Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht. Anne Hahn

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für die Fotos entfallen.[463] I.d.R. wird z.B. die Wiederholungsgefahr entfallen, wenn der Äußernde eine Richtigstellung veröffentlicht hat.[464] Von der Absicht der Richtigstellung ist der Betroffene vorab nicht zu unterrichten.[465]

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      Auch wenn Meldungen von Behörden oder Nachrichtenagenturen veröffentlicht werden, die von diesen anschließend öffentlich korrigiert werden, ist nicht ohne Hinzutreten besonderer Umstände davon auszugehen, dass nach der Korrektur die Äußerungen wiederholt werden bzw. Begehungsgefahr besteht.[466]

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      Eine Unterlassungs-Erklärung hat grds. uneingeschränkt, bedingungslos und unwiderruflich zu erfolgen.[467] Zulässig ist jedoch die Bedingung, wonach das Versprechen nur für die Dauer eines allgemein verbindlichen Verbots gilt, das auf Gesetz oder höchst richterlicher Rechtsprechung oder einer bestimmten Verbotsrechtssprechung eines OLG beruhen kann.[468] Bei Sachverhalten, in denen eine Tatsachenbehauptung nicht erweislich war oder unwahr ist, aber z.B. die Sorgfaltspflicht verletzt wurde, ist es zulässig sich vorzubehalten, die fragliche Äußerung zu wiederholen, falls sich herausstellt, dass der angenommene Sachverhalt sich im Zuge eines konkreten, bereits anhängigen Gerichtsverfahren als wahr erweist.

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      Mit der korrekten Unterlassungs-Erklärung erlischt der materiellrechtliche Anspruch. Die Erklärung selbst ist ein abstraktes Schuldanerkenntnis, das die erloschene gesetzliche Unterlassungsschuld durch eine vertragliche Unterlassungsverpflichtung ersetzt.[469] Durch die Annahme der Unterlassungserklärung kommt ein Vertrag i.S.v. § 311 BGB zustande. In der Praxis wird häufig auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Erklärung vom Geforderten nicht oder nicht wesentlich abweicht.[470] In der inhaltlichen Ausgestaltung eines Unterlassungsvertrages sind die Parteien grds. frei.[471]

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      Die Konventionalstrafe muss angemessen sein. In äußerungsrechtlichen Angelegenheiten ist regelmäßig ein Wert über 5 000 EUR absolut üblich. Häufig wird der sog. „Hamburger Brauch“ gepflegt, nach der dem Verletzten eingeräumt wird, die Höhe der Vertragsstrafe bestimmen zu lassen, was nach § 315 BGB im Zweifel nach beliebigem Ermessen zu geschehen hat, um die Bestimmung dann einer gerichtlichen Überprüfung zuführen lassen zu können.[472]

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      Die Auslegung eines Unterlassungsvertrages richtet sich nach den allgemeinen für die Vertragsauslegung geltenden Regeln; in der Revision wird überprüft, ob im Berufungsverfahren gesetzliche Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt wurden.[473] Wird gegen eine abgegebene Unterlassungserklärung verstoßen, so entsteht erneute Wiederholungsgefahr. Außer der Konventionalstrafe kann die Übernahme der Verpflichtung zur Zahlung einer (erheblich) höheren Vertragsstrafe gefordert werden. Ob statt dessen das Rechtschutzbedürfnis für eine neue Unterlassungsklage bestünde – soweit die Erklärung nicht unter einer auflösenden Bedingung abgeschossen, aufgehoben oder angefochten wurde –, ist strittig.[474]

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      Der Vertrag über die Unterlassungs-Erklärung kann grds. nur durch Kündigung aus wichtigem Grund aus der Welt geschafft werden.[475] Die Kündigung wirkt lediglich ex nunc. Bis zur Wirksamkeit der Kündigung besteht die Vertragsstrafenverpflichtung fort.[476] Auf die Kündigung findet § 626 Abs. 2 S. 1 BGB keine Anwendung.[477] Die Frist ist großzügig zu bemessen.[478] Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage ist nur bei Änderung der Gesetzeslage oder der höchstrichterlichen Rspr. denkbar.[479]

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      Droht eine Rechtsverletzung, so kann ein Unterlassungsanspruch wegen Begehungsgefahr entstehen. In diesem Fall besteht Gelegenheit zur vorbeugenden Unterlassungsklage. Eine bloße Recherche begründet für sich betrachtet noch keine Begehungsgefahr.[480] Auch die Nachfrage nach der Identität eines Beschuldigten bei Gericht begründet noch nicht den Verdacht, dass die Identität auch tatsächlich in der Veröffentlichung aufgedeckt wird.[481] Liegt dem Verletzten ein fertig formulierter Artikel vor, wird die Begehungsgefahr zu bejahen sein; bei Vorfassungen ist das zweifelhaft. Kann ein Manuskript nicht vorgelegt werden, muss der tatsächliche Inhalt der vermuteten Äußerung glaubhaft gemacht werden. Dies ist in aller Regel nicht möglich, weil sich die Unterlassung in aller Regel gerade im Äußerungsrecht auf eine konkrete Äußerung im Gesamtkontext zu beziehen hat. Filmaufnahmen von Fernsehjournalisten begründen in der Regel noch keine Begehungsgefahr. Der konkrete Beitrag kann vor journalistischer Ausarbeitung und Schnitt der Sendung noch nicht bewertet werden.[482]

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      Anspruchsberechtigter ist derjenige, dessen rechtliche Sphäre verletzt oder bedroht wurde. Individuelle Betroffenheit setzt Erkennbarkeit voraus. Mittelbare Verletzung reicht nicht aus.[483] Sind mehrere Personen betroffen, so steht jedem selbständig ein Anspruch zu.

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      Anspruchsverpflichtet ist jeder Störer, mithin jeder, der willentlich und adäquat kausal an der Beeinträchtigung mitgewirkt hat.[484] Dabei wird im Rahmen des § 1004 BGB auch derjenige als – unmittelbarer – Störer bezeichnet, der nach seiner Art des Textbeitrages sonst als Täter oder Teilnehmer anzusehen wäre.[485] Hinsichtlich der Verbreitung ist die Haftung eingeschränkt.[486] Passiv legitimiert sind insbesondere der Autor, der Verleger, mithin also der Verlag, in dem eine Druckschrift erscheint bzw. eine Rundfunkanstalt, die die Ausstrahlung einer Sendung ermöglicht. Der Herausgeber, dessen Aufgabe in der Regel auf die Überwachung der Tendenz einer Zeitung und die geistige Oberleitung der Veröffentlichung von Beiträgen gerichtet ist,[487] haftet in der Regel nicht. Ausnahmen bestehen nur dann, wenn er an dem angegriffenen Beitrag konkret in irgendeiner Weise mitgewirkt hat. Inwieweit der Chefredakteur für nicht von ihm selbst redigierte Beiträge haftet, richtet sich nach den ihm vom Verleger zugewiesenen Aufgaben und danach, wie detailliert das Arbeitsgebiet der Ressort-Redakteure abgegrenzt ist.[488] Hat der Chefredakteur im Wesentlichen nur zu koordinieren, so scheidet eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit aus. Der „verantwortliche Redakteur“ ist als solcher „verantwortlich“ durch die Benennung im Impressum. Diese dient der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs, besagt aber nichts über die tatsächliche Funktion in Bezug auf die Inhaltsprüfung. Sind solche Pflichten jedoch tatsächlich übertragen worden, haftet er auch zivilrechtlich.[489] Beim Vorgehen gegen den angestellten Redakteur wird vertreten, dass es bei einstweiligem Rechtsschutz an einem Verfügungsgrund fehle, weil davon auszugehen sei, dass die angegriffene Äußerung durch das Publikationsorgan des Arbeitgebers weiterhin erfolgt und die Beeinträchtigung durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung deshalb nicht beseitigt werden könne.[490]

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      Bei mehreren Störern steht dem Verletzten ein selbständiger Anspruch gegen jeden Störer zu.

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      Grds. betrifft der Anspruch nur die konkrete Verletzungshandlung.[491] Auch muss zwischen Behaupten und Verbreiten unterschieden werden. Häufig verwendet wird die Formulierung „behaupten und/oder behaupten lassen und/oder verbreiten und/oder verbreiten lassen.“[492]

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      Bei verdeckten Behauptungen empfiehlt sich im Tenor die Wiedergabe der die verdeckte Behauptung auslösenden Textpassagen zusammen mit einer Darstellung des entstehenden Eindrucks[493] („… soweit dadurch der Eindruck entsteht, dass …“) oder mit einem klarstellenden Zusatz (z.B. „… ohne zugleich darzustellen, dass …“).

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      In Ausnahmefällen kommt auch das Gesamtverbot einer Äußerung in Betracht, z.B. wenn die konkrete Verletzungsform mit zulässigen Teilen der Darstellung


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