Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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sind, aber es ur­sprüng­lich nicht zu sein schie­nen.

      Prin­zip des Gleich­ge­wichts. – Der Räu­ber und der Mäch­ti­ge, wel­cher ei­ner Ge­mein­de ver­spricht, sie ge­gen den Räu­ber zu schüt­zen, sind wahr­schein­lich im Grun­de ganz ähn­li­che We­sen, nur daß der zwei­te sei­nen Vor­teil an­ders als der ers­te er­reicht: näm­lich durch re­gel­mä­ßi­ge Ab­ga­ben, wel­che die Ge­mein­de an ihn ent­rich­tet, und nicht mehr durch Brand­schat­zun­gen. (Es ist das näm­li­che Ver­hält­nis wie zwi­schen Han­dels­mann und See­räu­ber, wel­che lan­ge Zeit ein und die­sel­be Per­son sind: wo ihr die eine Funk­ti­on nicht rät­lich scheint, da übt sie die an­de­re aus. Ei­gent­lich ist ja selbst jetzt noch alle Kauf­manns-Moral nur die Ver­klü­ge­rung der See­räu­ber-Moral: so wohl­feil wie mög­lich kau­fen – wo­mög­lich für Nichts als die Un­ter­neh­mungs­kos­ten –, so teu­er wie mög­lich ver­kau­fen). Das We­sent­li­che ist: je­ner Mäch­ti­ge ver­spricht, ge­gen den Räu­ber Gleich­ge­wicht zu hal­ten; dar­in se­hen die Schwa­chen eine Mög­lich­keit zu le­ben. Denn ent­we­der müs­sen sie sich sel­ber zu ei­ner gleich­wie­gen­den Macht zu­sam­men­tun oder sich ei­nem Gleich­wie­gen­den un­ter­wer­fen (ihm für sei­ne Leis­tun­gen Diens­te leis­ten). Dem letz­te­ren Ver­fah­ren wird gern der Vor­zug ge­ge­ben, weil es im Grun­de zwei ge­fähr­li­che We­sen in Schach hält: das ers­te durch das zwei­te und das zwei­te durch den Ge­sichts­punkt des Vor­teils; letz­te­res hat näm­lich sei­nen Ge­winn da­von, die Un­ter­wor­fe­nen gnä­dig oder leid­lich zu be­han­deln, da­mit sie nicht nur sich, son­dern auch ih­ren Be­herr­scher er­näh­ren kön­nen. Tat­säch­lich kann es da­bei im­mer noch hart und grau­sam ge­nug zu­ge­hen, aber ver­gli­chen mit der frü­her im­mer mög­li­chen völ­li­gen Ver­nich­tung at­men die Men­schen schon in die­sem Zu­stan­de auf. – Die Ge­mein­de ist im An­fang die Or­ga­ni­sa­ti­on der Schwa­chen zum Gleich­ge­wicht mit ge­fahr­dro­hen­den Mäch­ten. Eine Or­ga­ni­sa­ti­on zum Über­ge­wicht wäre rät­li­cher, wenn man da­bei so stark wür­de, um die Ge­gen­macht auf ein­mal zu ver­nich­ten: und han­delt es sich um einen ein­zel­nen mäch­ti­gen Scha­den­tu­er, so wird dies ge­wiß ver­sucht. Ist aber der eine ein Stamm­haupt oder hat er großen An­hang, so ist die schnel­le ent­schei­den­de Ver­nich­tung un­wahr­schein­lich und die dau­ern­de lan­ge Feh­de zu ge­wär­ti­gen: die­se aber bringt der Ge­mein­de den am we­nigs­ten wünsch­ba­ren Zu­stand mit sich, weil sie durch ihn die Zeit ver­liert, für ih­ren Le­bens­un­ter­halt mit der nö­ti­gen Re­gel­mä­ßig­keit zu sor­gen, und den Er­trag al­ler Ar­beit je­den Au­gen­blick be­droht sieht. Des­halb zieht die Ge­mein­de vor, ihre Macht zu Ver­tei­di­gung und An­griff ge­nau auf die Höhe zu brin­gen, auf der die Macht des ge­fähr­li­chen Nach­bars ist, und ihm zu ver­ste­hen zu ge­ben, daß in ih­rer Wag­scha­le jetzt gleich viel Erz lie­ge: warum wol­le man nicht gut Freund mit­ein­an­der sein? – Gleich­ge­wicht ist also ein sehr wich­ti­ger Be­griff für die äl­tes­te Rechts- und Moral­leh­re; Gleich­ge­wicht ist die Ba­sis der Ge­rech­tig­keit. Wenn die­se in ro­he­ren Zei­ten sagt: "Auge um Auge, Zahn um Zahn", so setzt sie das er­reich­te Gleich­ge­wicht vor­aus und will es ver­mö­ge die­ser Ver­gel­tung er­hal­ten: so daß, wenn jetzt der eine sich ge­gen den an­dern ver­geht, der an­de­re kei­ne Ra­che der blin­den Er­bit­te­rung mehr nimmt. Son­dern ver­mö­ge des jus ta­lio­nis wird das Gleich­ge­wicht der ge­stör­ten Macht­ver­hält­nis­se wie­der­her­ge­stellt: denn ein Auge, ein Arm mehr ist in sol­chen Ur­zu­stän­den ein Stück Macht, ein Ge­wicht mehr. – In­ner­halb ei­ner Ge­mein­de, in der alle sich als gleich­ge­wich­tig be­trach­ten, ist ge­gen Ver­ge­hun­gen, das heißt ge­gen Durch­bre­chun­gen des Prin­zips des Gleich­ge­wichts, Schan­de und Stra­fe da: Schan­de, ein Ge­wicht, ein­ge­setzt ge­gen den über­grei­fen­den ein­zel­nen, der durch den Über­griff sich Vor­tei­le ver­schafft hat, durch die Schan­de nun wie­der Nach­tei­le er­fährt, die den frü­he­ren Vor­teil auf­he­ben und über­wie­gen. Eben­so steht es mit der Stra­fe: sie stellt ge­gen das Über­ge­wicht, das sich je­der Ver­bre­cher zu­spricht, ein viel grö­ße­res Ge­gen­ge­wicht auf, ge­gen Ge­walt­tat den Ker­ker­zwang, ge­gen Dieb­stahl den Wie­de­rer­satz und die Straf­sum­me. So wird der Frev­ler erin­nert, daß er mit sei­ner Hand­lung aus der Ge­mein­de und de­ren Moral – Vor­tei­len aus­schied: sie be­han­delt ihn wie einen Un­glei­chen, Schwa­chen, au­ßer ihr Ste­hen­den; des­halb ist Stra­fe nicht nur Wie­der­ver­gel­tung, son­dern hat ein Mehr, ein Et­was von der Här­te des Na­tur­zu­stan­des; an die­sen will sie eben erin­nern.

      Ob die An­hän­ger der Leh­re vom frei­en Wil­len stra­fen dür­fen? – Die Men­schen, wel­che von Be­rufs­we­gen rich­ten und stra­fen, su­chen in je­dem Fal­le fest­zu­stel­len, ob ein Übel­tä­ter über­haupt für sei­ne Tat ver­ant­wort­lich ist, ob er sei­ne Ver­nunft an­wen­den konn­te, ob er aus Grün­den han­del­te und nicht un­be­wußt oder im Zwan­ge. Straft man ihn, so straft man, daß er die schlech­teren Grün­de den bes­se­ren vor­zog: wel­che er also ge­kannt ha­ben muß. Wo die­se Kennt­nis fehlt, ist der Mensch nach der herr­schen­den An­sicht un­frei und nicht ver­ant­wort­lich: es sei denn, daß sei­ne Un­kennt­nis, zum Bei­spiel sei­ne i­gno­ran­tia le­gis, die Fol­ge ei­ner ab­sicht­li­chen Ver­nach­läs­si­gung des Er­ler­nens ist; dann hat er also schon da­mals, als er nicht ler­nen woll­te was er soll­te, die schlech­teren Grün­de den bes­se­ren vor­ge­zo­gen und muß jetzt die Fol­ge sei­ner schlech­ten Wahl bü­ßen. Wenn er da­ge­gen die bes­se­ren Grün­de nicht ge­se­hen hat, etwa aus Stumpf- und Blöd­sinn, so pflegt man nicht zu stra­fen: es hat ihm, wie man sagt, die Wahl ge­fehlt, er han­del­te als Tier. Die ab­sicht­li­che Ver­leug­nung der bes­se­ren Ver­nunft ist jetzt die Voraus­set­zung, die man beim straf­wür­di­gen Ver­bre­cher macht. Wie kann aber je­mand ab­sicht­lich un­ver­nünf­ti­ger sein, als er sein muß? Wo­her die Ent­schei­dung, wenn die Wag­scha­len mit gu­ten und schlech­ten Mo­ti­ven be­las­tet sind? Also nicht vom Irr­tum, von der Blind­heit her, nicht von ei­nem äu­ße­ren, auch von kei­nem in­ne­ren Zwan­ge her? (Man er­wä­ge üb­ri­gens, daß je­der so­ge­nann­te "äu­ße­re Zwang" nichts wei­ter ist, als der in­ne­re Zwang der Furcht und des Schmer­zes.) Wo­her? fragt man im­mer wie­der. Die Ver­nunft soll also nicht die Ur­sa­che sein, weil sie sich nicht ge­gen die bes­se­ren Grün­de ent­schei­den könn­te? Hier nun ruft man den "frei­en Wil­len" zur Hil­fe: es soll das vollen­de­te Be­lie­ben ent­schei­den, ein Mo­ment ein­tre­ten, wo kein Mo­tiv wirkt, wo die Tat als Wun­der ge­schieht, aus dem Nichts her­aus. Man straft die­se an­geb­li­che Be­lie­big­keit, in ei­nem Fal­le, wo kein Be­lie­ben herr­schen soll­te: die Ver­nunft, wel­che das Ge­setz, das Ver­bot und Ge­bot kennt, hät­te gar kei­ne Wahl las­sen dür­fen, meint man, und als Zwang und hö­he­re Macht wir­ken sol­len. Der Ver­bre­cher wird also be­straft, weil er vom "frei­en Wil­len" Ge­brauch macht: das heißt, weil er ohne Grund ge­han­delt hat, wo er nach Grün­den hät­te han­deln sol­len. Aber warum tat er dies? Dies eben darf nicht ein­mal mehr ge­frag­t wer­den: es war eine Tat ohne "dar­um?" ohne Mo­tiv, ohne Her­kunft, et­was Zweck­lo­ses und Ver­nunft­lo­ses. – Ei­ne sol­che Tat dürf­te man aber, nach der ers­ten oben vor­an­ge­schick­ten Be­din­gung al­ler Straf­bar­keit, auch nicht stra­fen! Auch jene Art der Straf­bar­keit darf


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