Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht. Anne Hahn

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Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht - Anne Hahn


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haben.[652] An die Offensichtlichkeit werden strenge Voraussetzungen gestellt.[653] Für das Gericht liegt die offensichtliche Unwahrheit dann vor, wenn es davon unzweifelhaft ausgehen kann, ohne in eine Abwägung und Wertung von Glaubhaftmachungsmitteln eintreten zu müssen. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die Gegendarstellung in sich widersprüchlich ist oder Schriftstücke vorgelegt werden, aus denen erkennbar ist, dass der Betroffene selbst in der Vergangenheit etwas anderes behauptet hat als er in der Gegendarstellung zum Ausdruck bringen will. Zwei konträre eidesstattliche Versicherungen als Glaubhaftmachungsmittel reichen nicht aus.

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      Schließlich darf der Inhalt der Gegendarstellung nicht irreführend sein.[654] Dies kann bspw. dann vorliegen, wenn dem Leser durch die Entgegnung Schlussfolgerungen aufgezwungen werden, die unwahr sind oder wenn bewusst nur der halbe Sachverhalt in der Entgegnung mitgeteilt wird, um einen unwahren Eindruck zu erzeugen.[655]

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      Ferner ist die Gegendarstellung nicht abdruckfähig, wenn das berechtigte Interesse fehlt oder wenn sie persönlichkeitsneutral ist, also sich nicht in nennenswerter Weise auf das Persönlichkeitsbild des Betroffenen auswirkt.[656] Beim berechtigten Interesse handelt sich um ein teilweise in den LPG aufgeführtes, teilweise ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal.[657] Das berechtigte Interesse kann bei der bloßen Belanglosigkeit der Ausgangsmitteilung fehlen.[658] Ein berechtigtes Interesse fehlt auch, wenn die Gegendarstellung die Erstmitteilung inhaltlich bloß bestätigt. Dann liegt auch schon keine „Gegen“-Darstellung im eigentlichen Sinne vor. Stellt die Redaktion von sich aus richtig, fehlt das berechtigte Interesse an einer Gegendarstellung, wenn dies uneingeschränkt und gleichwertig erfolgt.[659] Wird ein Widerruf veröffentlicht, fehlt für eine Gegendarstellung ebenfalls das berechtigte Interesse. Die Ergänzung eines Artikels im Fließtext einer Internetveröffentlichung, ohne Heraushebung, dass und inwieweit eine Ergänzung erfolgte, reicht jedoch nicht aus.[660] Bestehen inhaltliche Mängel, so fehlt es ebenfalls parallel an dem berechtigten Interesse. Das Gleiche gilt für eine Überschreitung des angemessenen Umfangs.

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      Die Durchsetzung des Anspruchs erfolgt im Verfahren der einstweiligen Verfügung. Die prozessrechtliche Kompetenz liegt beim Landesgesetzgeber, da die Regelung zur Gegendarstellung presserechtlichen Charakter habe.[661] Für die Verfahrenseinleitung besteht keine Frist. Allerdings kann der durch die Zuleitung des Gegendarstellungsverlangens konkretisierte verhaltene Anspruch verwirken. Entscheidend ist hier der Aktualitätsbezug. Nach Ablauf von 3 Monaten seit der Erstveröffentlichung wird im Allgemeinen von einer Verwirkung bzw. von einem Wegfall des Rechtschutzbedürfnisses auszugehen sein; im Einzelfall auch nach erheblich kürzerer Zeit. Bei einer nachgebesserten neuen Fassung der Gegendarstellung ist der Aktualitätsbezug jedoch auf jeden Fall noch gewahrt, wenn er als hilfsweises Verlangen so rechtzeitig zugeleitet wird, dass über ihn noch im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung entschieden werden kann.[662] Fehlt es an einer Zuleitung der Gegendarstellung, ist ein Antrag mangels Konkretisierung des Anspruchs unbegründet. Es ist zweckmäßig, dem Abdruckverpflichteten eine Erklärungsfrist zu setzen.[663] Verstreicht diese fruchtlos, fallen die Verfahrenskosten nach § 93 ZPO dem betroffenen Antragsteller auch dann zur Last, wenn er den Anspruch sofort anerkennt.[664]

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      Örtlich zuständig ist das Gericht, bei dem der Passivlegitimierte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, beim verantwortlichen Redakteur dessen Wohnort. Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung ist nicht einschlägig. Damit besteht kein sog. fliegender Gerichtsstand.[665]

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      Sachlich zuständig ist in aller Regel das Landgericht, da der Streitwert einer Gegendarstellungsforderung 5 000 EUR überschreiten wird.

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      Strittig wird die Frage beantwortet, ob es bei einer Änderung oder Kürzung der Gegendarstellung einer erneuten Unterzeichnung und einer neuen Gegendarstellung und Zuleitung an den Verlag bedarf.[666]

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      Gegen eine Zurückweisung eines Verfügungsantrages ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss ist die einfache Beschwerde zulässig. Sie ist nicht fristgebunden, aber unterliegt dem Aktualitätserfordernis, so dass nach Zugang des Beschlusses sofort gehandelt werden sollte.

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      Nach § 938 ZPO bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnung erforderlich ist. Ein Recht zur Änderung oder Kürzung der Gegendarstellung durch das Gericht ergibt sich daraus nicht.[667] Das Gericht kann aber die Modalitäten des Abdrucks wie Platzierung, Schriftgröße, Überschrift oder Erwähnung der Überschrift im Inhaltsverzeichnis anordnen.

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      Gegendarstellungsverfügungen können und müssen im Parteibetrieb innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO zugestellt werden. Der Ablauf der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO führt regelmäßig kraft gesetzlich unwiderleglicher Vermutung zu der Annahme eines veränderten Umstandes i.S.d. § 927 ZPO;[668] neben der Zustellung eines Parteibetriebes bedarf es jedenfalls innerhalb der Vollziehungsfrist keines Antrages nach § 888 ZPO. Zuzustellen ist die Ausfertigung selbst[669] oder eine beglaubigte Abschrift. Die Vollstreckung erfolgt nach § 888 ZPO,[670] da der Abdruck als unvertretbare Handlung anzusehen ist. Wird Widerspruch erhoben gegen eine Beschlussverfügung, kann das Gericht nach §§ 936, 924 Abs. 3 S. 2, 707 Abs. 1 ZPO anordnen, dass die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilig eingestellt wird.[671]

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      Rundfunkveranstalter sind in der Regel bloße Verbreiter, so dass der Anspruch hier gegen das Verbreiten einer Tatsachenbehauptung besteht. Auch Rundfunkgegendarstellungen müssen innerhalb der Aktualitätsgrenze zugeleitet werden. Die Ausstrahlung der Gegendarstellung hat zur gleichen Sendezeit bzw. innerhalb des gleichen Programms oder der gleichen Programmsparte zu erfolgen wie die Erstmitteilung. Sämtliche den Privatfunk betreffenden gesetzlichen Regelungen verpflichten den Veranstalter, die Sendung aufzuzeichnen und – meistens für die Dauer von 6 Wochen – aufzubewahren sowie Einsicht zu gewähren und/oder dem Antragsteller auf seine Kosten Ausfertigungen, Abzüge oder Abschriften der Aufzeichnung zu übermitteln. Eine entsprechende Aufzeichnungspflicht und Auskunftsanspruch ergibt sich beim ZDF aus § 14 ZDF-Staatsvertrag. Soweit das Recht einzelner öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten keinen Auskunftsanspruch kennt, kann er auf § 242 BGB gestützt werden.[672] Anspruchsverpflichtet ist beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Rundfunkanstalt.

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      Für Fernsehsendungen der ARD ist jede Anstalt verantwortlich, unabhängig davon, wer produziert hat. Hinsichtlich der Zuständigkeit ist auf § 8 des ARD-Staatsvertrages zu verweisen. Danach wird dem Betroffenen zugemutet, zunächst die einbringende Anstalt zu ermitteln.[673] Dies muss zu einer Verlängerung der Aktualitätsfrist führen.

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      Für das ZDF gilt der ZDF-Staatsvertrag.

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      Soweit private Rundfunkanstalten betroffen sind, ist das Gegendarstellungsrecht in den Landesmedien- oder Landesrundfunkgesetzen, etwa § 43 LMG NRW geregelt. Beim Privatfunk ist teilweise der Veranstalter anspruchsverpflichtet, teilweise der Anbieter.[674]

      Anmerkungen

       [1]

      Wenzel/Burkhardt § 6 Rn. 1.

      


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