Wald aus Bläsern, Bass und Perkussion. Überragender Star unter Stars ist Gerardo Nuñez, dessen Saitenläufe nie etwas Onanistisches haben, sondern von tief empfundener Musikalität geprägt sind. Als sein prominentester Gegenpart agiert der Gastsaxofonist Michael Brecker, der in seinem Leben auch schon bei weniger quirligen Alben dabei war. Insgesamt elf Leute haben hier Spaß an der Freude. Absolut Grammy-tauglich.

      Jeff Buckley

      „Mystery white Boy” (2000)

      Die Legendenstrickmaschine surrt und surrt. Klar: Jeff Buckley war Sohn eines früh verstorbenen Genies und starb selber früh, ertrank 1997 im Wolf River, einem Zufluss des Mississippi, in Memphis, Tennessee. Die Legendenstrickmaschine webt deshalb Albumtitel wie „Mystery white Boy“, sie schickt sogar seine Mutter auf Interviewtour, und sie verlängert unablässig das schmale Œuvre, was am besten mit Livealben wie diesem geht. Es versammelt sperrige Auftritte aus zwei Jahren (1995/96) und auf drei Kontinenten. Kraftvolle und – bei aller Dynamik – beängstigend intime Songs eines Hochbegabten, dem nur der exzessive Vortrag geeignet zu sein schien, um dem Brodeln der Gefühle gerecht zu werden. Nichts gegen diese Musik, nur etwas gegen die Stilisierung, gegen das Surren der Legendenstrickmaschine, die nicht mal vor Platzierungsplattheiten zurückschreckt: Das letzte Stück ist „Hallelujah/It’s all over“. Eine Dramaturgie à la Hollywoodtrash.

      Jimmi’s Chicken Shack

      „Bring your own Stereo” (2000)

      Für einen Sänger, Songschreiber und Gitarristen, der sich Jimi Haha nennt, ist es kaum eine Beleidigung, wenn man ihn und seine Band schizophren nennt. Im Gegenteil, das freut den Mann. „Das Album IST schizophren“, begeistert er sich, „wie unsere Geschmäcker.“ Aus Maryland kommt die mit zwei Gitarren, Bass und Drums klassisch besetzte Combo; in diesem ländlichen Ambiente bleibt einem anscheinend kaum etwas anderes übrig, als schwammartig ferne Einflüsse aufzusaugen, ob es nun um Rap, Ska, Gitarrenpop oder Hardrock geht. Jimmie’s Chicken Shack sind ein guter Schwamm, und sie verstehen es, alles leicht verändert und eingefärbt wieder auszuwringen. Das sprudelt und spritzt dann ziemlich, wie das halt so ist bei Newcomern, bei denen der Enthusiasmus noch nicht der Saturiertheit wich. Stärkste Momente: die Kämpfe zwischen Gitarren und Streichern auf „Fill in the Blank“.

      Jimmie Dale Gilmore

      „One endless Night” (2000)

      Von hinten sieht er aus wie Laetitia Casta, von vorn wie ein Hippiebruder von Iggy Pop. Seine Musik erinnert allerdings stark an Willie Nelson. Als der neue Nelson wird der (gleichfalls schon grauhaarige) Gilmore gerade auch gefeiert, und legte er nicht bisweilen eine Spur zu viel Tremolo in seinen Gesang, die Mimikry gelänge noch besser. Vor allem seinen eigenen Stücken merkt man an, wie er sich bemüht, den Standard der Coverversionen zu erreichen. Die sind nämlich die Stärken seiner Platte, ob er sich nun Townes Van Zandt, John Hiatt oder Jerry Garcia vornimmt. Und Brecht/Weills „Mackie Messer“ gewinnt er somnambule, beinah gespenstische Stimmungen ab – trotz Steelgitarre und B3-Orgel.

      Joan Osborne

      „Righteous Love” (2000)

      Die Osborne ist nicht von dieser Welt. Sonst käme sie nicht auf die schnurrige Idee, Songs im Stil von Howlin’ Wolf schreiben zu wollen – jetzt, im Jahr 2000. Tut sie aber. Und mit dem Titelstück ihres neuen Albums gelingt ihr etwas, was eigentlich nicht mal mehr einen Versuch wert schien: eine üppige Bluesgroßballade hinzulegen, die ganz und gar von dieser Welt ist. Joan Osborne, die es schaffte, nach einem Platinalbum („Relish“, 1997) lange ohne Plattenvertrag dazustehen, präsentiert nun mit „Righteous Love“ einen ungemein kraftvollen Nachfolger, dessen Bluesbasis von Funkgitarren, melancholischen Streichern und Beatboxsplittern zeitgemäß verjüngt wird. Überragendse Stück ist das asiatisch angehauchte „If I was your Man“: ein verquerer Ohrwurm mit mäandernder Melodie. Welcome back, Lady!

      Joe Jackson

      „Night and Day II” (2000)

      Diese perlende, bisweilen überschäumende und New York gewidmete kleine Großstadtsinfonie klingt besonders gut am frühen Abend, wenn im Westen der Himmel noch hell ist, aber das Neon schon glüht. Das Album, geprägt von Joe Jacksons kraftvollem Tastenspiel und dem Ethel-Streichquartett, hat Gershwin viel zu danken, es nickt dem Soul freundlich zu und zitiert spielerisch die Popgeschichte. Der Brite, 1979 als Wavepopper gestartet, formte ein Handicap zur Tugend: „Ich fühle mich nicht eigenständig genug, um einen definitiven Stil zu haben“, gestand er schon damals, „deshalb benutze ich verschiedene, so wie ich verschiedene Kleidungsstücke trage.“ Jackson ist in der Lage, das Eklektische formvollendet in ein Konzept zu gießen, das schließlich zu nichts anderem wird als – Stil. Seine Sicht des urbanen Völkchens ist dabei eher von Hommage geprägt als von der Kritik am Moloch der Moderne, und das klingt so intellektuell wie eingängig. Auch das etwas, das nur ein Stilmixer wie Jackson hin bekommt.

      John Campbelljohn

      „Nerves


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