Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht. Anne Hahn

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Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht - Anne Hahn


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gepflegt wird, voneinander abzugrenzen:

1. Abgrenzung

      177

      Ein Widerrufsanspruch steht dem Betroffenen bei nachgewiesener Unwahrheit einer rechtswidrigen und schuldhaften Behauptung zu, wenn ein solcher Widerruf zur Beseitigung eines fortwirkenden Störungszustandes erforderlich ist.[521] Die Darlegungslast für die Unwahrheit trifft grds. den Anspruchsteller.[522] Ein einfacher Widerruf lautet etwa wie folgt: „Die Behauptung, … , widerrufe ich hiermit als unwahr oder unrichtig.“. Oder: „In der X-Zeitung haben wir am … die Behauptung aufgestellt, … Diese Behauptung widerrufen wir als unwahr.“ U.U. kann ein qualifizierter Widerruf gefordert werden, z.B. wenn die bloße Negation der Behauptung Fragen offen lässt oder irreführen kann. Denkbar ist dann z.B. ein Zusatz oder eine Klarstellung etwa wie folgt: „… Tatsächlich verhält es sich so und so.“

      178

      Eine Richtigstellung kommt als milderes Mittel dann in Betracht, wenn die strengere Form des Widerrufs auf eine Demütigung des Anspruchsverpflichteten hinauslaufen würde.[523]

      179

      Eine Richtigstellung kann etwa wie folgt lauten: „In der X-Zeitung hatten wir am … mitgeteilt, dass … Hierzu stellen wir richtig, dass nicht Y dafür verantwortlich war, sondern Z dieses oder jenes tat.“

      180

      Für die Formulierung und den Ort der Richtigstellung verbietet sich jede schematische Betrachtung. Eine Richtigstellung ist von der Rspr. z.B. für angemessen erachtet worden, wenn eine Äußerung nicht insgesamt unwahr war, sondern nur bezüglich eines Teilaspektes, der klargestellt oder „richtig gestellt“ werden kann,[524] oder wenn ein falscher Anschein entsteht oder wenn die Erstmitteilung missverständlich ist oder zu einer versteckten Behauptung führt[525] oder bei Namensverwechslungen. Der Anspruch auf Richtigstellung kann auch deren Ankündigung im Inhaltsverzeichnis und auf der Titelseite enthalten, sofern dort der interessierte Artikel ebenfalls angekündigt war.[526]

      181

      Ein Nichtaufrechterhaltungs-Anspruch ist vor allen Dingen für die Fälle gedacht, in denen der Nachweis der Unwahrheit nicht erbracht werden kann, wohl aber eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass ernstliche Anhaltspunkte für die Wahrheit nicht bestehen können.[527] Zweifel gehen grds. zu Lasten des Klägers.[528]

      182

      Eine berichtigende Ergänzung kommt in Betracht, wenn durch fehlerhafte Auswahl oder Weglassung von Tatsachen ein falsches oder zumindest verzerrtes Bild entstanden ist. Ein solch berichtigender Ergänzungsanspruch kann etwa folgenden Wortlaut haben: „Zum Bericht in der X-Zeitung vom … und der darin getroffenen Aussage, dass …, ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass …“

      183

      Einen Anspruch auf nachträgliche Ergänzung ist von der Rspr. nur bei der Fallgruppe anerkannt, dass im Anschluss an eine zutreffende Berichterstattung über eine strafgerichtliche Verurteilung (z.B. in erster Instanz) sich ein späterer Freispruch anschließt[529] oder wenn nach einer zulässigen Verdachtsberichterstattung der Verdacht später ausgeräumt ist und die Beeinträchtigung der Ermittlung fortwirkt.[530]

      184

      Ansprüche auf Richtigstellung, Nichtaufrechterhaltung oder Ergänzung erfolgen nicht auf deliktsrechtlicher Grundlage, sondern stellen verschuldensunabhängige Folgenbeseitigungsansprüche dar.

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      Der Anspruch zielt auf die Beseitigung einer fortwährenden Rufbeeinträchtigung. Gegenüber Unterlassungsansprüchen stellt der Widerruf damit sowohl ein Mehr als auch ein „Aliud“ dar. Ein Berichtigungsanspruch gleich welcher Abstufung besteht nur bei Tatsachenbehauptungen.[531]

      186

      Es ist höchst strittig, ob Berichtigungsansprüche – unterhalb der Ebene des Rechtswidrigkeit voraussetzenden Widerrufs – auch dann in Frage kommen, wenn eine rechtmäßig aufgestellte Behauptung nicht aus der Welt geschafft wird, obwohl sie sich inzwischen als unwahr herausgestellt hat und die Beeinträchtigung fortwirken kann. Der BGH[532] und das BVerfG[533] haben dies in Einzelfällen als möglich angesehen.

      187

      Ein Berichtigungsanspruch gleich welcher Form besteht jedoch nur, wenn er zur Beseitigung der fortdauernden Rufbeeinträchtigung des Betroffenen notwendig ist.[534] Er ist deshalb von einer Abwägung im Einzelfall zwischen dem Interesse des Betroffenen einerseits und dem Interesse des Mitteilenden andererseits, seine einmal geäußerte Behauptung nicht zurücknehmen zu müssen,[535] abhängig. Diese kann z.B. zu Lasten des Anspruchs verlaufen, wenn eine bloße Übertreibung vorliegt, der Kern der Behauptung jedoch zutrifft, wenn es dem Betroffenen nur darum geht, sich rechtliche Vorteile in Bezug auf andere rechtliche Beziehungen oder innerhalb einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu verschaffen,[536] wenn der Störer seinerseits provoziert wurde[537] oder wenn die Wirkung der Äußerung durch Zeitablauf verblasst wird und damit keine fortwirkende Quelle gegenwärtiger Rufbeeinträchtigung mehr ist. Allerdings hat in einem Einzelfall der BGH sogar nach mehr als 2 Jahren einen Anspruch bejaht.[538]

      188

      Der Anspruch kann auch entfallen, wenn das Medium die Darstellung bereits von sich aus berichtigt oder widerrufen hat. Ob diese freiwillige Berichtigung ausreicht, hängt vom Einzelfall ab.[539] Sie muss eindeutig sein. Die Mitteilung zusätzlicher Fakten ist unschädlich, wenn sie die Wirkung der Berichtigung nicht relativiert,[540] sondern lediglich den Sachverhalt ergänzt. Außerdem muss die „Waffengleichheit“ insofern gewahrt sein, als die freiwillige Berichtigung in vergleichbarer Form und an vergleichbarer Stelle veröffentlicht wird wie die Erstmitteilung. Eine gleichsam „weggedrückte“ Berichtigung reicht nicht aus.[541] Auch muss der gleiche Adressatenkreis durch die Art und Weise der Verbreitung der Berichtigung erreicht werden.[542] Der Anspruch wird auch nicht durch eine erwirkte Gegendarstellung ausgeschlossen.[543]

      189

      Auch bei Bildnissen kommen Berichtigungsansprüche in Betracht, z.B. bei Fotomontagen oder Retuschen, die zu einer Rechtsverletzung führen. Der Anspruch besteht dann in der Regel in der Wiedergabe des richtigen Bildnisses zusammen mit einem erläuternden Berichtigungstext. Ein Anspruch kann auch dann bestehen, wenn die Rechtsverletzung gerade aus der Kombination von Bild und Text entsteht in der Form, dass eine Neuveröffentlichung des Bildes zusammen mit verbaler Berichtigung erfolgt.

      190

      Für die Aktivlegitimation gilt grds. das Gleiche wie beim Unterlassungsanspruch.[544] Bei mehreren Betroffenen hat aber nicht unbedingt jeder Einzelne Ansprüche. Grds. muss der Berichtigungsanspruch dann nur einmal erfüllt werden. Allerdings ist für öffentlich-rechtliche Körperschaften der Anspruch auf Fälle zu beschränken, in denen die fortwirkende Rufbeeinträchtigung ein erhebliches Gewicht hat.[545]

      191

      Die Berichtigung darf keine Irreführung enthalten. Der Kläger muss die Berichtigung vorformulieren.

      192

      Eine Berichtigung kann grds. nur im Hauptsacheverfahren verlangt werden.[546] Die Durchsetzbarkeit ist grds. vom Eintritt der


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