Der Oelprinz. Karl May

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Der Oelprinz - Karl May


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bei. »Was ist das nun wieder, wenn ich mich nicht irre! Schnell zur Seite!«

      Das Pferd war schnell näher gekommen; sie wichen gerade noch zu rechter Zeit aus; als es vorüberschoß, sahen sie trotz der Dunkelheit, daß zwei Gestalten auf demselben saßen. Die eine von ihnen stöhnte laut.

      »Wir das einer von uns, Sam?« fragte Parker.

      »Weiß nicht. Waren überhaupt zwei, altes Greenhorn.«

      »Aber Feinde. Der eine saß richtig im Sattel; der andre kniete hinter ihm und hatte ihn beim Halse.«

      »So genau habe ich es nicht unterscheiden können. Hast du dich nicht etwa geirrt?«

      »Nein. Ich stand näher als du und konnte es also deutlicher sehen. Einer von ihnen gehörte wohl zu uns; wer aber mag der zweite sein?«

      Dieser zweite gehörte ebenso wie der erste zur Gesellschaft. Daß sie miteinander an Sam und Will vorüberritten, und zwar auf einem Pferde, beruhte auf folgender Ursache:

      Schi-So, der Häuptlingssohn, hatte sich stets nur zu Adolf Wolf, seinem gleichalterigen einstigen Studiengenossen und jetzigen Gefährten gehalten, war nach Indianerweise gegen Sam, Will und Dick nicht aufdringlich gewesen, hatte aber alle Vorkommnisse, Reden und Gespräche mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Er hatte in Tucson gehört, wie Sam den Führer zurechtwies und ihm sagte, daß er morgen entlassen werde. Später war ihm das stille, brütende Wesen dieses Mannes aufgefallen; er hatte Verdacht gefaßt und ihn von nun an sehr aufmerksam beobachtet. Jetzt, am Lager, hatte der Scout mit den deutschen Auswanderern nach Sams und Will Parkers Entfernung einen Streit vom Zaune gebrochen, und Frau Rosalie ihrem lebhaften Temperament zufolge an demselben teilgenommen. Was der eigentliche Grund oder Gegenstand des Zankes war, wußte Schi-So nicht; er hörte nur, daß die Frau schließlich zornig ausrief.-

      »Denken Se nich etwa, daß wir Ihre Unterthanen und Schklaven sind! Ich, Frau Rosalie Eberschbach, geborene Morgenschtern und verwitwete Leiermüllerin habe hier gerade so viel zu befehlen wie Sie. Verschtehn Se mich! Sie zeigen uns den Weg und kriegen Ihr Geld dervor. So is die Sache. Und morgen gehn Se ab. Der Herr Sam Hawkens wird uns weiter führen; der verschteht seine Sache besser als Sie und macht’s noch derzu ganz umsonst.«

      »Besser wie ich?« fragte zornig der Scout. »Darüber haben Sie als Fremde und als Frau gar kein Urteil. Weiber haben überhaupt zu schweigen!«

      »Zu schweigen? I, was Se nich sagen! Schweigen sollen wir Damen? Wozu haben wir denn den Mund bekommen? Etwa bloß zum Nüsseknacken und Oppedeldoc trinken? Hörn Se, da sind Se uff dem Holzwege! Schweigen lieber Sie, denn alles, was Se sagen, is schlechte Leinewand und imitiertes Meublemang! Wir werden froh sein, wenn Se morgen fort sein werden. Uff Ihre lockere Amtsführung als Wegweiser und Schkuut dürfen Se sich wahrhaftig nich viel einbilden!«

      »Ich kann dieses Amt ja schon heut niederlegen!«

      »So? Das is uns lieb; das is uns recht; das wird oogenblicklich angenommen. Also treten Se ab! Sie sind hiermit aus Amt und Schtand und Brot entlassen!«

      »Nicht eher, als bis ich meine Bezahlung bekommen habe!«

      »Die sollen Se haben, oogenblicklich haben. Wegen den paar Pfennigen lassen wir uns nich beim Land- und Kreisgericht verklagen. Julius, haste Geld bei der Hand?«

      Julius hieß ihr Mann, welcher neben ihr stand. Er bejahte ihre Frage.

      »So bezahl den Mann; mir kommt er nich wieder ins Haus. Dem will ich’s zeigen, ob wir Damen schweigen müssen oder nich! Ich bin nur deshalb mit nach

      Amerika, weil da die Damen feiner als drüben behandelt werden, und gleich dieser erste Yängki, der mir in den Weg gekommen is, will mir die Schprachwerkzeuge verbieten! Das muß eenen ja aus allen seinen sieben Himmeln reißen! Also zahl ihn aus, und dann hau du ju du!« (* How do you do.)

      Der Scout erhielt wirklich seinen Lohn so ausgezahlt, als ob er mit bis nach Fort Yuma geritten wäre. Er schob es mit pfiffigem Lächeln in die Tasche. Jedenfalls hatte er den Streit nur deshalb vom Zaune gebrochen, um das Geld zu bekommen und sich noch während der Abwesenheit Sams entfernen zu können. Er sattelte sein Pferd, nahm sein Gewehr und stieg auf. Da trat Dick Stone zu ihm und fragte:

      »Wollt Ihr mir wohl sagen, Sir, was es zu bedeuten hat, daß Ihr da Euern Gaul so plötzlich zwischen die Beine nehmt? Wie es scheint, wollt Ihr fort?«

      »Yes. Habt Ihr etwas dagegen?« antwortete der Führer impertinent.

      »Sehr viel sogar.«

      »Darnach werde ich nicht fragen.«

      »Oho! Dick Stone ist ganz genau der Mann, nach dessen Wort man fragt. Wir sollen überfallen werden; es heißt entweder hie Freund oder hie Feind; wer uns in diesem Augenblick verläßt, ist unser Feind.«

      »Ich bin entlassen worden.«

      »Als Führer, ja, aber nicht fortgejagt. Niemand hindert Euch, bis morgen zu bleiben. Wenn Ihr trotzdem fort wollt, so kennen wir den Grund!«

      »Kennt Ihr ihn? Ah, wirklich?« höhnte der Scout. »Wollt Ihr vielleicht die Güte haben, ihn mir zu sagen?«

      »Ja. Ihr wollt zu den Finders, um sie zu warnen.«

      »Ich glaube, Ihr seid verrückt geworden, Master!«

      »Schwerlich. Dieser Gedanke liegt so nahe, daß ihn jedes Kind haben muß.«

      »Da will ich Euch doch sagen, wohin ich will. Ich bin von diesen Deutschen entlassen worden und kann also nicht hier bei ihnen bleiben; meine Ehre verbietet mir das. Darum will ich hinaus zu den Soldaten, um bei ihnen bis zum Tagesanbruch zu bleiben. So, das ist meine Absicht, und nun laßt mich fort!«

      Dick Stone ließ sich, durch diese Lüge für einen Augenblick getäuscht, die Zügel, welche er ergriffen hatte, aus der Hand zerren; der Scout gab seinem Pferde einen Hieb und ritt davon, der Richtung zu, in welcher sich der Lieutenant nach Sams und Parkers Entfernung mit seinen zwanzig Mann zurückgezogen hatte. Aber schon eine Sekunde später war Dick Stone wieder klar. Er sprang nach der Stelle, an welcher sein Gewehr lag, und rief:

      »Der Schuft hat mich belogen; er will uns doch verraten; ich schicke ihm eine Kugel nach!«

      Da schnellte Schi-So zu ihm hin und sagte:

      »Schießt nicht, Sir! Es ist dunkel; die Kugel würde fehlgehen. Ich bringe Euch den Mann zurück.«

      Nach diesen Worten schoß der Jüngling fort, in die dunkle Nacht hinaus.

      »Ihn zurückbringen? Dieser Knabe?« fragte Dick. »Sollte ihm schwer fallen. Ich muß ihm selbst nachreiten.«

      Er wollte zu seinem Pferde; da ergriff ihn Adolf Wolf am Arme und bat:

      »Bleibt hier! Er holt ihn wirklich.«

      »Ist unmöglich!«

      »Er holt ihn! Ihr könnt es glauben. Schi-So bringt, obgleich er noch so jung ist, noch ganz andre Dinge fertig.«

      Der bestimmte Ton und die überzeugungsvolle Miene Wolfs blieben nicht ohne Wirkung.

      »Hm,« brummte Dick, »würde wohl zu nichts führen, wenn ich ihm nachritte. Kann doch nicht sehen, wohin er ist. Will er wirklich zu den Finders, so wird er wahrscheinlich auf Sam und Will stoßen, die ihn nicht weiterlassen werden. Bleib also hier. Aber eine verteufelte Geschichte ist es doch, wenn er entkommt. Was wird Sam dazu sagen!«

      Dieser sagte gar nichts, sondern er stand gerade in diesem Augenblicke noch neben Parker und horchte mit diesem nach der Richtung, in welcher das Pferd an ihnen vorüber verschwunden war. Man hörte es noch deutlich schnauben, aber keine Huftritte mehr. Doch nach einiger Zeit waren sie wieder zu vernehmen; sie kamen wieder zurück, näher und näher und viel langsamer als vorher.

      »Sonderbar!« brummte Sam. »Die beiden Reiter kommen retour, und zwar im Schritt. Wir legen uns nieder, weil wir dann besser sehen können, wer es ist.«

      Sie duckten sich auf den Boden. Jetzt kam das Pferd; es saß nur ein Reiter darauf, aber es zog einen dunklen Gegenstand hinter sich her. Jetzt erkannten die beiden den Reiter.

      »Schi-So!« rief Sam. »Ihr seid es, Ihr? Wie kommt Ihr hierher?«

      Der


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