Der Oelprinz. Karl May

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Der Oelprinz - Karl May


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Ich hatte schon wiederholt das Vergnügen, Ihnen zu erklären, daß es für einen Sohn der Musen keine Gefahr gibt außer der einzigen, daß seine Werke nicht anerkannt werden. Andre Fährlichkeiten existieren nicht.«

      »Also, wenn ein offenbarer Mörder geradezu über Sie wegstolpert und Sie bei der Gurgel faßt, um Sie zu erdrosseln, so ist das keine Gefahr für Sie?«

      »Nein. Sie haben ja den Beweis, lieber Herr; er hat mich gehen lassen und ist auch selbst gegangen. Ueber mir schwebt eben ein Genius, welcher über mich wacht und mich vor jedem Unglücke bewahrt.«

      »Wenn dieser Glaube Sie glücklich macht, so mögen Sie ihn meinetwegen behalten, bis Sie einmal erschossen, erschlagen, erstochen und skalpiert werden. Aber aus Rücksicht auf uns sollten Sie vorsichtig sein. Ihre sehnsüchtige Erwartung eines Trillers hat auch uns in Gefahr gebracht. Wir werden in Zukunft nicht nur Ihr Pferd anbinden dürfen.«

      »Etwa mich auch?«

      »Allerdings.«

      »Herr, dagegen muß ich protestieren! Das Genie kennt keine Banden, und wenn man es dennoch schnürt, zerreißt es alle Fesseln. Wie wollen Sie die Töne einer Trompete unterdrücken, wenn sie einmal am Munde sitzt?«

      »Indem ich sie einfach vom Munde wegnehme, wenn ich mich nicht irre. Für jetzt nun verlange ich, daß Sie sich unbedingt ruhig verhalten und da bleiben, wohin ich Sie stelle. Es hängt unser aller Leben davon ab, daß niemand einen Fehler macht.«

      »Wenn dies der Fall ist, werde ich Ihren Anordnungen folgen; Sie können sich darauf verlassen. Sollte es aber doch zum Kampfe kommen und jemand dabei sterben, so bin ich gern erbötig, für ihn schnell eine Missa pro defunctis auf beliebigem Text zu komponieren. Ich werde augenblicklich über ein schönes und ergreifendes Thema dazu nachdenken.«

      Das Feuer war bis jetzt noch immer hoch geschürt worden. Nun sollte das Lager verlassen werden. Sam bestimmte, daß nur er, Stone, Parker und die Soldaten sich bei der Ueberrumpelung der Finders zu beteiligen hätten; die andern sollten der dabei doch drohenden Gefahr nicht ausgesetzt werden. Schmidt, Strauch, Ebersbach und Uhlmann waren damit einverstanden. Frau Rosalie aber erklärte beherzt:

      »Was, ich soll die Hände in den Schoß legen, wenn andre für mich ihr Leben wagen? Das kann ich nich zugeben, ganz gewiß nich. Wenn keene Flinte für mich übrig is, da nehme ich eene Hacke oder Schaufel, und wehe dem Urian, der mir zu nahe kommt! In dem Herrn Emeritus seiner Heldenoper müssen doch ooch Damen ufftreten, und ich will die erschte sein, die erscheint. Also sagt mir nur den Ort, wo ich mich hinzuschtellen hab’. Ich werde meine Sache machen; ausreißen thu ich sicher nich!«

      Es kostete nicht wenig Mühe, ihr begreiflich zu machen, daß ihre Beteiligung nicht nur nichts nützen, sondern sogar nur schaden könne, und sie ergab sich nur ungern darein, sich den Unthätigen zugesellen zu müssen. Die vier deutschen Auswanderer zogen mit ihren Frauen, Kindern und Zugtieren nach der Stelle, an welcher die Soldaten warteten. Der Kantor war natürlich auch bei ihnen, und Sam schärfte ihnen ein, ja streng acht auf ihn zu geben, damit es ihm nicht möglich sei, sich zu entfernen und Unheil anzustiften. Die Pferde wurden auch dorthin in Sicherheit gebracht. Eigentlich sollten Schi-So und Adolf Wolf, da sie noch so jung waren, auch von der Beteiligung ausgeschlossen sein; aber der erstere erklärte so bestimmt, daß dies eine große Beleidigung für ihn sei, daß Sam ihm seinen Wunsch erfüllte und infolgedessen auch Adolf nicht mehr zurückweisen konnte. Der gefangene Scout wurde selbstverständlich auch mit in Sicherheit gebracht. Nun konnten alle Soldaten sich beteiligen; es brauchte keiner von ihnen als Pferdewache zurückzubleiben, da ihre Tiere von den Deutschen unter Aufsicht genommen wurden; sie kamen jetzt herbei, und eben wollte Sam Hawkens ihren Offizier über die Art und Weise der Abwehr gegen die Finders unterrichten, als der junge Häuptlingssohn in bescheidenem Tone zu ihm sagte:

      »Werden Sie es mir verzeihen, wenn ich es wage, Sie auf etwas sehr Notwendiges aufmerksam zu machen?«

      Er hatte deutsch gesprochen, um von dem Lieutenant nicht verstanden zu werden. Sam erkannte diese Rücksichtsnahme an und antwortete.

      »Wie könnte ich dem Sohne meines Freundes, des “großen Donners”, zürnen. Sprich, wie du es auf der Zunge hast!«

      Der Jüngling folgte dieser Aufforderung, indem er fortfuhr:

      »Wer den Feind in der Nähe weiß, der sucht ihn zu beschleichen; das weiß der berühmte Sam Hawkens viel besser, als ich es ihm zu sagen vermag. Wir haben die Finders beschlichen und belauscht. Werden sie dasselbe nicht auch mit uns thun?«

      Ueber Sams Bartwald ging eine Bewegung, wie wenn der Wind über die Wipfel der Bäume streicht. Seine kleinen, listigen Aeuglein schlossen sich für einen Augenblick; dann, als sie sich wieder geöffnet hatten, zwinkerte er wie in halber Verlegenheit mit den Lidern und antwortete:

      »Behold, das ist wirklich kein übler Gedanke! Du hast recht, vollständig recht, und ich bin ein Esel sonder gleichen gewesen, daß ich nicht daran gedacht habe. Wenn es den Kerls eingefallen ist, uns zu belauschen, so wissen sie, daß wir auf ihren Ueberfall vorbereitet sind und sogar Soldaten bei uns haben, wenn ich mich nicht irre. Ich werde also sofort einmal um das Lager schleichen, um zu erfahren, ob die Luft rein ist.«

      »Und soll ich nicht vielleicht nach der Richtung gehen, aus welcher die Finders kommen werden? Ich könnte Euch schnell von ihrer Annäherung benachrichtigen.«

      »Ja, thue das, mein Sohn, thue das sogleich! Ich habe eine Unterlassungssünde begangen, welche uns aber hoffentlich keinen Schaden bringen wird. Sie wissen, wo wir uns befinden, denn sie können unser Feuer sehen, und so denke ich, daß sie es nicht für notwendig gehalten haben, noch extra einen Späher auszusenden.«

      Schi-So huschte in die finstere Nacht hinaus, und der kleine Jäger fuhr fort:

      »Ein ganz tüchtiger junger Mann! Wird es zu ‘was bringen! Hat mir eine Lehre gegeben, eine Lehre, daß ich altes Coon mich schämen möchte wie ein Sonntagsschütze, der von Hasen erschossen worden ist, wenn ich mich nicht irre. Ist mir auch noch nicht passiert, zu vergessen, daß man unter solchen Umständen einen Kundschafter aussendet, sogar einen zweiten und auch dritten, wenn der erste nichts erfahren hat oder mit der Rückkehr zögert! Bleibt hier stehen, Mesch’schurs, ich werde euch nicht lange auf mich warten lassen.«

      Er ging. Sein Unternehmen war nicht ganz ungefährlich. Befand sich einer der Finders in der Nähe und er wurde von demselben bemerkt, ehe er selbst ihn sah, so konnte er leicht eine scharfe, spitze Messerklinge in den Leib bekommen. Darum durfte er nicht unvorsichtig sein, sondern mußte alle Finessen eines erfahrenen Westmannes in Anwendung bringen. Er ging nicht etwa schnell und aufrecht um das Lager, sondern er kroch langsam auf Händen und Füßen um dasselbe und strengte dabei Augen und Ohren auf das äußerste an, um einen etwa anwesenden Feind rechtzeitig zu gewahren. Daher kam es, daß über eine halbe Stunde verging, bis er zu dem Punkte zurückkehrte, von welchem er ausgegangen war.

      Unterdessen hatte Schi-So ganz genau die gerade Linie eingehalten, welche nach dem Aufenthaltsorte der Finders führte. Als er ungefähr zehn Minuten gegangen war, natürlich ganz ebenso vorsichtig, wie Sam seine Runde gemacht hatte, hielt er an und setzte sich nieder. Um ihn her herrschte die tiefste Stille; er kannte die Schärfe seines Gehöres und wußte, daß er die Annäherung der Feinde gewiß gewahren würde. Hinter ihm brannte das Lagerfeuer tiefer und immer tiefer, bis es nur noch glimmte und dann ganz erlosch. Das war der Zeitpunkt, an welchem die Finders aufbrechen wollten. Er durfte nun jeden Augenblick ihres Nahens gewärtig sein. Und wirklich, er hörte jetzt etwas wie ein leises Wehen von der betreffenden Seite her. Ein andrer hätte gemeint, daß ein Lufthauch über die Gräser gehe; Schi-So aber wußte, daß es das kaum wahrnehmbare Geräusch schleichender Schritte sei. Er richtete sich halb auf und lauschte noch angestrengter als bisher; er erkannte, daß er sich nicht getäuscht habe. Seine guten Ohren sagten ihm, daß die Nahenden in einer Entfernung von zwanzig bis dreißig Schritten von ihm vorüberkommen würden; darum huschte er schnell fünfzehn Schritte vor und legte sich dann platt auf die Erde nieder.

      Und da kamen sie, leise und langsam, einen dichten Trupp bildend und nicht einer hinter dem andern, wie Indianer oder erfahrene Westmänner gegangen wären. Sie passierten vorüber, und Schi-So erhob sich, um ihnen auf dem Fuße zu folgen. Er wußte, daß sie an irgend einer Stelle stehen


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