Der Oelprinz. Karl May

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Der Oelprinz - Karl May


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wir sind glücklicherweise jetzt nicht in Sachsen,« antwortete Hawkens ganz freundlich; »darum werde ich meine Freiheit wahrscheinlich behalten, wenn ich mich nicht irre. Ihr werdet hier noch ganz andre Anzüge zu sehen bekommen, als der meinige ist. Es gibt im wilden Westen nicht auf je zwanzig Schritte zehn Kleidermagazine. Darf ich vielleicht erfahren, wohin ihr wollt, meine Herren?«

      »Ihr?« meinte Schmidt in abweisendem Tone. »Wir sind gewohnt, Sie genannt zu werden, und möchten, ehe wir Ihnen Auskunft geben, zunächst wissen, wer Sie sind, was Sie treiben und auf welchem Weg Sie sich befinden.«

      »Well, das können Sie wissen. Ich heiße Falke, bin aus Sachsen herübergekommen, lebe als Westmann und gebe jedem die Ehre, die ihm gebührt. Da habt Ihr meine volle Legitimation. Ob Ihr mir meine Frage nun auch beantworten wollt, das steht in Eurem Belieben.«

      »Ihr und Euer? Herr Falke, ich habe Ihnen schon gesagt, daß wir gewohnt sind – — —«

      »Schon gut, schon gut!« unterbrach ihn der Kleine. »Und ich habe auch bereits gesagt, daß ich einem jeden die Ehre gebe, die ihm gebührt. Wer mich als einen Hanswurst betrachtet, der wird von mir Ihr oder gar Er genannt, und sagt der Esel dieses Wort noch einmal, so gehe ich fort und laß ihn so dumm bleiben, wie er ist.«

      »Alle Donner! Meinen Sie damit etwa mich?« brauste der Alte auf, indem er drohend einen Schritt zurücktrat.

      »Ja,« antwortete der Kleine, indem er ihm furchtlos und höchst freundlich in die Augen sah.

      »Da machen Sie ja gleich, daß Sie wieder fortkommen, falls Sie wünschen, daß Ihre Knochen bei einander bleiben sollen!«

      »Ich habe ja schon gesagt, daß ich gehen und Sie bleiben lassen werde, was und wie Sie sind. Aber als Ihr Landsmann denke ich, die Pflicht zu haben, Sie vorher zu warnen.«

      »Vor wem?«

      »Vor den zwölf Reitern, welche heute an Ihnen vorübergekommen sind.«

      »Ist nicht nötig. Wir sind selbst so klug, zu wissen, woran wir sind. Die Kerls haben uns gleich nicht gefallen und, als sie uns ausfragen wollten, keine Auskunft erhalten. Sie sehen also, daß Ihre guten Lehren bei uns überflüssig sind.«

      Er drehte sich um, zum Zeichen, daß er mit Sam Hawkens nichts mehr zu thun haben wolle. Dieser machte eine Bewegung, sich zu entfernen, blieb aber doch, angetrieben von seinem guten Herzen, wieder halten und sagte:

      »Master Schmidt, noch ein Wort!«

      »Was?« fragte der Alte barsch.

      »Wenn Ihr wirklich keine guten Lehren braucht, so will ich sie gerne für mich behalten. Gestattet mir nur noch das eine zu fragen. Stehen eure Wagen nur einstweilen so bei einander wie jetzt?«

      »Warum diese Frage?«

      »Weil dies die allerbequemste Weise ist, bestohlen oder gar überfallen zu werden; hätte ich hier etwas zu gebieten, so würde mit den vier Wagen ein Viereck gebildet, innerhalb dessen alle Menschen und Ochsen – — hihihihi – Menschen und Ochsen während der ganzen Nacht zu bleiben hätten. Dabei müßte von der Dunkelheit an bis zum frühen Morgen ein Posten sorgsam Wache halten.«

      »Warum?«

      »Weil ihr euch in Avijour befindet und nicht daheim in der Dresdener oder Leipziger Kreisdirektion.«

      »Wo wir sind, das wissen wir genau. Um das zu erfahren, brauchen wir keinen Hanswurst zu fragen. Macht Euch also fort von hier, sonst schaffe ich Euch Spannfedern in die Beine!«

      »Well, gehe schon, wenn ich mich nicht irre, habe es gut gemeint mit euch; aber wenn dem Esel zu wohl ist, so habe ich nichts dagegen, wenn er auf das Eis geht, um eine Polka zu probieren!«

      Er drehte sich scharf um und entfernte sich nach dem Dorfe zu. Schmidt fuhr den Kantor unmutig an:

      »Da hatten Sie uns einen saubern Kerl gebracht. Sah aus wie ein Harlekin und war dabei doch grob wie Bohnenstroh. Für solche Landsmänner muß ich danken.«

      »Aber mit mir ist er vorher sehr zuvorkommend und freundlich gewesen,« wagte der Emeritus einzuwerfen. »Das war wohl die Folge davon, daß ich ihn hübsch dolce angesprochen habe, wie wir Musikkünstler uns auszudrücken pflegen, während Sie ihm sehr sforzando über den Mund gefahren sind.«

      »Weil er wie ein Landstreicher dahergelaufen kam und –«

      Schmidt war von einem lauten Ausrufe unterbrochen worden. Die beiden jungen Männer, welche die Wagen zu Pferde begleitet und von denen die Finders gesprochen hatten, waren am Flusse gewesen, um ihre verstaubten Pferde zu waschen; jetzt kamen sie zurückgeritten. Der eine von ihnen hatte ein sehr intelligentes Gesicht vom Schnitte und der hellen Farbe des Europäers, obgleich die letztere infolge der Sonnenglut beträchtlich gedunkelt war. Er mochte wohl achtzehn Jahre zählen und war von mehr breiter als hoher Figur. Noch interessanter war der Kopf des andern. Seine kühn modellierten Züge waren echt indianisch, doch nicht von der bei den Indsmen gewöhnlichen Schärfe, auch standen seine Backenknochen nicht so weit hervor. Die Farbe seines Gesichtes war ein mattes Bronce, zu welchem das helle Grau seiner scharfen Augen ebenso wie das Mittelblond seines Haares lebhaft kontrastierte. Seine Gestalt war schlanker, doch nicht weniger kräftig als diejenige seines Begleiters, mit welchem er jedenfalls im gleichen Alter stand. Beide waren nach europäischer Art gekleidet und, wie es schien, vortrefflich bewaffnet. Ebenso saßen beide sehr gut zu Pferde, zumal der Grauäugige, welcher mit seinem Tiere wie zusammengegossen schien. Dieser letztere hatte, als er, sich dem Lager nähernd, Sam Hawkens schnell von dannen gehen sah, den Ruf ausgestoßen, durch welchen Schmidt unterbrochen worden war.

      »Was gibt’s? Was wollen Sie?« fragte dieser entgegen.

      Der junge Mann trieb sein Pferd schnell näher und antwortete, vor Schmidt anhaltend, in deutscher Sprache doch mit fremdem Accent:

      »Wer war der kleine Mann, welcher soeben von hier fortgegangen ist?«

      »Warum?«

      »Weil er mir bekannt vorkam. Seine Kleidung ist eine andre, und ich habe sein Gesicht nicht gesehen; aber sein Gang fällt mir auf. Hatte er einen Bart?«

      »Ja.«

      »Das stimmt! Die Augen?«

      »Sehr klein.«

      »Die Nase?«

      »Fürchterlich.«

      »Stimmt auch! Hatte er vielleicht falsches Haar?«

      »Wie kann ich das wissen? Man fragt doch keinen Menschen bei der ersten Begegnung mit ihm, ob sein Haar echt ist!«

      »Das thut man nicht; aber eine Perücke ist vom echten Haare mit dem ersten Blicke zu unterscheiden. Wissen Sie vielleicht, was er ist?«

      »Einen Westmann nannte er sich.«

      »Auch dieses stimmt. Hat er vielleicht seinen Namen genannt?«

      »Ja.«

      »Sam Hawkens etwa?«

      »Nein. Er heißt Falke und ist ein Deutscher.«

      »Sonderbar, aber doch erklärlich! Falke heißt englisch auch hawk. Viele Deutsche nehmen, wenn sie herüberkommen, englische Namen an; warum sollte jemand, der Falke heißt, sich nicht Hawkens nennen? Aber daß Sam Hawkens ein Deutscher ist, das glaube ich nicht; er hat nie davon gesprochen und sich auch stets so als Yankee gegeben, daß er jedenfalls westlich vom Atlantik geboren ist. Aber diese Gestalt und dieser eigentümliche, schleichende Gang! Jeder gute Westmann hat das Anschleichen gelernt; aber so pflegt nur Sam Hawkens zu schleichen. Doch halt, noch eine Frage. hat dieser Mann während des Gespräches vielleicht einmal gelacht?«

      »Ja.«

      »Wie?«

      »Ausgesucht höhnisch, als er von Menschen und von Ochsen sprach.«

      »Ich meine, mit welchem Vokale, mit welchem Laute er lachte. Man lacht mit a und mit i, sogar mit e oder mit o.«

      »Es war mit i, und mehr ein Kichern als ein Lachen.«

      »Wirklich, wirklich?« fragte der Jüngling in höher interessiertem Tone. »Dann ist er es vielleicht doch gewesen. Sam


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