Der Oelprinz. Karl May

Читать онлайн книгу.

Der Oelprinz - Karl May


Скачать книгу
meine Reiter sehen?«

      »Nein. Ich habe gestern bei ihnen gesessen und weiß, daß keiner von ihnen ein Fernrohr besitzt; ein Auge aber, und wenn es noch so scharf ist, kann in dieser Weite nur die großen Wagen und später, wenn es dunkel geworden ist, das Feuer erkennen. Ihr könnt also eure Leute getrost holen, Sir.«

      Der Offizier ritt fort und kehrte bald darauf mit seinen zwanzig Kavalleristen zurück, welche sich nur so weit entfernt vom Lager befunden hatten, daß sie von demselben aus eben gerade nicht mehr gesehen werden konnten. Es wurde der Ort bestimmt, bis zu welchem sich die Truppen bei der Dämmerung zurückzuziehen hatten; dann schickte sich Sam an, seinen Spähergang anzutreten. Er mußte gehen, da er sich als Reiter nicht so gut und leicht verbergen konnte. Er trat also zu seinem Maultiere, gab demselben einen leichten Klaps und sagte:

      »Leg dich nieder, alte Mary, und warte, bis ich wiederkomme!«

      Es verstand ihn ganz genau, legte sich nieder, und nun konnte man die höchste Summe darauf wetten, daß es sich nicht eher von der Stelle rührte, als bis es von seinem zurückgekehrten Herrn dazu aufgefordert wurde. Dann wendete er sich an Parker:

      »Wie steht es, süßer Will? Wünschtest du nicht, mitgenommen zu werden?«

      »Lauf nur allein,« war die Antwort. »Kannst ein Greenhorn, wie ich bin, doch nicht brauchen.«

      »Muß dich aber doch mitnehmen, wenn du etwas lernen sollst.«

      »Well, ich gehe mit, doch nicht des Lernens halber, sondern damit du nicht ohne Hilfe bist, wenn die Finders dich erwischen und skalpieren wollen.«

      »Mögen es immer thun. Können meine Haut bekommen. Werde mir eine andre und schönere kaufen.«

      Sam und Parker verließen das Lager. Sie nahmen ihre Waffen mit, da es möglich war, sich derselben bedienen zu müssen. Südöstlich lagen die Steine, hinter welchen, wie Sam annahm, sich die Finders verbergen würden. Mehr nach Süd, also nach rechts, sah man die Felsen, bei denen Sam sich verstecken wollte. Dorthin nahmen sie ihren Weg, doch nicht in gerader Richtung, sondern in einem westwärts geschlagenen Bogen, um, falls die Finders schon angekommen sein sollten, nicht von ihnen gesehen zu werden. Natürlich hatte Sam, ehe er sich aus dem Lager entfernte, für alle möglichen Fälle die nötigen Anweisungen zurückgelassen.

      Als die beiden ihr Ziel erreichten, stand die Sonne schon dem Horizonte nahe; in einer halben Stunde mußte die in jenen Gegenden sehr kurze Dämmerung eintreten. Drüben bei den andern Felsen befand sich noch kein Mensch; sie richteten ihre Blicke also dahin, wo die Erwarteten herkommen mußten. Niemand war zu sehen.

      »Ob sie überhaupt kommen werden?« fragte Parker. »Wir sind nur von einer Vermutung, nicht aber von einer Gewißheit ausgegangen.«

      »Was du Vermutung nennst, ist für mich Gewißheit,« antwortete Sam. »Soll mich wundern, wenn ich mich irrte.«

      »Die Lugt kann ihnen vergangen sein; haben ihnen nicht gut mitgespielt.«

      »Desto kräftiger wird ihr Durst nach Rache sein. Schau! Bewegt sich nicht etwas dort zwischen den beiden vorletzten Bodenwellen?«

      Parker strengte seine Augen an und antwortete dann hastig:

      »Reiter! Sie sind’s!«

      »Ja, sie sind’s; sie kommen aus der Einsenkung hervor. Man kann sie noch nicht zählen, aber mehr als zwölf sind es nicht.«

      »Und wohl auch nicht weniger. Sie sind’s gewiß. Alter Sam, du hast recht gehabt!«

      »Habe immer recht, süßer Will, immer, und das ist gar nicht schwer. Weißt du, wie man es machen muß, um niemals unrecht zu haben?«

      »Yes; ist sehr leicht.«

      »Nun, wie?«

      »Man muß gar nichts behaupten.«

      »Auch richtig; aber das meine ich nicht. Man darf nicht eher etwas sagen, als bis man gewiß weiß, daß es richtig ist.«

      »Ist keine Kunst!«

      »Nicht? Nun, dann muß man immer das Gegenteil von dem behaupten, was ein Greenhorn sagt.«

      »Schön, lieber Sam! Werde also von jetzt an dir niemals beistimmen, dann habe ich immer recht. Schau, sie bleiben halten! Sie besprechen sich. Sie werden doch nicht herüber zu uns wollen!«

      »Fällt ihnen nicht ein! Jetzt setzen sie sich wieder in Bewegung. Sie weichen rechts von unsrer Fährte ab. Sie kennen diese Gegend und wissen, daß sie dort hinauf zu den Felsen müssen, wenn sie unser Lager sehen wollen.«

      »Du meinst, sie nehmen als sicher an, daß wir dort am Wasserlagern?«

      »Natürlich! Kein Mensch wird, wenn er Wasser haben kann, in die Wüste gehen. Welch eine Frage wieder! Will Parker, Will Parker, was werde ich noch an dir erleben müssen! Ich kann mit dir keine Ehre einlegen und darf mich also in deiner Gesellschaft vor niemand sehen lassen. Du betrübst und grämst mich noch in den blassen Tod hinein, wenn ich mich nicht irre. Schau, sie reiten hinauf, und ich hatte wieder recht: sie kommen nicht hierher.«

      Man sah, daß sie sich nach den jenseitigen Felsen bewegten. Je näher sie denselben kamen, desto vorsichtiger bewegten sie sich, indem sie jeden Stein zur Deckung nahmen, um vom Wasser aus nicht gesehen zu werden. Sie stiegen schließlich von den Pferden und führten dieselben hinter sich her, weil sie im hohen Sattel mehr in die Augen fallen mußten. Endlich hatten sie die Felsen erreicht und lauschten hinter denselben hervor. Man sah ihren Bewegungen an, daß sie sich freuten, den Wagenzug zu erblicken. Die Pferde wurden etwas rückwärts angepflockt, und dann nahmen die Reiter die verschiedensten Stellungen ein, in denen sie das Lager bequem beobachten konnten.

      »Sie sind’s,« nickte Sam. »Zwölf; man kann sie jetzt zählen.«

      »Gehen wir hinüber?« fragte Will.

      »Ja, sobald es dunkel geworden ist.«

      Da brauchten sie nicht lange zu warten. Die Sonne hatte schon den Horizont berührt; sie verschwand; der immer tiefer werdende Schatten der Dämmerung flog von Osten herbei, und draußen am Wasser leuchtete nun ein hohes, helles Feuer auf. Man konnte die Finders schon nicht mehr erkennen.

      »Komm,« forderte Sam seinen Kameraden auf. »Wir wollen keine Zeit verlieren.«

      Sie verließen ihr Versteck und schritten demjenigen ihrer Gegner zu. Je näher sie demselben kamen, desto leiser, zuletzt vollständig unhörbar, wurden ihre Schritte. Daß Sam Hawkens mit seinen Riesenstiefeln so geräuschlos auftrat wie ein Sperling im Grase, das war geradezu unbegreiflich. Und Will Parker benahm sich mit einem Geschick, welches bewies, daß er kein Greenhorn war, wenn er von Sam auch oft so genannt wurde.

      Als sie an den Fuß der kleinen Anhöhe gelangten, gab Sam seinem Begleiter das Gewehr und flüsterte ihm zu:

      »Bleib hier zurück und halte meine Liddy! Ich will allein hinauf.«

      »Well; aber wenn du in Gefahr gerätst, komme ich nach.«

      »Pshaw, wüßte nicht, welche Gefahr dies sein könnte! Spitz die Ohren, Will, damit du nicht etwa ertappt wirst!«

      »Von wem?«

      »Von dem Kundschafter, den sie gewiß nun bald fortschicken werden. Es ist zwar nicht wahrscheinlich, aber doch möglich, daß er hier vorüberkommt.«

      Er legte sich auf den Boden nieder und kroch weiter. Es war jetzt die beste Zeit zum Anschleichen, weil so kurz nach der Dämmerung die wenigen Sterne, welche zu sehen waren, noch matt schimmerten. Bekanntlich wächst der Glanz der Sterne von der Dämmerung an.

      Wie bereits bemerkt, bestand die Bodenwelle, auf welcher die Felsenstücke lagen, aus lauter Geröll, welches demjenigen, welcher im Anschleichen keine sehr große Gewandtheit besaß, unter den Füßen und Händen fortrollen mußte. Sam aber schob sich Zoll um Zoll vorwärts, ohne daß ein Steinchen aus seiner Lage geriet. Es ergab sich dabei wirklich die absoluteste Unhörbarkeit. So erreichte er die Höhe und hielt an. Seine scharfen an die Dunkelheit gewöhnten, weil in derselben geübten Augen sahen die Gegner vor sich; er hätte sie ebensogut bemerkt, wenn er sie nicht gesehen hätte, denn sie sprachen miteinander. Er wagte es, sich ihnen noch mehr zu nähern,


Скачать книгу