Anarchistische Analysen zur Gegenwart. Jörg Djuren
Читать онлайн книгу.wie verkaufe ich mich selbst,
- oder durch Berichte über Arbeitslose als Opfer bzw. Schmarotzer.
- ..
Überall läuft die Arbeits-Leistungs-Konkurrenz-Ideologie als Subtext mit.
Das es sich hier um die Fortsetzung religiöser Praxen zur Verbreitung von Ideologie handelt, ist an den verschiedenen Aufgriffen religiöser Mythen und kultischer Handlungen ersichtlich.
So sind Olympiaden und Weltmeisterschaften kultisch religiöse Großereignisse, bei denen sich Menschen z.B. mit den Farben 'ihrer Mannschaft' kleiden oder Körperbemalungen auftragen, spezielle Gesänge anstimmen, stimulierende Drogen zu sich nehmen und sich mit Wildfremden verbrüdern. Verehrt wird dabei ein Arbeits-Leistungs-Kult.
Es wäre sicher interessant gezielt die Olympia-Berichterstattung aus China unter diesem Gesichtspunkt zu analysieren, da hier das kultische Großereignis verschmolz mit dem Mythos asiatischer Ökonomien. Das heißt, die Olympia-Berichterstattung aus China dürfte zu einem nicht unerheblichen Teil der ideologischen Mobilmachung in Europa im Sinne der Arbeits-Leistungs-Konkurrenz-Ideologie gedient haben.
Auch die Rekurse der Genetik auf das Versprechen ewigen Lebens, den Quell der Jugend, die Heilung aller Krankheiten, bzw. im Negativmythos, der Rekurs auf die Seuchenmetapher u.a. sind nichts anderes als Rückgriffe auf religiöse Mythologie.
Und auch die Diskussion von Neurologen über den freien Willen gehört in diesen Bereich der Rückbindung der Wissenschaft an religiöse Diskurse. Die mittelalterlich Frage, ob die Allmacht und Allgegenwart 'Gottes' einem Konzept des freien Willens widersprechen würde, wird hier wieder aufgebrüht mit dem einzigen Unterschied, daß 'Gott' durch 'DIE BIOLOGIE' ersetzt wird.
Die soziobiologistischen Argumentationen für Arbeit und Konkurrenz sind dabei nicht weniger absurd als die protestantischen.
Auf der einen Seite wird sozialdarwinistisch der Kampf jede/r gegen jede/n zur biologischen Natur der Menschen (v)erklärt, auf der anderen Seite wird gerade dies dann als Argument verwandt, um die Arbeits-Leistungs-Konkurrenz-Ideologie gegen andere politische und gesellschaftliche Entwicklungen mit staatlicher Gewalt und Propaganda durchzusetzen.
Würde es sich um Biologie handeln, wäre aber eine politische Durchsetzung überflüssig, da die Menschen sich dann auf Grund ihrer biologischen 'Natur' von selbst entsprechend der Arbeits-Leistungs-Konkurrenz-Ideologie verhalten würden. Schließlich muß auch niemand zum Atmen gezwungen werden. Das die Arbeits-Leistungs-Konkurrenz-Ideologie durch einen großen Aufwand an Gewalt (Arbeitshäuser, Zwangsarbeit, Schule, ..) und Propaganda erst durchgesetzt werden mußte zeigt, daß es sich bei ihr mitnichten um ein naturgegebenen Verhalten handelt.
- Der Punkt in dem die Arbeitsideologie auch heute noch am stärksten auf die Herkunft aus der Ethik des asketischen Protestantismus verweist, ist ein Punkt, bei dem dies am wenigsten gesehen wird. Die instrumentelle Vernunft, die zweckfreie Lust an funktionalen Abläufen, die den Kern der Identifikation des Subjekts mit entfremdeter Arbeit ausmacht, ist im wesentlichen identisch mit dem asketischen Ideal, dem Haß des asketischen Puritaners auf eine amoralische, lusterfüllte, schmutzige, unberechenbare Welt. Denn die funktionale Betrachtungsweise negiert ja gerade all die Dinge, die ein lusterfülltes, lebendiges Leben ausmachen, die halt unberechenbar, schief, lustvoll und witzig sind, und sich nicht in Formelwerten, Kennziffern und Geldwert abbilden lassen80 .
Der kapitalistische Inwertsetzungsfanatismus, die zwanghafte Reduktion aller Dinge auf einen Geldwert, also auf Kennziffern und Zahlen, ist insofern nur eine modernisierte Variante der puritanischen Abtötung der Welt als lebendige, eines Puritanismus, der letztendlich nur noch die 'perverse' Lust des sinnentleerten Funktionierens und der zweckfreien Kapitalakkumulation übrig läßt.
3 Teil
Und zum Schluß noch eine etwas queere These:
- Ich behaupte, daß die Aufwertung der Arbeit durch den Protestantismus sowohl den Kommunismus als auch den modernen Anarchismus erst ermöglicht hat.
Diese Aufwertung hat neben der Arbeit als 'Gottesdienst', also Arbeit um ihrer selbst Willen, noch eine zweite Seite, der Aufwertung von Arbeit als wirkender Tätigkeit, die es den Arbeitenden ermöglicht die Welt zu gestalten, die also ein zentrales Moment der Befreiung des Subjektes vom Zwang darstellt. Mit der Arbeit wird auch das arbeitende Subjekte aufgewertet.
Das Christentum ist eine Sklavenmoral und auch das im doppelten Sinn. Im Sinn der Unterordnung, des sich Einfügens in 'Gott' gewollte Verhältnisse, aber eben dazu im Widerspruch auch, im Sinn der Aufwertung der Arbeitenden zu vollwertigen Subjekten und der Sichtbarmachung der Bedeutung ihrer Tätigkeit.
Ohne diese Aufwertung der Arbeit und der Arbeitenden wäre weder der Kommunismus noch der Anarchismus denkbar.
Eine Grundmoment der anarchistischen Utopie ist die Überzeugung, das ich durch Arbeit die Welt verändern kann, das die Handlungsmacht letztendlich bei den Tätigen liegt und nicht bei den Herrschenden, das ich durch Arbeit eine freiere und bessere Welt schaffen kann.
Nur ist die Voraussetzung, daß sich die Menschen selbst ihre Arbeitskraft wieder aneignen.
Die Abwertung der eigenen Fähigkeit, durch Arbeit die Welt zu gestalten und zu verändern, führt politisch ins NICHTS!
Die feministische Bewegung hat in den 70er Jahren wesentlich durch die Aufwertung und Sichtbarmachung der Arbeit von Frauen dazu beigetragen Frauen als politische Akteure in der Gesellschaft zu stärken. Dies war mit problematischen Glorifizierung weiblicher Arbeit verbunden, trotzdem war es eine wesentliche Voraussetzung für die Wirksamkeit der feministischen Bewegung.
Anarchistinnen und Anarchisten sollten ihre Fähigkeit durch Arbeit gestaltend in die Welt einzugreifen positiv aufgreifen und offensiv nutzen ohne falsche Verklärung und Glorifizierung der erzwungenen und entfremdeten Arbeit.
Es geht darum die Enteignung der eigenen Arbeitskraft zurück zu drängen, und die eigene Arbeitskraft in alternative selbst bestimmte Projekte einzubringen, als Mittel der Befreiung, als ein Stück vorweg genommene Freiheit.
Dem Protestantismus ist in diesem Sinn vor Allem vorzuwerfen, daß er auf halben Weg stehen geblieben ist.
Jörg Djuren - Hannover, 2008
(Ursprünglich Vortragsmanuskript für eine Veranstaltung der FAU Mannheim)
FIN
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