Anarchistische Analysen zur Gegenwart. Jörg Djuren
Читать онлайн книгу.sondern selbst zu den Mitteln der Stiftungen werden. Das heißt die Stiftungen selbst und die Mittelvergabe werden, wie bei einem Konzern, nach Effizienz und Erfolgskriterien, die in Zahlen und Geld gefaßt werden, organisiert.
Inzwischen gibt es aber eine differenzierte Kritik an diesem Ansatz von Seiten radikaler KritikerInnen49 und aus den Reihen der alten liberalen Stiftungen. So definiert Michael Edwards, ein CEO der Ford-Foundation, Philanthrocapitalism in seinem Buch "Just Another Emporer? The Myths and Realities of Philanthrocapitalism"50 , durch folgende Punkte;
- Philanthrokapitalisten verstehen sich selbst als stark engagiert, daß heißt übersetzt, sie wollen den Einsatz der Mittel stark kontrollieren und eigenständig intervenieren. Für die geförderten Projekte bedeutet dies starke Verluste an Selbstständigkeit und einen permanenten Kontrolldruck.
- Effektivität wird wie bei einem Großunternehmen gemessen durch Zahlen und Statistiken.
- Die Strategie setzt auf die aggressive kurzfristige Umsetzungen von Aktivitäten, die sich möglichst bald selbst tragen sollen. Es geht um die Ausweitung von Märkten und die Integration der Bedürftigen als Marktsubjekte als Ideallösung.
- Die Verwischung der Grenzen zwischen zivilgesellschaftlichen Institutionen und Konzernen durch die systematische Förderung von Initiativen in denen zivilgesellschaftliche Gruppen mit Konzernen zusammenarbeiten ist ein angestrebtes Ziel. Die philanthrokapitalistische Ideologie kennt keine grundlegenden Interessenwidersprüche, sondern nur mangelnde Marktintegration.
Als DAS erfolgreiche Beispiel für Philanthrokapitalismus gilt das Konzept der Microkredite.
Auf dieser Beschreibung des Philathrokapitalismus aufbauend formuliert Edwards seine Kritik;
- Der Hype um Philanthrokapitalismus, mit denen sich die Philanthrokapitalisten als die effiziente Lösung der Weltprobleme feiern, hat bisher keine nachweisbaren Ergebnisse vorzuweisen.
- Die Konzentration des Reichtums und der Macht in den Händen Weniger ist eine Gefahr für die Demokratie. Philanthrokapitalismus ist ein Symptom des Problem der Ungleichheit weltweit und nicht die Lösung.
- Die Übertragung des Konzern- und Effizienzdenkens auf die Zivilgesellschaft droht diese ernsthaft zu beschädigen.
Konkret sieht er die Gefahr, daß zivilgesellschaftliche Institutionen zunehmend fremdgesteuert werden durch Marktkonkurrenz um finanzielle Zuwendungen, daß die Grenzen zwischen Zivilgesellschaft und Konzernen, die notwendig für eine funktionierende Demokratie und Kontrolle sind, verwischt werden, und Ressourcen von Initiativen, die strukturelle Veränderungen anstreben, abgezogen werden zu Gunsten sozialer und ökologischer Serviceageturen. Außerdem sieht er die Gefahr einer zunehmenden Ungleichheit zwischen hochgeförderten und nicht geförderten zivilgesellschaftlichen Gruppen und die Gefahr der Spaltung. Die Menschen werden darüber hinaus in die Haltung von passiven KonsumentInnen gedrängt, anstatt sie zur aktiven Partizipation zu motivieren. Letztendlich werden notwendige zivilgesellschaftliche Reformprozesse unterbunden.
Ausgangspunkt für Edwards Kritik ist dabei die Erfahrung der alten liberalen Stiftungen. Es waren die wenig organisierten diffusen Strukturen der Bürgerrechtsbewegung in den USA, die in Folge von 68 die Gesellschaft tiefgehend veränderten. Und Edward zitiert auch eine aktuelle sozialwissenschaftliche Untersuchung über die Wirksamkeit von 12.000 Umwelt-NGO über den Zeitraum 1999 bis 2006. Am erfolgreichsten waren die Gruppen, die am weitesten entfernt von den Vorstellungen der Philanthrokapitalisten waren: "Social movements are most effective when they are purest, most radical, and most disorganized."51 Die pragmatisch orientierten Gruppen waren die ineffizientesten.
Dazu kommt, daß Philanthrokapitalisten zum Teil auch ihr philanthropischen Engagement direkt mit Firminteressen vermischen. So fördert die Gatesstiftung, die Verbreitung von Computern mit Microsoft-Software in Konkurrenz zum 'philanthropischen' Engagement von Google, die gezielt mit der 'philanthropischen' Förderung von Open Source dagegen halten. Und die Stiftungsmittel der Gates-Foundation werden auch schon mal genutzt um strategische Übernahmen im us-amerikanischen Mediensektor zu finanzieren52 .
Diese Investitionen weisen auch auf einen zweiten Sektor des Philanthrokapitalismus, auf das zunehmende 'philanthropische' Engagement von Firmen. Hier geht es nicht mehr primär um Spenden um den eigenen Ruf aufzubessern, sondern um strategische 'Philanthropie'. So investieren in Afrika engagierte US-Firmen inzwischen im Schnitt 4% ihrer Gewinne in 'philanthropische' Projekte, die genauer aber wohl als Investition in regionale biopolitische Infrastrukturmaßnahmen bezeichnet werden sollten53 . Eine regionale funktionierende Basisgesundheitsversorgung ist z.B. Voraussetzung für eine effiziente Vernutzung von qualifizierten Arbeitskräften.
Aus Sicht einer radikalen Kritik geht es beim Philanthrokapitalismus um die Instrumentalisierung zivilgesellschaftlicher Institutionen für die Ausweitung von Märkten und die biopolitische Formierung der Subjekte zu Marktsubjekten.
Das dies nicht eine verschwörungstheoretische Phantasie ist, sondern eine realistische Einschätzung der Intentionen der Philanthrokapitalisten ist, ist exemplarisch an der Rede "A New Approach to Capitalism in the 21st Century"54 von Bill Gates im Januar 2008 in Davos auf dem World Economic Forum (WEF) ersichtlich.
Gates nennt seinen Ansatz "Creative Capitalism", es handelt sich dabei aber nur um einen neuen Begriff für Philanthrokapitalismus.
Für Gates liegt das Allheilmittel in der Ausweitung der Märkte, so daß auch die Armen zu interessanten Marktsubjekten für das Kapital werden;
"The challenge here is to design a system where market incentives, including profits and recognition, drive those principles to do more for the poor.
I like to call this idea creative capitalism, an approach where governments, businesses, and nonprofits work together to stretch the reach of market forces so that more people can make a profit, or gain recognition, doing work that eases the world's inequities.
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My thinking on this subject has been influenced by many different experiences, including the work Microsoft does to address inequity.
For the past 20 years, Microsoft has used corporate philanthropy as a way to bring technology to people who don't have access. We've donated more than US$3 billion in cash and software to try to bridge the digital divide.
But our greatest impact is not just free or inexpensive software by itself, but rather when we show how to use technology to create solutions.
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In one case, we're developing an interface that will enable illiterate or semi-literate people to use a PC instantly, with minimal training or assistance. In another we're looking at how wireless, together with software, can avoid the expensive connectivity costs that far more than the cost of software or hardware is what stands in the way of computing access in rural areas.
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This kind of creative capitalism matches business expertise with needs in the developing world to find markets that are already there, but are untapped.
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Another approach to creative capitalism includes a direct role for governments. Of course, governments already do a great deal to help the poor in ways that go far beyond just nurturing markets: They fund aid research, healthcare; they've done great things. But I believe the highest-leverage work that governments can do is to set policy to create market incentives for business activity that improves the lives of the poor.
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I'd like to ask everyone here, whether you're in business, government or the non-profit world, to take on a project of creative capitalism in the coming year, and see where you can stretch the reach of market forces to help push things forward. Whether it's foreign aid or charitable gifts or new products, can you find a way to apply this so that the power of the marketplace helps the poor?"55
Für Bill Gates sind die erfolgreichen Konzernmanager DIE Fachleute