Der Oelprinz. Karl May

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Der Oelprinz - Karl May


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Klotzsche bei Dresden.«

      »Klotzsche bei Dresden? Was der Teufel, da sind Sie wohl ein Sachse?«

      »Ja, ein geborener, jetzt aber emeritiert.«

      »Und ich auch, obgleich ich mich schon so lange in Amerika befinde, daß ich beinahe vergessen habe, woher ich bin. Sie gehören wohl zu den vier Wagen, Herr Kantor?«

      »Ja. Ich bitte aber sehr, recht vollständig zu sein; sagen Sie also lieber, Herr Kantor emeritus! Dann weiß gleich jedermann, daß ich den Orgel- und Kirchendienst quittiert habe, um meine sämtlichen Befähigungen nun ganz allein der harmonischen Göttin der Musik zu widmen, «

      Die Aeuglein Sams leuchteten lustig auf, doch meinte er in ernstem Tone:

      »Gut, Herr Kantor emeritus, Ihre Wagen sind längst vorüberpassiert, und werden, wie ich vermute, draußen vor dem Dorfe angehalten haben.«

      »Wieviel Takte habe ich da noch weiterzureiten?«

      »Takte?«

      »Hm – — hm – — Schritte wollte ich wohl sagen.«

      »Das weiß ich ebensowenig, weil ich mich gleichfalls zum erstenmale hier befinde. Erlauben Sie, daß ich Sie führe?«

      »Sehr gern, mein werter Herr. Ich bin die Melodie, und Sie machen die Begleitung. Wenn wir unterwegs keine langen Viertelpausen und Fermaten machen, werden wir wohl mit dem Fine bei den Wagen angekommen sein.«

      Sam warf seine Liddy über die Schulter, pfiff seiner Mary, welche ihm wie ein folgsamer Hund folgte, nahm das Pferd des seltsamen Emeritus bei dem Zügel und schritt der Richtung nach, welche die Wagen eingehalten hatten. Da erklang die hohe Fistelstimme vom Klepper herab:

      »Sie wissen nun, wie ich heiße und wer und was ich bin; darf ich auch Ihren Namen erfahren?«

      »Später.«

      »Warum nicht jetzt?«

      »Weil sich Leute hier befinden, die ihn nicht wissen dürfen; ich werde Ihnen das später erklären.«

      »Warum erst später? So eine Ungewißheit ist mir so ziemlich wie eine unaufgelöste Septime oder None. Haben Sie also die Gewogenheit, diesen Dominantseptakkord von A gefälligst nach D-dur oder doch wenigstens nach B-moll herüberzuleiten!«

      »Das wäre eine Unvorsichtigkeit, welche nicht nur mich, sondern auch Sie in Schaden bringen kann. Sie befinden sich in Gefahr, Herr Kantor!«

      »Bitte, bitte, Kantor emeritus! In Gefahr? Das geht mich nichts an. Für Musensöhne gibt es nur die eine Gefahr, daß ihre Schöpfungen nicht anerkannt werden; ich kann aber hier weder applaudiert noch deploriert werden, weil niemand meine Kompositionen kennt, welche übrigens nur erst in meinem Kopfe, aber noch nicht in Partitur vorhanden sind.«

      »Also Sie komponieren?«

      »Ja, bei Tag und Nacht.«

      »Was?«

      »Eine große Oper für drei Theaterabende in zwölf Akten, für jeden Abend vier Akte; wissen Sie, so eine Trilogie wie der “Ring der Nibelungen” von Richard Wagner, diesesmal aber nicht von ihm sondern von mir, dem Herrn Kantor emeritus Matthäus Aurelius Hampel aus Klotzsche bei Dresden.«

      »Können Sie das denn nicht daheim komponieren? Was treibt Sie denn da nach Amerika, noch dazu nach Arizona, dem gefährlichsten Teil des wilden Westens?«

      »Wer mich treibt? Der Geist, die Muse, wer denn anders? Der begnadete Musensohn muß den Eingebungen der Göttin folgen.«

      »Das verstehe ich nicht. Ich folge keiner Göttin, sondern meinem Verstande.«

      »Weil Sie kein Begnadeter sind. Mit Verstand komponiert man keine Oper, sondern mit Generalbaß und Kontrapunkt, wenn nämlich ein passendes Libretto, ein Text vorhanden ist. Und dieser Text, der ist eben die Spannfeder, die mich herübergeschwippst hat nach Amerika.«

      »Wieso, Herr Kantor?«

      »Bitte wiederholt recht sehr: Kantor emeritus! Es ist wirklich nur der Vollständigkeit halber. Man könnte denken, daß ich noch immer zu Klotzsche bei Dresden die Orgel spielen muß, während ich doch schon seit zwei Jahren einen Nachfolger habe. Meine Oper ist nämlich im Kopfe vollständig fertig; aber es fehlt mir der passende Text dazu. Ich habe mich mit berühmten Dichtern in Verbindung gesetzt, zum Beispiel mit Herrn Zuckerkrach in Wien, der einen sehr schönen Gespensterroman, und mit Herrn von Kuchenbruch in Halle, welcher eine sehr

      lebhafte Ode an den Meerbusen von Biscaya geschrieben hat. Sie haben mir unter die Arme gegriffen, aber nicht poetisch genug. Ich will Hexameter komponieren aber keine Jamben. Auch waren sie mir viel zu zart, zu lyrisch, zu butterig weich, denn ich brauche einen kräftigen, einen gigantischen, einen cyklopischen Text, denn meine Oper soll eine Heldenoper werden. Da habe ich mich also selbst nach Helden umsehen müssen, aber leider keine recht geeigneten gefunden. Die Helden von Rottecks Weltgeschichte sind nämlich schon viel zu sehr abgedroschen worden; ich aber will neue, originale Helden, die noch nicht zwischen den Coulissen und Soffitten gestanden haben. Da lebt nun in der Nähe von Dresden zuweilen mein Freund und Gönner Hobblefrank, und der – — —«

      »Der Hobblefrank lebt dort? Den kennen Sie?« fiel Sam schnell und überrascht ein.

      »Ja. Sie auch?«

      »Sehr gut sogar, sehr gut! Weiter, weiter!«

      »Und der hat mich auf solche Helden, wie ich sie brauche, aufmerksam gemacht.«

      »Wohl auf sich selbst?«

      »Auch mit.«

      »Auf wen noch, Herr Kantor?«

      »Ich ersuche Sie nun schon zum vierten- oder gar zum fünftenmale: Herr Kantor emeritus! Es ist gewiß und wahrhaftig nur der Vollständigkeit wegen. Man könnte sonst denken, ich messe mir ein Amt an, in welchem ich mich nun schon seit zwei Jahren nicht mehr befinde. Also der Hobblefrank, über den wir übrigens noch weiter sprechen werden, hat mich auf solche für mich passende Helden aufmerksam gemacht, zunächst natürlich auf sich selbst und sodann in zweiter Linie auf drei andre Männer, mit denen er früher hier im wilden Westen ganz außerordentliche Thaten verrichtet hat und wahrscheinlich jetzt wieder zusammengetroffen ist.«

      »Wer sind diese Leute?«

      »Ein Apachenhäuptling, welcher Winnetou heißt und zwei berühmte weiße Prairiejäger, Namens Old Shatterhand und Old Firehand.«

      »Good lack! Das sind allerdings die allerberühmtesten Gentlemen, die ich kenne!«

      »Wie? Auch Sie kennen dieselben?«

      »Und ob! Wer sollte die nicht kennen! Und wer noch nicht das Glück gehabt hat, sie zu sehen, dem ist, mag er sein, wer er will, doch so viel von ihnen erzählt worden, daß er sie beinahe so gut kennt, als ob er mit ihnen beisammengewesen wäre.«

      »So könnten auch Sie mir von ihnen erzählen?«

      »Will es meinen! Ich, und nichts von ihnen wissen, hihihihi! Ich sage Ihnen, daß Sie von mir so viel über diese Gents hören können, daß Sie zwanzig Opern davon zu komponieren imstande sind. Die Musik dazu müssen Sie sich freilich selber machen.«

      »Natürlich, natürlich! Der Hobblefrank hat mir alle Abenteuer erzählt, die er mit den Herren erlebte; kann ich von Ihnen noch Ferneres vernehmen, so ist mir das lieb, weil dadurch mein zu bearbeitender Stoff reicher wird.«

      »Sie sollen mehr erfahren, als Sie brauchen. Aber sagten Sie nicht soeben, daß der Hobble jetzt wieder mit ihnen zusammengetroffen sei?«

      »Ja, so sagte ich; ich vermute es, wenn ich es auch nicht ganz bestimmt behaupten kann. Ich war nämlich einige Tage lang nicht daheim gewesen; als ich nach Hause kam, fand ich einige Zeilen von ihm vor, in denen er mich aufforderte, schleunigst zu ihm zu kommen, falls es noch meine Absicht sei, mit ihm nach Amerika zu gehen, um die betreffenden Helden für meine Oper persönlich kennen zu lernen. Ich suchte ihn natürlich sofort auf, kam jedoch zu spät, denn die Villa “Bärenfett”, welche er bewohnt, war verschlossen – alles zu, kein Mensch da, und vom Nachbar konnte ich nur erfahren, daß der Hobblefrank für längere Zeit verreist sein müsse. Ich habe als ganz selbstverständlich angenommen,


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