Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht. Anne Hahn

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Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht - Anne Hahn


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      Gem. § 22 Abs. 3 KUG endet der Bildnisschutz des KUG 10 Jahre nach dem Tode des Abgebildeten. Dies gilt jedenfalls für die ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts.[396] Ein längerer Schutz kann sich ergeben, soweit es um vermögenswerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts geht (z.B. die kommerzielle Nutzungsmöglichkeit eines Bildnisses); dann sind die entsprechenden Interessen des Abgebildeten jedenfalls mindestens solange geschützt wie die 10-Jahres-Frist des § 22 S. 2 KUG.[397] Ein längerer Schutz der ideellen Interessen kann sich auch ergeben, wenn der Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG berührt ist. Denn dessen grundrechtlicher Schutz ist nicht abwägungsfähig.[398] Auch nach seinem Tode darf der Einzelne in seinem allgemeinen Achtungsanspruch nicht herabgewürdigt oder erniedrigt werden.[399]

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      Zur Wahrnehmung des Schutzes von Bildnissen Verstorbener sind hinsichtlich der vermögenswerten Bestandteile und der daraus resultierenden Ansprüche die Erben und bezüglich der ideellen Interessen nach § 22 S. 3 KUG die Angehörigen befugt. § 22 S. 4 KUG definiert, wer als Angehöriger anzusehen ist.

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      Weitere Schranken des Bildnisschutzes ergeben sich aus § 23 Abs. 1–4 KUG, deren praktische Bedeutung – mit Ausnahme des Beiwerk des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG – beschränkt ist.

4. Schranken-Schranken gem. § 23 Abs. 2 KUG – Berechtigte Interessen des Abgebildeten in der Abwägung

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      Die Verletzung der Intimsphäre, z.B. die Veröffentlichung von Nacktaufnahmen,[400] ist grds. unzulässig. Ausnahmen sind in seltenen Fällen – z.B. besonderes Informationsinteresse oder Verhalten des Betroffenen – denkbar.[401]

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      Der Schutzbereich des Rechtes auf Privatsphäre bemisst sich in dreifacher Hinsicht, nämlich thematisch, räumlich und zeitlich. Thematisch werden Vorgänge erfasst, die aufgrund ihres Informationsgehaltes als privat eingestuft werden, weil die Angelegenheit naturgemäß dem persönlichen Bereich zugeordnet wird oder ihr öffentliches Zeigen als unschicklich oder peinlich gilt. Der Fortschritt von Aufnahmetechnik, z.B. Handykameras, führt zu gesteigerten Risiken für die Persönlichkeitsrechte von Prominenten.[402] Das Alltagsleben gehört grundsätzlich zur Privatsphäre, so dass dann eine Abwägung mit dem Informationsinteresse der Allgemeinheit stattfinden muss (Restaurant-Besuch,[403] Verlassen der Wohnung, Schlendern durch die Straßen, Ski-Urlaub, Tennisspiel o.Ä.).

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      Räumlich erstreckt sich der Schutz der Privatsphäre auf einen Bereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehen lassen kann; in dem er die Möglichkeit hat, frei von öffentlicher Beobachtung und damit der von ihr erzwungenen Selbstkontrolle zu sein, auch ohne dass er sich dort notwendig anders verhielte als in der Öffentlichkeit.[404] Der häusliche Bereich ist eine solche geschützte Sphäre.[405] Wo die Grenzen der geschützten Privatsphäre außerhalb des Hauses verlaufen, lässt sich jedoch nicht generell und abstrakt festlegen.[406] Jedoch ist bei der Abwägung zugunsten des Persönlichkeitsrechts auch zu berücksichtigen, ob die Aufnahme etwa unter Ausnutzung von Heimlichkeit oder beharrlicher Nachstellung entstand.[407]

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      Der Bereich, in dem Kinder sich frei von öffentlicher Beobachtung fühlen und entfalten dürfen, soll umfassender geschützt sein als derjenige von Erwachsenen.[408] Dazu zählt auch das Anonymitätsinteresse.[409] Dies folgt nicht nur aus dem die spezifische Eltern-Kind-Beziehung schützenden Art. 6 Abs. 1 GG, sondern auch aus dem eigenen Recht des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.[410] Ein Schutzbedürfnis fehlt damit nur dann, wenn sich die Kinder allein oder gemeinsam mit den Eltern bewusst der Öffentlichkeit zuwenden, etwa an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen oder gar im Mittelpunkt solcher Veranstaltungen stehen[411] und die Berichterstattung einen ausreichenden Bezug zu der Veranstaltung als zeitgeschichtliches Ereignis aufweist.[412] Ein Anspruch darauf, die Veröffentlichung jeglicher Fotos eines bestimmten Minderjährigen bis zu dessen Volljährigkeit zu unterlassen, besteht nicht.[413]

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      Das Foto kann selbst oder mittels des Kontext, in den es gestellt wird, Ehre und Ruf beeinträchtigen.[414]

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      Der Bildnisschutz umfasst auch den Schutz vor entstellender oder verfälschender Darstellungen, sofern dies persönlichkeitsrechtsverletzten Charakter haben kann. Dies gilt verstärkt in Zeiten der digitalen Bildbearbeitung, insbesondere in Fällen der Fotomontage.[415] Allerdings verletzt eine erkennbare Fotomontage, sofern sie keine falschen Tatsachenbehauptungen erhält und auch nicht fototechnisch geändert wurde, nicht schon allein das Persönlichkeitsrecht einer so abgebildeten Person.[416] Auch das Ereignis, auf das sich das Bildnis bezieht, muss tatsächlich geschehen sein; Spekulationen rechtfertigen keinen Eingriff in das Recht am eigenen Bild.[417]

      Die Entstellung kann aber auch durch irreführende Vertauschung der Bildfolge, durch Auslassung oder sonstige Entstellungen oder durch das Bildnis entstehende falsche Eindrücke bewirkt werden.[418]

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      Auch die Bildnisveröffentlichung ist ihrer satirischen Einkleidung zu befreien, um sodann den dahinter liegenden Aussagegehalt der bildlichen Darstellung zu ermitteln.[419] Dabei ist der ermittelte Aussagekern der Prüfung, ob ein Persönlichkeitsrecht verletzt ist, und der Güterabwägung ebenso zu unterziehen wie auch die Einkleidung der Aussage. Auch diese – also beim Bildnisschutz die bildliche Darstellung selbst – ist gesondert daraufhin zu überprüfen, ob sie eine Kundgabe der Missachtung einer Person enthält oder auf andere Weise das Persönlichkeitsrecht verletzt.[420] So hatten die Gerichte zu prüfen, ob die Verwendung eines technisch manipulierten Fotos des Gesichts eines prominenten Klägers eine eigenständige Persönlichkeitsbeeinträchtigung bewirkt. Die Bildaussage werde jedenfalls dann unzutreffend, wenn das Foto über rein reproduktionstechnisch bedingte und für den Aussagegehalt unbedeutende Veränderungen hinaus verändert werde.[421] Diese Unwahrheit hat dann Auswirkungen auf die Güterabwägung, gerade auch bei der Verwendung von fotografischen Abbildungen in satirischen Kontexten, wenn nämlich die Manipulation dem Betrachter nicht erkennbar ist, so dass er die Veränderungen nicht als Teil der für satirische Darstellungen typischen Verfremdungen und Verzerrungen deuten und damit für seine Meinungsbildung bewertend einordnen kann.[422]

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      Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst auch das berechtigte Interesse auf Anonymität. So besteht ein berechtigtes Interesse eines Straftäters, durch eine (identifizierende) Bildnisveröffentlichung nicht in seiner Resozialisierung gefährdet zu sein. Allerdings vermittelt das allgemeine Persönlichkeitsrecht Straftätern keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht oder nicht mehr mit der Tat konfrontiert zu werden.[423] Bei Tatverdächtigen gelten auch bei der Bildberichterstattung die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung.


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