Anarchistische Analysen zur Gegenwart. Jörg Djuren

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Anarchistische Analysen zur Gegenwart - Jörg Djuren


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wurde als Diskussionspapier für eine Treffen des AK Biopolitik geschrieben. Falls Ihr mehr über unsere Diskussionen wissen wollt, schaut mal auf - http://www.lifekritik.de - nach.

      Jörg Djuren - Hannover, Juni 2008

      (Veröffentlichung - alaska - Bremen, 2009)

      FIN

      Wes Geistes Kind? Arbeit(s)-Religion

      1. Teil

      Von Luther zu Müntefering

      Das der protestantische Geist das ethische Rückrat bei der Herausbildung des Kapitalismus war, gilt seit 100 Jahren in der Soziologie als Allgemeinplatz. Vom Beten, zum Beten und Arbeiten, zur Arbeit als 'Gottesdienst' bzw. als Beweis der eigenen Ausgewähltheit durch 'Gott', führt der Weg des Protestantismus. Die Aufwertung der Arbeit zum Lebenssinn ist nicht begreifbar ohne ihre religiöse Überhöhung.

      Max Weber führt in seiner Schrift 'Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus' schon 1904 aus, daß das Verständnis von Arbeit als Beruf(ung) und nicht als Notwendigkeit zum Erwerb von Lebensmitteln durch einen langwierigen Sozialisationsprozeß erst erzeugt werden mußte.

      Für die präkapitalistische Zeit, das Mittelalter und davor, war typisch, daß Arbeitskräfte genau so viel arbeiteten, wie zum Erwerb des Lebensnotwendigen nötig war. Eine Erhöhung des Akkordlohns verringerte die Produktivität, da mit geringerer Stückzahl das gleiche verdient werden konnte. Die Arbeit wurde mit dem geringsten möglichen Aufwand erledigt und nicht mit Pflichtbewußtsein. In der griechisch-römischen Zivilisation wurde Arbeit als Sklaventätigkeit betrachtet.

      Für katholische Mönche war Arbeit eine Demutsbezeugung und ein Mittel der Selbstkasteiung.

      Erst mit Beginn der Neuzeit kommt es zu einer Umwertung.

      In seiner Schrift 'Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus' hat Max Weber die kulturellen Umbrüche untersucht, die hierzu geführt haben. Max Weber vertritt dabei im Gegensatz zu Karl Marx die Position, daß die materiellen Bedingungen alleine zur Erklärung nicht ausreichen. Er stellt die Frage, wie sich die neue kulturelle Hegemonie durchsetzen konnte, und wieso dies in Europa geschah.

      Historisch führt Weber die Sozialisation, zum Begreifen der Arbeit als Beruf(ung), auf den Protestantismus zurück. Der Protestantismus hat im Gegensatz zum Katholizismus, im Gegensatz zur mönchischen Askese, die weltliche Pflichterfüllung innerhalb des BERUFES, ein Begriff der zuerst in der Bibelübersetzung von Luther im Sinn von weltlicher Arbeit verwendet wurde, als höchsten Inhalt sittlicher Selbstbestätigung gesetzt. Die Erfüllung der innerweltlichen Pflicht ist für die lutherischen ProtestantInnen der einzige Weg, 'Gott' wohlzugefallen.

      Luther und der luthersche Protestantismus dachte dies aber konservativ, die Menschen waren von 'Gott' an ihren Arbeitsplatz gestellt worden und hatten dieses Schicksal ohne Murren zu ertragen.

      In seinen Schriften gegen die aufständischen Bauern, fordert er von ihnen gegenüber dem deutschen Adel Gehorsam ein, und den Adel fordert Luther auf, die aufständischen Bauern wie tollwütige Hunde zu erschlagen.

      Der Calvinismus und mit ihm diverse weitere radikalisierte asketische protestantische Richtungen spitzten den Arbeitsbegriff weiter zu, der Beruf (im Englischen 'Calling'), wurde hier noch zentraler für das Seelenheil. Im Gegensatz zum lutherischen Protestantismus ging es aber nicht mehr primär um das Ausfüllen des von 'Gott' zugewiesenen Ortes sondern um beruflichen Erfolg.

      Nach Weber war es in einer paradoxen Logik gerade die Askese und die Weltabgewandtheit die zum Materialismus und zur Berufsdisziplin der 'PuritanerInnen' führte. Im Gegensatz zum lutherschen Protestantismus waren den niederländischen, englischen usw. protestantischen Richtungen Genuß und Lebenslust zutiefst zuwider. Der Zusammenhang mit der Berufsauffassung wird klar, betrachte ich die disziplinatorischen Aspekte der Arbeit als Ursache für die Arbeitssucht der CalvinistInnen. Die Arbeit galt als Mittel um nicht sündigen Gelüsten und sündigem Handeln zu verfallen, z.B. sollte der Beischlaf in der Ehe ausschließlich zum Zweck der Kinderzeugung erfolgen und keine Lust bereiten, um dies zu erreichen wurden kalte Wickel, fades Essen und ein diszipliniertes Arbeitsleben empfohlen.

      Der Unterschied zum lutherschen Protestantismus wird vielleicht am einfachsten deutlich an Hand des Lutherausspruch; 'Warum furzet und rülpset Ihr nicht?' gegenüber calvinistisch beeinflußten ProtestantInnen.

      Aber es wird noch paradoxer. Weber führt dies auf das calvinistische Dogma der Gnadenwahl zurück.

      Dieses Dogma sagt aus, daß 'Gott' der Allmächtige schon immer festgelegt hat, wer verdammt ist und wer zu denjenigen gehört, die erlöst werden beim Jüngsten Gericht, menschliches Handeln kann daran nichts ändern.

      Nun haben die CalvinistInnen daraus nicht etwa den logischen Schluß gezogen, daß es dann ja egal sei und alle ihren Spaß haben könnten, sondern, um sich selbst ihres Status als die Ausgewählten zu versichern, versuchen sie sich bereits im Leben als protestantische Heilige zu konstruieren. Als Beweis vor sich selbst, zu den ausgewählten 'Gottes' zu gehören, galt dabei strenggläubigen CalvinistInnen und erst Recht sektiererischen Abspaltungen, der berufliche materielle Erfolg. Die calvinistischen Gläubigen zeichneten sich damit auf der einen Seite durch extreme Selbstdisziplin und Sinnenfeindlichkeit aus und auf der anderen Seite durch ein extremes Gewinnstreben. Dies führte dazu, daß Gewinne fast vollständig reinvestiert wurden, und es führte in calvinistischen Gebieten zu einem Boom der kapitalistisch-industriellen Entwicklung. Ihren geschäftlichen Erfolg sahen die CalvinistInnen dabei als Beweis ihrer Auserwähltheit vor 'Gott'.

      Nun mag aus heutiger Sicht jede/r denken - haben die ein Rad ab -, aber erstens sind Restbestände dieser Logik bis heute z.B. in den USA wirksam und zweitens geht es hier um historische Prozesse zu einem Zeitpunkt als materielles Gewinnstreben z.B. der katholischen Kirche als unethisch galt. Für die CalvinistInnen wurde es zur ethischen Pflicht.

      Der Arbeitsethos wurde nach Max Weber im calvinistischen Ideal innerweltlicher Askese, also einer Askese, die sich im alltäglichen moralisch korrektem tätigem Handeln zeigt, noch ergänzt um die Überzeugung, daß sich die Auserwähltheit durch 'Gott' im erwirtschafteten Gewinn äußern würde. Damit wurde eine Ideologie, die Arbeit, als Mittel zur Durchsetzung einer asketischen Lebensführung, und, effizientes funktionales Gewinnstreben, als die moralisch richtigen Verhaltensweisen protestantischer ChristInnen setzte, zum Maßstab des Handelns.

      Aus psychoanalytischer Sicht wurden damit soziale und sexuelle Bedürfnisse auf ein Arbeits-Gewinnstreben umgeleitet, der Gelderwerb durch Arbeit wurde zur einzigen legitimen Lust. 'Geldgeilheit' und die 'Lust' am Funktionieren als Arbeitskraft, wurde zur 'perversen' moralischen Norm.

      Während der Calvinismus (USA, GB, ..) zum Teil zu sozialrassistischen Ideologien führt, die Armut als Zeichen der Verworfenheit durch 'Gott' deuten und Geiz als Tugend verklären, führt das luthersche Arbeitsideal (Deutschland), daß sich am Gehorsam vor 'Gott' und der produktiven Teilhabe an der 'Schöpfung' orientiert zum Teil zu einem Arbeitsideal, daß sich nicht am Ergebnis sondern am Prozeß orientiert - Hauptsache, gut gemacht, egal was und sei es die Organisation von KZ's -. Und zweitens führt es zur Unterscheidung von produktiver und unproduktiver Arbeit.

      Und diese Unterscheidung war auch bei Martin Luther bereits mit antisemitischer Hetze verbunden:

      „Ja wohl, sie halten uns Christen in unserem eigenen Land gefangen, sie lassen uns arbeiten im Nasenschweiß, Geld und Gut gewinnen, sitzen sie derweil hinter dem Ofen, faulenzen, pompen und braten Birnen; fressen, saufen, leben sanft und wohl von unserm erarbeitetem Gut; haben uns und unsere Güter gefangen durch ihren verfluchten Wucher [..]“

      (Martin Luther - „Von den Juden und ihren Lügen“ - Artikel 293 – 1542)

      In der selben Schrift fordert Martin Luther die Synagogen und Schulen der Juden mit Feuer anzustecken und die jungen Juden und Jüdinnen zur Zwangsarbeit zu verurteilen.

      Die Unterscheidung zwischen Produktiv- und Finanzkapital, die sich in Luthers Hetze gegen die Juden spiegelt, ist bis heute


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