Der schweizerische Robinson. Johann David Wyss

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Der schweizerische Robinson - Johann David Wyss


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aus Segeltuch mit Packfaden mühselig zusammengenäht hatte. Da es ihr nämlich an großen und starken Nadeln gefehlt hatte, so war sie genötigt gewesen, mit einem Nagel allemal ihrem kleinen Werkzeug vorzubohren; und so hatte sie nur durch seltene Geduld und Ausdauer ihre Arbeit zustande gebracht, was ihr denn auch dreifaches, aus dem Herzen kommendes Lob einbrachte.

      Mit dem Essen ging es diesmal rasch vorwärts; wir schwatzten über das bevorstehende Werk, und wir waren kaum satt, als wir schon wieder aufsprangen und frisch an den kunstreichen Brückenbau gingen.

      Das erste, was ich hier veranstaltete, war, daß ich einen Balken hart hinter den Baumstumpf der Länge des Ufers nach legte und ihn vier bis fünf Fuß über einem seiner Enden so an dem Stumpf befestigte, daß er sich leicht um denselben herumdrehen und auf diese Weise das kürzere Hinterteil des Balkens dem längern allenfalls Gegengewicht halten konnte, wenn dieses über den Bach hinaus und nach dem untern Ufer gezogen würde. Hierauf befestigte ich an das andere Ende des Balkens einen Strick, und dieser, in gehöriger Länge um einen Stein gebunden, wurde über den Bach geworfen. Da ich keine Möglichkeit sah, den Esel oder die Kuh sogleich dorthin zu schaffen, nahm ich einen Flaschenzug und ein Seil, sprang damit von Stein zu Stein über, befestigte den Flaschenzug an einem Baum, zog den hergeworfenen Strick hindurch und kehrte mit dem Ende desselben in der Hand auf das diesseitige Ufer zurück. Nun war leicht zu helfen. Die Kuh samt dem Esel wurden an dieses Strickende vorgespannt und wacker angetrieben. Der Balken wandte sich sanft um den Strunk und hielt fest, obgleich sein längeres und schwereres Ende schon anfing, frei über dem Bach zu schweben. Bald berührte das Holz die andere Seite des Ufers und legte sich dort durch sein Gewicht fest. Jetzt waren Jack und Fritz im Sprung auf dem Balken, und verwegen, aber mit ungemeiner Leichtigkeit, gingen sie hinüber.

      Nachdem der erste Balken gelegt war, minderte sich die Schwierigkeit unsres Werkes um vieles. Ein zweiter und ein dritter wurden so hinübergezogen, daß sie mit dem einen Ende diesseits liegen blieben und mit dem andern, auf den befestigten Balken aufgelegt, sich bequemen mußten, bis hinüber zu rutschen, wo sie, in passender Entfernung, neben dem ersten hingebettet wurden.

      Bald blieb uns nur noch übrig, Bretter und Laden quer auf diese Unterlage zu breiten, und in einem Nu war dieses Geschäft abgetan, und die Brücke stand fertig vor unsern Augen. Fast ausgelassen vor Lustigkeit tanzte das junge Volk nun darüber hin, und schier hätte ich in der Freude selbst ein paar Sprünge gemacht. Die Brücke war zweieinhalb bis drei Meter breit und ganz erträglich ausgefallen; nur daß ich noch unterließ, die Bretter fest aufzulegen, weil mir ratsam schien, sie beweglich zu erhalten, damit man sie leicht wegnehmen und den Übergang des Baches erschweren könnte.

      Die Arbeit hatte unsere Kräfte nicht wenig mitgenommen, und als der Abend hereinbrach, fanden wir uns so erschöpft, daß wir ohne weiteres uns nach Essen und Nachtlager umsahen.

      Des andern Morgens erhielten die Knaben Befehl, unsere Herde zusammenzutreiben und den Esel samt der Kuh zum Bepacken näher zu bringen. Beide mußten sich Säcke von der Arbeit der fleißigen Mutter aufladen lassen, und beide hielten geduldig her. Die Säcke bestanden aus einem langen Stück Segeltuch, das den Tieren über den Rücken hing, an beiden Enden beträchtlich aufgeschlagen und auf den Seiten mit Packfaden fest vernäht war.

      Hierauf fingen wir an einzupacken, was wir in den nächsten Tagen an Mundvorrat, Werkzeug, Küchengeschirr, Stricken und andern Bedürfnissen nötig haben konnten. Des Kapitäns Flaschenfutter und ein kleiner Vorrat aus dem Butterfasse wurden nicht vergessen. Zuletzt wollte ich oben über die Säcke unsere Bettdecken und Hängematten schlagen und damit die Ladung vollenden, als die Mutter eilig herbeikam und plötzlich meinem Eifer Einhalt tat.

      »Die Hühner«, sagte sie, »dürfen wir doch unmöglich diese Nacht allein lassen, sonst ist es aus mit ihnen; und dann hatte ich gehofft, den Franz auf den Esel zu setzen; denn ich weiß noch wohl, wie er mich im Marsche aufgehalten hat, und dann muß auch mein Zaubersack mit; denn wer weiß, wie bald wir ihn nötig haben!«

      »Ach!« rief ich aus, »was hast du doch alles aufzuladen! Wir wollen sehen, ob es möglich ist, deinem Wunsche nachzukommen; aber je weniger wir uns diesmal aufbürden, je schneller können wir wiederkehren.«

      Zum Glück hatte ich doch den Esel im Bepacken etwas geschont und bereits an die Möglichkeit gedacht, ihm auf dem Wege vielleicht den kleinsten der Knaben aufsetzen zu müssen. Diesem also wurde jetzt mit dem Zaubersack eine Rücklehne gemacht, und bald saß er da zwischen den drei Säcken so sattelfest, daß er im Notfall galoppieren durfte, zumal da ich ihn auf alle Gefahr angebunden hatte.

      Indes war die junge Mannschaft den Hühnern und den Tauben nachgelaufen und hatte nicht ein einziges Stück erhascht. Alles war auseinandergestoben, und die Knaben kehrten leer und verdrießlich zurück.

      »Ei, laß es gut sein!« sagte die Mutter, »wir wollen sie schon bekommen.«

      »Ja, ja«, meinten die Jungen, »das wird was Feines absetzen; wir möchten es auch sehen!«

      »Ihr sollt es gleich auf der Stelle sehen«, versetzte die Mutter, »und sollt erfahren, daß, wer seinen Kopf zu brauchen weiß, oft viel weiter kommt, als wer läuft oder jagt und sich auf Stärke oder Schnelligkeit blindlings verläßt.«

      Mit diesen Worten fing sie an, den Hühnern und Tauben freundlich zu rufen und aus beiden Händen einzelne Erbsen und Haferkörner, die sie aus dem Zaubersacke zurückbehalten hatte, hinzuwerfen. Bald kam das Geflügel näher; die Mutter warf den Rest des Futters in unser offenes Zelt, das Federvieh trippelte allmählich hinein, und als es sämtlich am besten Fressen war, schlich sie seitwärts hinzu und schlug plötzlich die Flügel des Eingangs zusammen, so daß alle die Näscher glücklich gefangen waren.

      »Wie nun«, rief sie den Knaben zu, »ihr hochweisen Herren! – habe ich Wort gehalten? Und hört ihr auf, die Achseln zu zucken?«

      Jack mußte gleich in das Zelt, wie der Fuchs in das Hühnerhaus, und uns einen der Gefangenen nach dem andern herauslangen, worauf wir ihnen die Beine zusammenbanden und sie oben auf dem Gepäck der Kuh anknüpften, so gut es sich in der Kürze tun ließ. Zwei Bogen von einem Reifen wurden über das Völklein aufgespannt, ein paar Decken darauf hingelegt, damit die Finsternis es ruhig hielte, und so war auch dieses nun glücklich abgetan.

      Was wir an dem Landungsplatze zurücklassen mußten, das von der Sonne oder von einem allfälligen Regen verdorben werden konnte, schafften wir in das Zelt, dessen Eingang zugeheftet und an Pflöcke auf dem Boden festgeknüpft wurde. Als weiteren Schutz stellten wir die vollen und leeren Tonnen rings wie ein Bollwerk auf und vertrauten dann das Ganze getrost der öffentlichen Sicherheit und der Obhut des freundlichen Himmels.

      Endlich begannen wir unsern Zug, sämtlich mit Ober- und Untergewehr ausgerüstet, klein und groß, jung und alt, jedes seine Weidtasche auf dem Rücken, fröhlich und guten Mutes. Fritz und die Mutter marschierten voraus; Kuh und Esel mit Ritter Franz folgten nach; die Ziegen, von Jack aufgeführt, machten das dritte Glied; der Affe saß possierlich auf einer der Ziegen. Hinter diesen kam Ernst als Führer der Schafe, und hinter den Schafen, als wachsame Nachhut, ging ich. Auf der Seite trabten wie rasche Flügeladjudanten unsere Hunde. Der ganze Zug rückte langsam vor, und mich dünkte, er sehe fast aus wie der Zug des Erzvaters Abraham oder des Jakob, die mit der Familie und den Herden von Land zu Land gezogen waren. Glücklich kamen wir über unsere Brücke, und hier erst half auch das Schwein unsern stattlichen Zug verherrlichen. Es hatte sich so widerspenstig angestellt, daß wir nicht imstande gewesen waren, es mit dem übrigen Vieh zusammenzubringen; aber jetzt, da es uns samt und sonders abziehen sah, trat es freiwillig der übrigen Herde bei, wiewohl es mit Grunzen seine Mißbilligung deutlich zu verstehen gab.

      Inzwischen fing hier eine andere Not an. Das üppige Gras jenseits des Baches stach unserm Vieh so mächtig in die Augen, daß alles sich ans Fressen machte und rechts und links aus dem Zuge strebte. Wir hätten das näschige Volk auch nimmermehr wieder in Reih und Glied gebracht, wenn nicht unsere Hunde dabei das Beste getan und mit entsetzlichem Bellen und Anspringen alles in Ordnung gebracht hätten.

      Um dieselbe Geschichte nicht zum zweitenmal zu haben, befahl ich, links gegen den Strand zu wenden, weil ich wußte, daß dort kein Gras sei, das uns aufhalten konnte.

      Mit bereit gehaltener Flinte ging Fritz immer voraus und hoffte,


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