Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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Bo­den und ih­ren ein­zi­gen Aus­gangs­punkt er­hal­ten wird.

      Eine wah­re Er­neue­rung und Rei­ni­gung des Gym­na­si­ums wird nur aus ei­ner tie­fen und ge­wal­ti­gen Er­neue­rung und Rei­ni­gung des deut­schen Geis­tes her­vor­gehn. Sehr ge­heim­niß­voll und schwer zu er­fas­sen ist das Band, wel­ches wirk­lich zwi­schen dem in­ners­ten deut­schen We­sen und dem grie­chi­schen Ge­ni­us sich knüpft. Be­vor aber nicht das edels­te Be­dürf­nis; des äch­ten deut­schen Geis­tes nach der Hand die­ses grie­chi­schen Ge­ni­us, wie nach ei­ner fes­ten Stüt­ze im Stro­me der Bar­ba­rei hascht, be­vor aus die­sem deut­schen Geis­te nicht eine ver­zeh­ren­de Sehn­sucht nach den Grie­chen her­vor­bricht, be­vor nicht die müh­sam er­run­ge­ne Fern­sicht in die grie­chi­sche Hei­mat, an der Schil­ler und Goe­the sich er­lab­ten, zur Wall­fahrts­stät­te der bes­ten und be­gab­tes­ten Men­schen ge­wor­den ist, wird das clas­si­sche Bil­dungs­ziel des Gym­na­si­ums halt­los in der Luft hin- und her­flat­tern: und Die­je­ni­gen wer­den we­nigs­tens nicht zu ta­deln sein, wel­che eine noch so be­schränk­te Wis­sen­schaft­lich­keit und Ge­lehr­sam­keit im Gym­na­si­um her­an­ziehn wol­len, um doch ein wirk­li­ches, fes­tes und im­mer­hin idea­les Ziel im Auge zu ha­ben und ihre Schü­ler vor den Ver­füh­run­gen je­nes glit­zern­den Phan­toms zu ret­ten, das sich jetzt »Cul­tur« und »Bil­dung« nen­nen läßt. Das ist die trau­ri­ge Lage des jet­zi­gen Gym­na­si­ums: die be­schränk­tes­ten Stand­punk­te sind ge­wis­ser­ma­ßen im Recht, weil Nie­mand im Stan­de ist, den Ort zu er­rei­chen oder we­nigs­tens zu be­zeich­nen, wo alle die­se Stand­punk­te zum Un­recht wer­den.«

      »Nie­mand?« frag­te der Schü­ler den Phi­lo­so­phen mit ei­ner ge­wis­sen Rüh­rung in der Stim­me: und bei­de ver­stumm­ten.

      *

      Drit­ter Vor­trag.

      (Ge­hal­ten am 27. Fe­bru­ar 1872.)

      Ver­ehr­te An­we­sen­de! Das Ge­spräch, des­sen Zu­hö­rer ich einst war und des­sen Grund­zü­ge ich hier vor Ih­nen aus leb­haf­ter Erin­ne­rung nach­zu­zeich­nen ver­su­che, war an dem Punk­te, wo ich das letz­te Mal mei­ne Er­zäh­lung be­schloß, durch eine erns­te und lan­ge Pau­se un­ter­bro­chen wor­den. Der Phi­lo­soph so­wohl wie sein Beglei­ter sa­ßen in trüb­sin­ni­ges Schwei­gen ver­sun­ken da: Je­dem von ih­nen lag der eben be­sproch­ne selt­sa­me Noth­stand der wich­tigs­ten Bil­dungs­an­stalt, des Gym­na­si­ums, auf der See­le, als eine Last, zu de­ren Be­sei­ti­gung der gut­ge­sinn­te Ein­zel­ne zu schwach und die Mas­se nicht gut­ge­sinnt ge­nug ist.

      Zwei­er­lei be­son­ders be­trüb­te uns­re ein­sa­men Den­ker: ein­mal die deut­li­che Ein­sicht, wie Das, was mit Recht »clas­si­sche Bil­dung« zu nen­nen wäre, jetzt nur ein in frei­er Luft schwe­ben­des Bil­dungs­ide­al ist, das aus dem Bo­den un­se­rer Er­zie­hungs­ap­pa­ra­te gar nicht her­vor­zu­wach­sen ver­mö­ge, wie Das hin­ge­gen, was mit ei­nem land­läu­fi­gen und nicht be­an­stan­de­ten Eu­phe­mis­mus jetzt als »clas­si­sche Bil­dung« be­zeich­net wird, eben nur den Werth ei­ner an­spruchs­vol­len Il­lu­si­on hat: de­ren bes­te Wir­kung noch dar­in be­steht, daß das Wort selbst »clas­si­sche Bil­dung« doch noch wei­ter lebt und sei­nen pa­the­ti­schen Klang noch nicht ver­lo­ren hat. An dem deut­schen Un­ter­richt so­dann hat­ten sich die ehr­li­chen Män­ner mit­ein­an­der deut­lich ge­macht, daß be­reits der rich­ti­ge Aus­gangs­punkt für eine hö­he­re, an den Pfei­lern des Al­ter­thums auf­zu­rich­ten­de Bil­dung bis jetzt nicht ge­fun­den sei: die Ver­wil­de­rung der sprach­li­chen Un­ter­wei­sung, das He­rein­drin­gen ge­lehr­ten­haf­ter his­to­ri­scher Rich­tun­gen an Stel­le ei­ner prak­ti­schen Zucht und Ge­wöh­nung, die Ver­knüp­fung ge­wis­ser, in den Gym­na­si­en ge­for­der­ten Übun­gen mit dem be­denk­li­chen Geis­te un­se­rer jour­na­lis­ti­schen Öf­fent­lich­keit – alle die­se am deut­schen Un­ter­rich­te wahr­nehm­ba­ren Phä­no­me­ne ga­ben die trau­ri­ge Ge­wiß­heit, daß die heil­sams­ten vom clas­si­schen Al­ter­thu­me aus­ge­hen­den Kräf­te noch nicht ein­mal in un­sern Gym­na­si­en ge­ahnt wer­den, jene Kräf­te näm­lich, wel­che zum Kamp­fe mit der Bar­ba­rei der Ge­gen­wart vor­be­rei­ten, und wel­che viel­leicht noch ein­mal die Gym­na­si­en in die Zeughäu­ser und Werk­stät­ten die­ses Kamp­fes um­wan­deln wer­den.

      In­zwi­schen schi­en es im Ge­gent­heil, als ob recht grund­sätz­lich der Geist des Al­ter­thums be­reits an der Schwel­le des Gym­na­si­ums weg­ge­trie­ben wer­den soll­te, und als ob man auch hier dem durch Schmei­che­lei­en ver­wöhn­ten We­sen un­se­rer jet­zi­gen an­geb­li­chen »deut­schen Cul­tur« die Tho­re so weit als mög­lich öff­nen wol­le. Und wenn es für un­se­re ein­sa­men Un­ter­red­ner eine Hoff­nung zu ge­ben schi­en, so war es die, daß es noch schlim­mer kom­men müs­se, daß Das, was von We­ni­gen bis­her er­rat­hen wur­de, bald Vie­len zu­dring­lich deut­lich sein wer­de, und daß dann die Zeit der Ehr­li­chen und der Ent­schlos­se­nen auch für das erns­te Be­reich der Volks­er­zie­hung nicht mehr fer­ne sei.

      Nach ei­ni­ger Zeit schweig­sa­mer Über­le­gung wen­de­te sich der Beglei­ter an den Phi­lo­so­phen und sag­te ihm: »Sie woll­ten mir Hoff­nun­gen ma­chen, mein Leh­rer; aber Sie ha­ben mir mei­ne Ein­sicht, und da­durch mei­ne Kraft, mei­nen Muth ver­mehrt: wirk­lich sehe ich jetzt küh­ner auf das Kampf­feld hin, wirk­lich miß­bil­li­ge ich be­reits mei­ne all­zu­schnel­le Flucht. Wir wol­len ja nichts für uns; und auch das darf uns nicht küm­mern, wie vie­le In­di­vi­du­en in die­sem Kamp­fe zu Grun­de gehn, und ob wir selbst etwa un­ter den Gif­ten fal­len. Gera­de weil wir es ernst neh­men, soll­ten wir uns­re ar­men In­di­vi­du­en nicht so ernst neh­men; im Au­gen­blick, wo wir sin­ken, wird wohl ein An­de­rer die Fah­ne fas­sen, an de­ren Ehren­zei­chen wir glau­ben. Selbst dar­über will ich nicht nach­den­ken, ob ich kräf­tig ge­nug zu ei­nem sol­chen Kamp­fe bin, ob ich lan­ge wi­der­ste­hen wer­de; es mag wohl selbst ein eh­ren­vol­ler Tod sein, un­ter dem spöt­ti­schen Ge­läch­ter sol­cher Fein­de zu fal­len, de­ren Ernst­haf­tig­keit uns so häu­fig als et­was Lä­cher­li­ches er­schie­nen ist. Den­ke ich an die Art, wie sich mei­ne Al­ters­ge­nos­sen zu dem glei­chen Be­ru­fe, wie ich, zu dem höchs­ten Lehr­er­be­ru­fe, vor­be­rei­te­ten, so weiß ich, wie oft wir ge­ra­de über das Ent­ge­gen­ge­setz­te lach­ten, über das Ver­schie­dens­te ernst wur­den –«

      »Nun, mein Freund«, un­ter­brach ihn la­chend der Phi­lo­soph, »du sprichst, wie Ei­ner, der in’s Was­ser sprin­gen will, ohne schwim­men zu kön­nen, und mehr als das Er­trin­ken da­bei fürch­tet, nicht zu er­trin­ken und aus­ge­lacht zu wer­den. Das Aus­ge­lacht­wer­den soll aber uns­re letz­te Be­fürch­tung sein; denn wir sind hier auf ei­nem Ge­bie­te, wo es so viel Wahr­hei­ten zu sa­gen giebt, so viel er­schreck­li­che pein­li­che un­ver­zeih­li­che Wahr­hei­ten, daß der auf­rich­tigs­te Haß uns nicht feh­len wird, und nur die Wuth es hier und da ein­mal zu ei­nem ver­leg­nen La­chen brin­gen möch­te. Den­ke dir nur ein­mal die un­ab­seh­ba­ren Schaa­ren der Leh­rer, die im bes­ten Glau­ben das bis­he­ri­ge Er­zie­hungs­sys­tem in sich auf­ge­nom­men ha­ben, um es nun gu­ten Muths und ohne ernst­li­che Be­den­ken wei­ter zu tra­gen – wie meinst du wohl, daß es die­sen vor­kom­men muß, wenn sie von Plä­nen hö­ren, von de­nen sie aus­ge­schlos­sen sind und zwar be­ne­fi­cio na­tu­rae, von For­de­run­gen, die weit über ihre mitt­le­ren Be­fä­hi­gun­gen hin­aus­flie­gen, von Hoff­nun­gen, die in ih­nen ohne Wie­der­hall


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