Der Oelprinz. Karl May

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Der Oelprinz - Karl May


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Euch. Ohne die flieht Ihr gewiß nicht; also meine ich, weil sie im Dorfe geblieben sind, daß es dort gut stehe. Kommt herein, Sir; steigt über diese Wagendeichsel!«

      »Bin zu klein dazu; will lieber drunterweg kriechen.«

      Sam bemerkte, daß man mit den Wagen ein Viereck gebildet und die Tiere in dasselbe getrieben hatte. Sein Rat war also befolgt worden, doch leider erst dann, als man durch Schaden klug geworden war. Der, welcher die Wache gehabt und ihn angerufen hatte, streckte ihm die Hand zum Gruße entgegen. Es war Schi-So, der Indianerhäuptlingssohn. Er hatte im reinsten Englisch gesprochen. Jetzt fragte ihn Sam:

      »Hoffentlich sprechen Sie deutsch, junger Freund, da Sie sechs Jahre in Deutschland gewesen sind?«

      »Ziemlich gut.«

      »So lassen Sie uns die Schläfer wecken und deutsch sprechen, da sie Deutsche sind. Doch horch! Wer kommt da?«

      Sie horchten in die Nacht hinaus. Man hörte Pferdegetrappel vom Dorfe her.

      »Ein Reiter ist’s, ein einzelner,« flüsterte Schi-So. »Wer mag das sein?«

      »Es ist kein Reiter; diesen Hufschlag kenne ich sehr genau. Es ist meine alte, gute Mary, welche mir nachgelaufen kommt. Sie kennen sie von früher her?«

      »Ja, ich kenne sie. Aber bitte, sagen Sie nicht Sie, sondern Du zu mir! Ich bin Indsman und will ein solcher bleiben und den Gewohnheiten meines Stammes nicht untreu werden.«

      »Recht so, mein junge! Bist also da drüben nicht stolz geworden? Da wird der alte Sam dich lieb behalten. Hast mir viel zu erzählen, doch ist jetzt nicht die Zeit dazu; müssen es für später aufheben.«

      Das Maultier kam bis an die Wagendeichsel heran, an welcher Sam noch immer stand, und rieb den Kopf an seiner Schulter. Durch das laute Sprechen waren die Schläfer wach geworden; sie kamen herbei, um zu fragen, wer gekommen sei; sie konnten Sam nicht sehen, weil das Feuer verloschen war. Er wurde von Schmidt ganz anders empfangen als beim ersten Male und erteilte die Weisung, daß es wieder angebrannt werden solle. Als das Feuer den Platz beleuchtete, verlangte er zunächst, die Namen der Anwesenden kennen zu lernen. Schi-So stellte ihm die Personen vor. Die drei jüngeren, aber auch verheirateten Auswanderer hießen Strauch, Ebersbach und Uhlmann; Schi-So’s junger Freund wurde Adolf Wolf genannt. Mehr wollte Sam nicht wissen; er meinte, das Nähere könne er später erfahren, und jetzt müsse man sich zunächst mit der Gegenwart beschäftigen. Die Frauen und Kinder, unter denen keine kleinen waren, kamen auch herbei; der Scout konnte selbstverständlich nicht fern bleiben, und so waren alle beisammen, als Sam in seiner eigenartigen Weise von seinem heutigen Zusammentreffen mit den Finders zu erzählen begann. Außer dem jungen, blonden Indianer hatte ihn bisher keiner der Anwesenden gekannt. Als sie hörten, in welcher Weise er die Wetten gewonnen und dann die Finders in den Schlaf getrunken und dann sich ihrer Personen versichert hatte, erkannten sie trotz der Einfachheit und Bescheidenheit seiner Darstellungsweise, daß dieses kleine, sonderbare Männchen keineswegs ein gewöhnlicher Westläufer oder gar Herumstreicher sei. Das fühlte auch der alte Schmidt; darum streckte er ihm, als die Erzählung zu Ende war, die Hand entgegen und sagte in entschuldigendem Tone:

      »Ich sehe ein, daß ich Sie um Verzeihung bitten muß; ich habe Sie verkannt. Hoffentlich tragen Sie es mir nicht nach?«

      »Werde mich hüten!« lachte der Kleine. »Habe an mir selbst genug zu tragen und werde mich also nicht auch noch mit andrer Leute Fehler schleppen. Der Hanswurst ist vergeben und soll auch vergessen sein, wenn ich mich nicht irre.«

      »Sie behaupten also, daß diese zwölf Personen die Finders sind?«

      »Ja.«

      »Daß Sie mit Stone und Parker ermordet werden sollten?«

      »Ja.«

      »Und daß diese Spitzbuben auch uns überfallen und ausrauben wollten?«

      »Auch das.«

      »So liegen Gründe genug vor, sie alle um den Hals oder wenigstens in das Zuchthaus zu bringen. Wir werden sie also während dieser Nacht bewachen und morgen dann der Behörde übergeben.«

      »Nein, das werden wir nicht.«

      »Was denn?«

      »Sie laufen lassen.«

      »Laufen lassen? Solche Verbrecher, denen Sie soeben mit heiler Haut entgangen sind? Haben Sie ein Gehirn im Kopfe?«

      »Vielleicht steckt’s drin; in den Stiefeln wenigstens habe ich es nicht, Master Schmidt. Man merkt es wohl, daß Sie eben jetzt von drüben herüberkommen und noch fremd im Lande sind. Wenn Euch drüben jemand einen Schafskopf nennt, so schleppt Ihr ihn schnell vor den Richter; hier aber macht man das anders. Selbst ist der Mann! Welche Behörde meinen Sie? Wo gibt es eine? Und wenn, hat sie auch die nötige Gewalt? Kann ich beweisen, was ich behaupte?«

      »Ich denke doch!«

      »Nein. Ich halte diese Männer für die Finders, weil sie ihrer zwölf sind und einer von ihnen Buttler heißt. Ist das vor dem Richter ein Beweis? Ich behaupte, daß man uns ermorden wollte, denn ein total Betrunkener hat es geschwatzt. Ich sage Ihnen, daß Sie überfallen werden sollen, denn ich vermute es. Was wird der Richter dazu meinen? Und wenn er die Anzeige annimmt und die Finders einsperrt, so haben wir Aufenthalt und eine Menge Scherereien, daß wir himmelblau vor Aerger werden.«

      »Nun wohl! Sie sagten: Selbst ist der Mann. Bilden wir also selbst ein Gericht. Wir verurteilen die Spitzbuben zum Tode und geben jedem von ihnen eine Kugel.«

      »Soll mich Gott behüten! Ich bin kein Mörder. Nur in direkter Verteidigung meines Lebens bin ich im stande, Menschenblut zu vergießen.«

      »Also wollen Sie sie wirklich entlaufen lassen?«

      »Ja.«

      »Und sie sollen keine Strafe bekommen?«

      »Doch! Grad deshalb, weil sie bestraft werden sollen, will ich sie laufen lassen.«

      »Herr, das ist ja gar nicht möglich; das ist widersinnig! Wollen Sie mich etwa foppen?«

      »Habe keine Lust dazu. Würde keine Ehre einbringen, einen Neuling zu foppen. Widersinnig, sagen Sie? Master Schmidt, die Sache hat den besten Sinn, den es geben kann, wenn ich mich nicht irre. Es gehört dazu nichts weiter als ein wenig Grütze im Kopfe. Haben Sie welche drin, hihihihi?«

      »Herr, Ihr werdet beleidigend!« brauste Schmidt auf, der trotz seines vorhin gegebenen Versprechens sein Temperament nicht bezähmen konnte.

      »Beleidigend? Nein. Spreche nur stets so, wie mit mir geredet wird. Haben mich vorhin auch gefragt, ob ich ein Gehirn im Kopfe habe. Werde Ihnen erklären, daß kein Widersinn vorhanden ist. Wir haben jetzt keine Beweise, sondern nur Vermutungen; müssen also nach Beweisen fischen. Lassen wir die Kerls jetzt laufen, so überfallen sie Ihren Wagenzug, und wir nehmen sie beim Schopfe; dann besitzen wir den Beweis, der ihnen an den Kragen gehen wird, wenn ich mich nicht irre.«

      »Wie? Ueberfallen sollen wir uns lassen?«

      »Ja, freilich.«

      »Da begeben wir uns aber doch in eine Gefahr, in welcher wir umkommen können!«

      »Denke nicht daran! Kommt ganz darauf an, wo man das Pferd aufzäumt, ob beim Kopfe oder beim Schwanze. Verlassen Sie sich nur auf mich! Sam Hawkens, dieses alte Coon, wird schon eine List ausfindig machen, in welcher diese Finders stecken bleiben müssen. Werden noch weiter darüber sprechen. Muß mich auch mit Dick Stone und Will Parker bereden. Die Hauptsache ist jetzt zunächst die Erfüllung meines Versprechens: Schadenersatz für den gestohlenen und getöteten Ochsen. Wollen Sie ihn sich jetzt holen?«

      »Wenn ich ihn bekommen kann, sofort. Nur fragt es sich, ob die Finders die ganze Summe bezahlen werden.«

      »Warum sollten sie nicht?«

      »Weil sie nur die Lende genommen und wir uns das andere zurückgeholt haben, um es selbst zu verzehren.«

      »Bleibt sich gleich; der Ochse ist tot und muß bezahlt werden. Also kommen Sie jetzt, sich den Ersatz zu holen! Aber hüten Sie sich dabei, mich bei meinem hiesigen Namen Sam Hawkens zu nennen! Ich habe meine guten Gründe, diesen Menschen denselben noch nicht wissen


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