Der schweizerische Robinson. Johann David Wyss

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Der schweizerische Robinson - Johann David Wyss


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Streifen, die sie aus der Haut schnitten, Jacks Gürtel und Türks Halsband zu verfertigen, die beide ihr heute abend angestaunt habt.

      Ich eröffnete ihnen jetzt meinen Reiseplan, und alle gaben ihre freudige Zustimmung. Ohne Säumen setzten sie sich in Bereitschaft, untersuchten ihre Gewehre, luden sie, wählten sich Hirschfänger und erhielten Mundvorrat auf den Rücken. Mir blieb die Wasserflasche und statt des Hirschfängers ein Handbeil. Dafür nahm ich Ernsts leichte Flinte und gab ihm ein Jagdrohr, das mit Kugeln geladen werden konnte. So waren wir gerüstet, und da eure Rückkehr sich noch immer verzögerte, brachen wir, von den zwei Hunden begleitet, auf und zogen dem Bache zu.

      Türk, der bei eurem ersten Zuge mitgewesen war, schien gleich zu bemerken, daß wir den nämlichen Weg aufsuchten, und warf sich sofort zu unserm Anführer auf. Hinter ihm her kamen wir bald an die Stelle, wo ihr über den Bach gesetzt, und glücklich, obwohl nicht ohne Mühe, gelangten auch wir hindurch.

      Nachdem ich aus dem Bache noch die Wasserflasche gefüllt hatte, setzten wir unsern Stab weiter, und als wir die Anhöhe jenseits des Baches erreicht hatten, bekam in der Tat, wie ihr es beschrieben, die Gegend ein ungemein anmutiges Aussehen, und mein Herz eröffnete sich seit langem zum erstenmal wieder einem hoffnungsvollen Gedanken.

      Wir hielten uns links nach dem Strande hin, wo wir ohne Hindernis weiterschreiten konnten. Wir trafen auf eure vorgestrigen Fußstapfen und folgten ihnen nach, bis wir in die gerade Linie mit einem Wäldchen kamen, wo wir denn den Strand wieder verließen und uns rechts gegen dasselbe hinwandten. Bald aber mußten wir durch hohes Gras eindringen, was äußerst beschwerlich war und uns ganz ungemein ermüdete.

      Eine Menge unbekannter Vögel sangen uns aber fröhlich entgegen oder flatterten vor uns her. Die Knaben verschlangen sie gierig mit den Augen und schickten sich an, sie herunterzuschießen; allein ich gab es um so weniger zu, da die Bäume von solcher Höhe waren, daß schwerlich ein Schuß nur hinaufgetragen hätte.

      Aber, was das auch für Bäume waren! – Nein, du kannst dir keinen Begriff davon machen. In deinem Leben hast du keine Bäume von solcher Größe gesehen. Was uns von ferne ein ganzes Wäldchen geschienen, das war in der Nähe doch bloß eine Gruppe von zehn bis vierzehn Stämmen, und, was das Sonderbarste war, sie standen sicher in den Lüften, wobei sie rings herum wie von großen Strebepfeilern kräftig unterstützt wurden. Die weit ausgebreiteten starken Wurzeln hatten den ungeheuer dicken Stamm gleichsam in die Höhe gehoben. Dennoch war derselbe auch in der Mitte fest in den Boden gewurzelt, aber unten war er ungleich dünner als oberhalb, wo die Wurzeln sich in ihn verloren und ihn wohl um die Hälfte dicker machten.

      Jack mußte mir an einem Wurzelpfeiler eines der Riesenbäume hinaufklettern und droben den Umfang des Stammes mit Packfaden ausmessen. Da fanden wir denn an elf Meter; und rings um die Wurzeln, wo sie aus der Erde brachen, hatte ich vierzig Schritte zu gehen. Die Höhe des Baumes von der Erde bis da, wo die Äste anfingen, mochte an zweiundzwanzig Meter betragen. Laub und Zweige waren dicht und gaben vortrefflichen Schatten. Die Blätter sind ungefähr wie unsere Nußblätter, aber Früchte habe ich nicht entdeckt. Unter den herrlichen Bäumen endlich ist der Boden mit reinem Grase bewachsen und von Buschwerk oder Dornen vollkommen frei, so daß sich alles vereinigt, um den schönsten und lieblichsten Ruheplatz zu bilden.

      Auch gefiel es mir dort so wohl, daß ich beschloß, ein kühles Mittagslager zu halten, und daß ich mich samt den Knaben in dem grünen Waldpalast niederließ. Die Futtersäcke wurden hervorgenommen, ein Bächlein gewährte einen frischen Trunk, und wir erquickten uns nach Herzenslust. Indes kamen auch unsre Hunde herbei, die am Strand zurückgeblieben waren, und zu meinem Erstaunen bettelten sie nicht einmal zu fressen, sondern legten sich, wie mir schien, mit ziemlich gefülltem Wanste ruhig zu unsern Füßen hin und schliefen alsbald ein.

      Ich konnte nicht satt werden, mich an diesem unvergleichlichen Platze umzusehen, und mir deuchte, wenn wir uns auf einem der hochstämmigen Bäume ansiedeln könnten, so würden wir ganz außerordentlich sicher sein. Zudem sah ich weit und vermutete noch weiter umher nicht einen einzigen Ort, der zum Ansiedeln lieblicher und freundlicher wäre, so daß ich den Entschluß faßte, nicht ferner zu suchen, sondern umzukehren und nur, wenn die Zeit es erlaubte, am Strande noch einiges aufzufischen, das von unserm Wracke angetrieben worden war.

      Am Strande fanden wir dann aber wenig zu retten, weil der größere Teil der angeschwemmten Sachen für unsere Kräfte viel zu schwer war.

      Soviel wir aber bezwingen konnten, zogen wir landeinwärts, bis es uns vor der künftigen Flut gesichert schien, und bei dieser Arbeit merkte ich, was unsre Hunde vor kurzem gefressen haben mochten. Denn ich sah sie an seichten und klippigen Stellen des Ufers auf Krabben lauern und dieselben vermittelst der Pfoten beglückt aufs Trockene ziehen oder selbst unter dem Wasser mit Behendigkeit wegschnappen. Da wußten wir also, wo unsere Fresser vorhin ihre Nahrung gefunden hatten.

      Indem wir unsern Weg fortsetzten und schon im Begriffe waren, vom Strande abzulenken, ward ich inne, daß unser Bill etwas Rundes mit Begier aus dem Sande scharrte und alsbald hastig verschlang. Ernst sah ihm gleichfalls zu und sagte gelassen: ›Das werden Schildkröteneier sein.‹

      ›Oh‹, rief ich, ›in diesem Falle wollen wir retten, was zu retten ist; denn dergleichen können auch wir verspeisen!‹

      Es kostete jedoch Mühe, bis wir den Näscher von der schmackhaften Beute wegbringen konnten. Aber endlich gelang es uns, gegen zwei Dutzend Eier noch unversehrt zu erhalten und in unsere Säcke zu verteilen.

      Über diesem Geschäfte blickten wir zufällig auf das Meer hinaus und gewahrten mit Verwunderung ein Segel, das sich lustig dem Lande näherte. Ich wußte gar nicht, was ich denken sollte. Ernst behauptete, daß es der Vater und Fritz seien, und Fränzchen fing an bange zu werden, daß die Wilden kommen und uns auffressen möchten. – Indes bestätigte sich bald, was Ernst behauptete, und wir liefen eilig dem Bache zu, sprangen alle von Stein zu Stein hinüber und kamen bald bei der Ankerstelle an, wo wir mit Frohlocken in eure Arme flogen.

      Das ist, mein lieber Mann, der Bericht von unsrer Erkundigungsreise, und jetzt, wenn du mir einen Gefallen tun willst, ziehen wir gleich morgen aus und setzen uns bei meinen herrlichen Bäumen fest.«

      »Ei«, sagte ich, »Mutterchen, so, das ist alles, was du für unsre künftige Bequemlichkeit und Sicherheit herausgefunden hast! Ein zweiundzwanzig Meter hoher Baum, auf dem wir wie die Hühner auf der Stange sitzen müßten, wenn wir schon das Glück hätten hinaufzukommen! Denn, werden wir keinen Luftballon auftreiben, wird es uns schwerlich gelingen.«

      »Oh, scherze nur lustig zu!« entgegnete die Mutter. »Mein Gedanke ist so abgeschmackt nicht. Wenigstens wären wir nachts vor den Schakalen und vor ähnlichen Gästen sicher, und ich weiß noch wohl, daß ich in unserm Vaterland so ein paar Linden sah, auf welchen man vermittelst einer Treppe hinanstieg und zwischen den Ästen eine hübsche Laube mit einem tüchtigen Fußboden fand. Was hindert uns, nach ähnlicher Weise hier auf den Bäumen ein Schlafzimmer einzurichten?«

      »Nun, wir werden ja sehen, was sich tun läßt!«

      Wir hatten inzwischen unser Mahl beendet, und die Dunkelheit brach mächtig herein; so beschlossen wir, zur Ruhe zu gehen, legten uns, nach verrichteter Andacht, in gewohnter Ordnung unter den Schirm unsres Zeltes nieder und schliefen wie die Murmeltiere bis an den lichten Morgen fort.

      »Horch, Weibchen,« sagte ich zu meiner Frau, als wir beide des Morgens früh erwachten, »du hast mir vergangenen Abend eine in jeder Hinsicht schwere Aufgabe vorgelegt, wir müssen uns über dieselbe noch ein wenig näher beraten. – Im Grunde deucht mir, die Vorsehung habe uns gleich anfangs an die passendste Stelle dieser Küste geführt, um sowohl für unsere Sicherheit als für unsern Unterhalt aufs beste zu sorgen. Gerade als ob der ganze Raub von dem gescheiterten Schiffe uns zuteil werden sollte, haben wir einen bequemen Weg zu demselben, und die Klippen hier rings herum bergen uns so gut, daß wir alle Wachsamkeit nur gegen die Seite des Baches zu richten haben, der ohnehin an den wenigsten Stellen einen Übergang erlaubt. Wie wäre es also, wenn wir uns einstweilen geduldeten und zum wenigsten ausharrten, bis wir uns alles Beweglichen auf dem Wrack bemächtigt haben? Und wie wäre es, wenn wir dein auserkorenes Wäldchen zum Wohnplatze wählten und hier zwischen den Felsen unser Magazin und unsere Festung hätten? – Wenn ich mit der Zeit an einigen Stellen das Ufer


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