Der schweizerische Robinson. Johann David Wyss

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Der schweizerische Robinson - Johann David Wyss


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am Lande bei den Meinigen, sah durch mein Fernglas, um sie aufzusuchen; denn schon vom Schiffe aus hatte ich bemerkt, daß sie zu irgendeinem Streifzuge aufgebrochen sein müßten, und vergebens hatte ich mich seither bemüht, ihre Spur zu entdecken.

      Da der Wind uns gerade nach der Bucht zutrieb, so steuerte ich vorsichtig durch die Einfahrt, ließ das Segel fallen und brachte nach einigen Wendungen das Fahrzeug an eine Stelle, wo unser Vieh auf den Grund kam und Fuß fassen konnte; dann ließ ich die Stricke los, das Vieh wandelte von selbst an das Ufer, und bald lag unser Schifflein an dem alten Landungsplatze fest.

      Es war mir doch nicht wohl, daß unsre Leute nicht sogleich erschienen, denn schon brach der Abend herein, und ich wußte nicht, wo ich sie suchen sollte. Aber kaum waren wir am Ufer und hatten unser Vieh von seinem Schwimmzeug zu erlösen begonnen, als ein lautes Jubelgeschrei in unsere Ohren drang und hüpfend und tanzend die junge Mannschaft daherkam, worauf sich auch die Mutter frisch und gesund erblicken ließ.

      Nachdem sich das erste Durcheinander der Freude gelegt hatte, fing ich, ins Gras gelagert, an, der Ordnung nach unsere Verrichtungen herzuerzählen. Die Mutter war überrascht, daß es mit der Überfahrt des Viehs so vortrefflich gelungen sei. »Ich habe mir fast den Kopf zerbrochen«, sagte sie, »wie man die Tiere ans Land bringen könnte, und doch fiel mir gar nichts ein.«

      »Ja«, sagte Fritz, »diesmal hat der Herr Geheimrat seine Künste gemacht.«

      »Das ist wahr«, bemerkte ich, »es gebührt ihm das Lob, daß er mich auf die richtige Spur gebracht hat.«

      »Ihr sollt beide Dank haben«, erwiderte die Mutter, »denn ihr habt das Beste gerettet, was ich in unsrer Lage mir denken kann.«

      »Ach was«, meinte Fränzchen, »da ist die Flagge an dem Schiff doch etwas anderes als das plumpe Vieh. Hei, wie sie lustig im Winde weht!«

      Ernst und die andern sprangen nun an das Schiffchen und bewunderten den Mast und das Segel und den Wimpel und ließen sich erklären, wie alles gemacht worden sei. Unterdessen fingen wir an auszupacken und hatten gewaltig zu tun; aber Jack, dem das nicht behagen wollte, schlich sich zur Seite, machte sich an das Vieh, löste Schafen und Ziegen die Korkwämser ab, belachte den Aufzug des Eselchens, das noch trübselig zwischen seinen zwei Tonnen stand, und versuchte zuletzt, ihm Luft zu machen. Als das jedoch nicht gelingen wollte, schwang er sich getrost auf den Rücken des Tieres zwischen die zwei Tonnen hinein und kam nun majestätisch wie ein Hanswurst auf dem ehrlichen Grauschimmel hergeprunkt, indem er aus Leibeskräften mit Maul und Hand und Fuß ihn antrieb, von der Stelle zu traben.

      Wir mußten nicht wenig über den drolligen Aufzug lachen und am meisten ich, als ich das Kerlchen von dem Esel hob und es mit einem gelbhaarigen ledernen Gürtel umschlungen sah, in welchem ein paar kleine Pistolen staken.

      »Wo in aller Welt«, sagte ich, »hast du nur den Schleichhändleranzug hergenommen?« – »Eigenes Machwerk«, versetzte er, »und sieh nur die Hunde an!«

      In diesem Augenblick bemerkte ich, daß jede von den Doggen ein gleichartiges Halsband hatte, nur daß aus dem Leder eine Menge von Nägeln ganz bedenklich in die Lüfte ragte und eine furchtbare Schutzwaffe bildete.

      »Das ist brav«, bemerkte ich, »wenn du das alles selbst erfunden und selber ausgeführt hast.«

      »Das habe ich! Nur hat die Mutter mir geholfen, wenn es was zu nähen gab.«

      »Aber, wo habt ihr die Haut«, fragte ich, »und wo habt ihr Faden und Nadel her?«

      »Fritzens Schakal mußte uns jene liefern«, antwortete die Mutter, »und mit Faden und Nadeln soll eine brave Hausfrau jederzeit versehen sein. Ihr Männer denkt wohl an das Große, aber das Kleine überseht ihr, und doch hilft uns dieses tausendmal aus Verlegenheiten. Darum habe ich solche Kleinigkeiten in meinen Zaubersack genommen und hoffe, sie sollen uns noch oft nützlich werden.«

      Fritz sah etwas scheel dazu, daß Jack seinen Schakal entweiht und die schöne Haut in Riemen zerschnitten hatte; doch verbarg er seinen Unmut, so gut er konnte.

      Aber Jack bekümmerte sich nicht um ihn, sondern stolzierte mit seinem Gürtel umher wie ein kalkuttischer Hahn und blähte sich mächtig auf. Weil aber die Überreste des Schakals bedenklich zu riechen begannen, liefen alle hin und schafften sie in die See, damit sie uns nicht belästigen könnten.

      Weil ich unterdessen sah, daß noch keine Anstalten zum Nachtessen getroffen waren, so befahl ich Fritz, die Westfälinger hervorzulangen, die noch in der Kufe lagen.– Alle sahen mich fragend an, was ich damit sagen wolle, als Fritz schon mit einem prächtigen Stück dahergesprungen kam. »O willkommen!« rief nun alles; »ein Schinken! ein Schinken! das ist ja herrlich.«

      »Ach«, sagte die Mutter, »laßt euch nicht das Maul wässern nach diesem Leckerbissen; denn, solltet ihr warten, bis er gar gekocht wäre und nach Wunsch euch schmecken dürfte, so könntet ihr dasitzen bis morgen und mit den Zähnen müßig gehen. Hier aber habe ich ein paar Dutzend Eier von unsrer Reise mitgebracht, und wenn es wahr ist, was Ernst behauptet, so sind es Schildkröteneier. Aus diesen habe ich bald einen Kuchen gemacht, denn an Butter fehlt es uns gottlob auch nicht mehr.«

      »Oh, es sind gewiß Schildkröteneier«, behauptete Ernst, »denn sie sind wie eine weiße Kugel, ganz hautig wie nasses Pergament, und wir haben sie im Sand am Meerufer gefunden.«

      »Ei, so kann es nicht fehlen, mein lieber Ernst!« sagte ich. »Aber bei welchem Anlaß habt ihr sie entdeckt?«

      »Ja, das hängt mit unsrer ganzen Geschichte von dem heutigen Tage zusammen«, antwortete die Mutter, »und wenn du mich einmal anhören kannst, so wirst du alles vernehmen.«

      »Gut, Mutterchen«, sagte ich, »so koche zuerst dein Eiergericht! Während wir speisen, wollen wir uns eure Taten als ein gutes Zugemüse auftischen lassen und fürstlich davon leben. Was übrigens unsre Schinken betrifft, so kann ich dir sagen, daß sie auch roh ganz eßbar sind, wie wir es auf dem Schiffe selbst erfahren haben; doch will ich glauben, daß sie gekocht noch doppelt so köstlich schmecken. – Indes will ich, bis unser Nachtmahl fertig ist, die Kuh, den Esel und das Schwein, mit denen Jack nicht fertig geworden, vollends ihrer Schwimmrüstung entledigen, und ich hoffe, das junge Volk werde mir Hilfe leisten.«

      Mit diesen Worten erhob ich mich, alles jubelte mir nach an das Ufer, und die Arbeit ging uns frisch von der Hand.

      Unterdes war die Mutter mit dem Eiergericht fertig geworden und rief uns einladend herbei. Wir machten es uns mit Tellern, Löffeln, Gabeln und Zubehör recht bequem und speisten dann mit verdoppelter Lust, indem wir teils um die aufgestellte Buttertonne standen, teils gemächlich auf der Erde saßen. Der Schinken, Käse und Zwieback gaben nebst den Eiern schon ein stattliches Mahl, und die Hunde, die Hühner, die Tauben, die Schafe und Ziegen versammelten sich mit eigennütziger Neugier als belebende Zuschauer rings umher. Den Gänsen und Enten, obschon sie ganz in der Nähe waren, gefiel es nicht, von der Gesellschaft zu sein. Sie mochten sich in ihrem nassen Elemente besser befinden, zumal da sich dort viele Würmer und eine Art von kleinen Krabben in Menge befanden und die leckerhafteste Nahrung gewährten. Mir aber war schon recht, daß ich die Zahl unsrer Kostgänger sich mindern sah; denn ich merkte im voraus, daß wir weder Zeit noch Mittel haben würden, alle die Tiere in Zukunft zu pflegen und abzufüttern.

      Nachdem wir gespeist hatten, ließ ich durch Fritz eine Flasche von unserm eroberten Kanariensekt aus des Kapitäns Flaschenkeller aufstellen; und endlich bat ich die Mutter, uns die Geschichte ihres Tuns und Lassens während unsrer Trennung der Länge nach preiszugeben.

      Zweites Kapitel

Erzählt die Entdeckungsfahrten einer tapfern Mutter und wie eine Brücke und ein Baumhaus gebaut werden. Fritz erweist sich als ein Held. Es wird Sonntag gefeiert. Die Natur schenkt reiche Gaben.

      »Tatsächlich«, begann die Mutter, »scheinst du nicht begierig zu sein, mich anzuhören, da du mich den ganzen Abend gar nicht zum Worte kommen lässest. Aber je länger sich das Wasser gesammelt hat, je länger fließt es; und nun will ich reden nach Herzenslust!

      Morgens frühe war ich aufgestanden, und als ich erkannte, daß ihr so bald nicht zurückkehren würdet, war mein Plan bald gefaßt. Ich wollte einen bequemeren Wohnplatz suchen; denn hier in der furchtbaren


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